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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Robert Habeck Und täglich grüßt das Murmeltier
Regieren in Dauerschleife: Die Ampel hat sich bereits zum dritten Mal auf eine Heizungsreform verständigt. Doch noch immer kämpfen die Minister um die Details.
Robert Habeck sieht das jetzt gar nicht ein. Da sitzt er nun und muss sich mal wieder verteidigen, wie so oft in diesen Wochen. Diesmal gegen den Vorwurf, die Grünen hätten im Koalitionsausschuss zu sehr nachgegeben. Und ihre Ziele verraten.
Er sehe das "an vielen Stellen" anders, aber "selbst wenn es so wäre, wäre das so schlimm?", fragt Habeck im ZDF-"heute journal" zurück. Und er hat noch ein paar andere Fragen: "Ist es nicht vielmehr so, dass irgendjemand mal einen halben Schritt auf die anderen zugehen müsste? Und ist es nicht vielmehr so, dass man vielleicht sogar fast stolz darauf sein kann, dass wir die Kraft haben, eine Regierung wieder mit zum Arbeiten zu bringen?"
Robert Habeck muss sich in diesen Wochen fühlen, als sei er in einer Dauerschleife gefangen. Als wäre er der Hauptdarsteller im Film "Und täglich grüßt das Murmeltier", nur dass er nicht immer und immer wieder von einem Murmeltier begrüßt wird – sondern von Christian Lindner und Olaf Scholz.
Der Streit über die Heizungspläne zieht sich seit Wochen. Dabei standen die Grundzüge der Reform schon im Koalitionsvertrag. Vor rund einem Jahr hat die Ampel sich noch einmal darauf geeinigt, ab 2024 nur noch Heizungen einzubauen, die zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Und in den vergangenen Tagen hat sie das nach rund 30 Stunden Verhandlungen einfach noch mal gemacht.
Drei Mal beschlossen – doch auch jetzt streitet die Koalition immer noch weiter über die Heizungen. Es ist eine ganz eigene Art zu regieren, bei der sich nicht nur Beobachter von außen fragen, ob das so weitergehen kann.
Harsche Kritik von vermeintlichen Freunden
Die Grünen haben es bei den Heizungen in den vergangenen Wochen nicht nur von der "Bild"-Zeitung abbekommen. Das Boulevardblatt schrieb eifrig gegen "Habecks Heizungs-Irrsinn" an, wie das Vorhaben dort hieß. Auch die eigenen Koalitionspartner waren nicht zimperlich, trotz der gemeinsamen Beschlüsse.
Die FDP sprach von einer "Verschrottungsorgie". Und selbst die SPD, deren Bauministerin Klara Geywitz das Gesetz gemeinsam mit Wirtschaftsminister Robert Habeck ausgearbeitet hatte, übte in der Öffentlichkeit laute Kritik. So gehe das nicht, ließen gleich mehrere sozialdemokratische Ministerpräsidenten wissen.
Von einer Würgepartie ist bei den Grünen die Rede. Sie waren und sind einigermaßen fassungslos, besonders über den koalitionsinternen Widerstand.
"Ich wundere mich sehr, dass gerade Kanzler Olaf Scholz nicht zu seinem Wort steht", sagt etwa Rasmus Andresen. "Dass wir Grüne ihn bei der Gebäudesanierung immer wieder neu an längst gefundene Kompromisse erinnern müssen, schwächt die Bundesregierung", sagt der Chef der Grünen im Europaparlament t-online. "Mir ist wirklich nicht klar, wie er unser Land so durch die Krisen führen will."
Für die Grünen ist nicht nur das öffentliche Bild als Heizungsverschrotter ein echtes Problem, sondern auch die politischen Folgen der Dauerschleife. Sie mussten dreimal von Neuem für eine Reform kämpfen, also politisches Kapital einsetzen und an anderen Stelle Zugeständnisse machen, um zu bekommen, was sie eigentlich schon längst als sicher betrachteten.
Denn sonst, so die grüne Interpretation, wäre die Reform womöglich doch nicht gekommen. Dabei ist sie aus Sicht der Grünen essenziell und kommt ohnehin schon zu spät. Bei den Heizungen schnell fossilfrei zu werden, sei ein Schlüssel, um die Klimaziele zu erreichen. Denn noch rund 80 Prozent der Wärmeenergie ist fossil.
Die vergangenen Wochen hätten gezeigt, "welche Unsicherheiten und Widerstände ernst gemeinter Klimaschutz in der Realität" auslöse. So sehen es die Grünen.
Wer ist schuld am Schlamassel?
