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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kretschmer attackiert Lauterbach "Das kann auf keinen Fall so beschlossen werden"
Karl Lauterbach (SPD) plant eine große Krankenhausreform. Doch sein Entwurf dürfe nicht Realität werden, warnt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).
Der Handlungsbedarf im Gesundheitswesen ist groß: Sechs von zehn Krankenhäusern schreiben rote Zahlen, nur jede fünfte Klinik erwirtschaftet überhaupt Gewinne. Das liegt auch daran, dass viele der bundesweit noch gut 1.800 Krankenhäuser von der ärztlichen Grundversorgung bis zur Spezialoperation alle Leistungen anbieten. Das ist teuer.
Das Geld dafür holen sich die Kliniken bisher von den Krankenkassen – über Fallpauschalen. Je mehr Leistungen eine Klinik anbietet und je mehr Fälle sie behandelt, desto mehr kann sie abrechnen. Das führt auch zu überflüssigen Operationen, unnötigen Behandlungen und zusätzlichen Ausgaben. Aber nicht immer geht die Rechnung der Kliniken auf – und sie müssen schließen.
Deshalb hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einen ersten Vorstoß zu einer großen Krankenhausreform gemacht. Unter anderem sollen die Kliniken künftig in drei Kategorien mit unterschiedlichen Leistungsumfängen eingeteilt werden: von der wohnortnahen Grundversorgung bis zur Maximalversorgung.
Für seine Reform braucht Lauterbach allerdings die Länder, weil sie den Betrieb der Krankenhäuser finanzieren. Doch die wehren sich gegen die Berliner Pläne. Warum, erklärt der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer im Interview.
t-online: Herr Kretschmer, wie viele der 120 Klinikstandorte müssten in Sachsen schließen, wenn die Pläne von Karl Lauterbach Realität würden?
Michael Kretschmer: In Sachsen sind bis zu zehn Standorte gefährdet. Dabei haben wir unsere Krankenhauslandschaft schon in den 90er-Jahren konsolidiert und das Kliniksystem tragfähig und finanziell vernünftig aufgestellt. Die Krankenhausreform, die Herr Lauterbach sich ausgedacht hat, darf auf keinen Fall Realität werden.
Der Gesundheitsminister argumentiert, die Reform sei notwendig, um unnötige Klinikschließungen zu verhindern.
Man kann von Berlin aus nicht für das Vogtland, die Schwäbische Alb und den Harz planen. Das geht nur vor Ort. Deshalb muss der gesamte Prozess der Krankenhausreform zurück auf Anfang. Schließlich sind die Länder für die Krankenhausplanung zuständig.
Zurück auf Anfang heißt vor allem, dass noch mehr Zeit verloren geht. Sind Sie noch bereit für Verhandlungen?
Der Gesetzentwurf von Karl Lauterbach ist eine große Enttäuschung und nicht zu heilen. Das kann auf keinen Fall so beschlossen werden. Die Ampelregierung in Berlin ist wie so oft weit weg von dem, was sich die Menschen in diesem Land wünschen. Es ist doch absurd, dass bei der Krankenhausreform "par ordre du mufti" alles über einen Kamm geschoren werden soll und den vorhandenen, funktionierenden Strukturen die Existenzberechtigung entzogen wird. Das wollen die Menschen nicht. Dass Reformen notwendig sind, steht außer Frage. Aber wir brauchen ein System, das insbesondere im ländlichen Raum die medizinische Versorgung sichert.
Also scheitert die Reform an den Ländern?
Karl Lauterbach hat das richtige Thema angepackt, und ich unterstütze ihn bei den nötigen Veränderungen. Aber wenn wir Deutschland zukunftsfähig machen wollen, brauchen wir ein gemeinsames, vertrauensvolles Handeln. Wir müssen die Potenziale der Digitalisierung heben und eine Reform machen, die auch die Lebenswirklichkeit der Medizinerinnen und Mediziner abbildet. Und wir brauchen Respekt vor dem Leben im ländlichen Raum.
Es gibt bereits eine Bund-Länder-Gruppe, die die Vorschläge der sogenannten "Regierungskommission Krankenhaus" diskutiert und daraus einen Gesetzentwurf weiterentwickelt. Was haben die Ost-Ministerpräsidenten beim Gipfel mit Karl Lauterbach zu besprechen, was den Westen gar nicht betrifft?
Tatsächlich geht es nicht nur um den Osten, das ist ein gesamtdeutsches Thema.
Trotzdem hat der Osten andere Themen als der Westen. Wo ist Sachsen anderen Bundesländern voraus?
Nach dem Ende der DDR wäre die Sanierung aller damals existierenden Standorte niemals möglich gewesen. In dieser Not haben wir uns eine funktionierende Struktur gegeben: mit erreichbaren Krankenhäusern für die Grundversorgung in den Regionen und Spitzenmedizin konzentriert auf einzelne Standorte.
Wenn Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben, wo ist dann das Problem?
In vielen anderen Bundesländern hat es diese Strukturreformen, die auch bei uns mit sehr großen Schmerzen verbunden waren, nicht gegeben. Umso mehr muss jetzt darauf geachtet werden, dass eine Krankenhauslandschaft, die schon mal reformiert und auch optimiert wurde, jetzt nicht unter die Räder kommt.
Klinikschließungen sind mit Ihnen also nicht zu machen?
Da, wo weniger Krankenhäuser ein Plus an Qualität bringen, kann die Anzahl reduziert werden. Für die Regionen braucht es vor allem sektorübergreifend arbeitende Behandlungszentren. Aber das müsste zwischen Bund und Ländern abgestimmt werden.
Also ist doch noch ein Kompromiss in Sicht?
Der Entwurf, wie er jetzt vorliegt, ist nicht konsensfähig. Dennoch ist das Treffen am Freitag eine ausgestreckte Hand. Es geht nur gemeinsam: Bund und Länder.
- Interview mit Michael Kretschmer am 28.3.2023
- DKG zum Krankenhaus-Barometer: Krankenhäuser finanziell und personell am Limit (dkgev.de)
- Krankenhausreform: Länder fordern Öffnungsklauseln und Finanzierung durch den Bund (aerzteblatt.de)
- Bundesgesundheitsministerium: Krankenhausreform