Die FDP sieht es naturgemäß etwas anders. Dort finden sie, dass Habeck und die Grünen selbst schuld seien. Sie hätten die Wärmepumpe in den Diskussionen faktisch als die künftig einzig mögliche Heizform dargestellt. Nur noch Wärmepumpe – und sonst nichts.
Die Grünen trommeln in der Tat vor allem für die Wärmepumpe. Sie argumentieren, es sei für die meisten Fälle schlicht die effizienteste und auf lange Sicht günstigste Alternative. Die Verantwortung für die Verwirrung sehen sie bei FDP und SPD und ihren falschen Vorwürfen an das Gesetz.
So habe nie zur Debatte gestanden, dass Heizungen ausgetauscht werden müssen, die noch funktionieren oder repariert werden können, argumentieren die Grünen. Von Anfang an habe die Reform zudem pragmatische Übergangslösungen vorgesehen – und sei technologieoffen gewesen.
Tatsächlich sah der Gesetzentwurf immer Übergangsfristen, Härtefallregelungen und mehrere Möglichkeiten vor, das Ziel einer Heizung mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien zu erreichen. Für Neubauten waren von Beginn an nicht nur Wärmepumpen, sondern auch Stromdirektheizungen und Fernwärme vorgesehen. Und in Bestandsgebäuden konnten schon immer auch Heizungen mit erneuerbaren Gasen, Biomasse- und Hybridheizungen eingebaut werden.
Wichtige Details weiter unklar
Der FDP und Teilen der SPD reicht das nur nicht aus. Was das Gesetz genau vorsieht, das nun schon im April vom Bundeskabinett beschlossen werden soll, ist deshalb weiter in wichtigen Details unklar.
Die Ministerien streiten etwa noch darüber, wie großzügig Übergangsfristen, Befreiungs- und Ausnahmeregelungen nun ausfallen sollen. Und wie genau die sozial gestaffelte Förderung aussieht. Wer also wie viel Geld bekommt, damit der Kauf der Wärmepumpe für jeden zu stemmen ist.
Die FDP hat im Koalitionsausschuss nun zudem durchgesetzt, dass auch weiterhin in neuen Gebäuden Gasheizungen eingebaut werden dürfen, wenn sie später mit Wasserstoff betrieben werden. Wie das konkret ausgestaltet wird, ist aber ebenso noch umstritten. Die Grünen fürchten, dass die FDP damit eigentlich nur erreichen will, dass neue Gasheizungen für viele Jahre erlaubt bleiben.
Habecks Wirtschaftsministerium will deshalb strenge Bedingungen vorgeben. Die Gasheizung soll zu 100 Prozent mit Wasserstoff betrieben werden können, nicht etwa nur zu 20 Prozent, wie es derzeit oft der Fall ist. Zudem soll der Netzbetreiber am Wohnort rechtsverbindlich garantieren, dass es künftig ein Wasserstoffnetz geben wird. Ob so strenge Vorgaben tatsächlich kommen?
Absturz der "Hindenburg" im Heizungskeller
Der Unmut jedenfalls bleibt bei allen Beteiligten riesig. "Mit Wasserstoff gibt es ja Erfahrungswerte", schrieb der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Till Steffen, auf Twitter. "Will das die FDP demnächst in jedem Haushalt?" Dazu stellte er ein Bild der lichterloh brennenden "Hindenburg". Der Zeppelin stürzte 1937 bei der Landung im amerikanischen Lakehurst ab, weil sich die Wasserstofffüllung entzündet hatte. 35 Menschen starben.
Der Grünen-Politiker löschte den Tweet nach harscher Kritik wieder. Er habe darauf hinweisen wollen, schrieb er anschließend, dass Wasserstoff in einigen Sektoren dringend gebraucht, aber nicht für alles die Lösung sei. "Das kam nicht rüber."
Sinnlos und potenziell gefährlich finden die Grünen das Ganze aber natürlich weiterhin. Sie fürchten, dass die Leute sich für eine falsche, am Ende teurere Heizung entscheiden. Habecks Staatssekretär Patrick Graichen warnt deshalb, "dass Wasserstoffheizungen sicherlich nur in Einzelfällen die Lösung" seien und zwar "schlicht und einfach, weil Wasserstoff knapp und fürs Heizen sehr teuer sein wird".
Und auch die FDP ist noch nicht zufrieden. "Es wäre hilfreich", sagt Energiepolitiker Michael Kruse t-online, "wenn Herr Habeck seine Energie nun dafür aufwendet, ein gutes Finanzierungskonzept für den sozialen Ausgleich aus dem Klima- und Transformationsfonds vorzulegen, anstatt auf das Zerreden der Technologieoffenheit."
Es geht weiter und weiter.
- Eigene Recherchen und Beobachtungen
- zdf.de: Haben die Grünen nachgegeben, Herr Habeck?