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Krach um Bundeshaushalt 2024: Lindner lässt Haushaltsgespräche platzen


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Verhandlungen gescheitert
Mit einem großen Knall


Aktualisiert am 11.03.2023Lesedauer: 5 Min.
Finanzminister Christian Lindner: Selbst die eigenen Parteifreunde waren überrascht.Vergrößern des Bildes
Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen
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Am kommenden Mittwoch wollte Finanzminister Christian Lindner seinen Haushaltsplan für das Jahr 2024 vorstellen. Jetzt ist der Termin geplatzt. Die Regierung kann sich nicht über ihre Ausgaben einigen – und wirkt zerstrittener denn je.

Manchmal offenbart sich das politische Chaos in Kleinigkeiten. In diesem Fall sind es drei Ausrufezeichen. Sie hängen an einem Satz in Großbuchstaben, der am Donnerstag an die Haushaltspolitiker des Deutschen Bundestages verschickt wurde: "BEGINN 13:00 UHR!!!" war da in einer Mail zu lesen.

Die Botschaft: Die Sitzung des Haushaltsausschusses am nächsten Mittwoch sollte spontan um eine Stunde nach vorn verschoben werden, damit Finanzminister Christian Lindner noch persönlich vorbeikommen kann. Er wollte die sogenannten Eckwerte für den Bundeshaushalt 2024 vorstellen. Alle sollten früher kommen, deshalb die Rundmail.

Nur wenige Stunden später dann die Meldung, dass der Termin abgesagt ist: Die Vorstellung der Eckwerte ist geplatzt. Und die Verhandlungen zwischen den Ministerien und dem Finanzminister über den nächsten Haushalt sind gescheitert. Zumindest vorerst.

Wie soll das Leben der Menschen in Deutschland aussehen?

Es sind turbulente Tage für die Ampelkoalition in Berlin. Robert Habeck löste einen öffentlichen Wirbel mit einem Vorstoß zum Austausch von Heizungen aus, seit Wochen wird über die Planungsbeschleunigung beim Neubau von Autobahnen gestritten. Und nun kann sich die Regierung nicht mehr darüber einigen, wofür sie ihr Geld eigentlich ausgeben will. "Wir werden im Kabinett noch einmal gemeinsam über finanzielle Realitäten sprechen müssen", sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur. Einen neuen Zeitpunkt wollte er ausdrücklich nicht nennen.

Und jetzt?

An den vielen Milliarden hängen konkrete Projekte. Wie soll das Leben der Menschen in Deutschland aussehen? Wofür gibt es Förderungen, was wird gebaut – und wo wird gespart? Durch die Absage des Termins wird jetzt öffentlich sichtbar, wie zerstritten das Kabinett ist. Finanzminister Lindner steht in diesen Tagen als mächtiger Mann da, der über die Milliarden entscheiden kann – aber keine Einigung präsentiert. Wie lange kann das gut gehen?

Der aktuelle Eklat hat zwei Ebenen. Das eine ist, dass der Termin am nächsten Mittwoch, an dem zumindest die Eckwerte präsentiert werden sollten, abgesagt ist. Das Datum war von der Koalition selbst gewählt, es nicht einzuhalten, ist zunächst keine Katastrophe für die Regierung. Man könnte theoretisch einfach weiter verhandeln, erst im Juli müsste das Kabinett dann den Haushalt beschließen.

Problematischer ist, dass keine Einigung in Sicht ist. Denn alle Parteien bestehen auf ihren Forderungen. Und die sind unvereinbar. Sowohl SPD als auch Grüne haben diverse Wünsche, bei denen die FDP nicht zustimmen will. Auf etwa 70 Milliarden Euro summieren sich die zusätzlichen Kosten, die eingeplant werden. Umgekehrt empfinden einige in der Koalition etliche Vorschläge der Liberalen zum Einsparen von Geld als Hohn.

Das Problem der Ampelregierung beim Streit um das große Geld ist eine selbst gebaute Zwickmühle. Denn Finanzminister Christian Lindner sitzt in der Klemme: Einerseits kann er nicht neue Schulden aufnehmen, weil er die Schuldenbremse einhalten will. Andererseits jedoch kann er nicht die Einnahmen steigern, weil die FDP Steuererhöhungen ausschließt. Für die Ministerien bedeutet das: Sie müssen mit dem aktuellen Budget umgehen. Doch wie das ablaufen soll, darüber gehen die Meinungen enorm weit auseinander.

Ein indirekter Vorwurf an die FDP

Zwei Blöcke stechen dabei besonders heraus. Der eine ist für Boris Pistorius, den neuen Verteidigungsminister. Pistorius hatte etwa 10 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr gefordert. Zwar bekommt die Truppe 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen, jedoch ist dies nur für die Ausstattung der Soldaten gedacht. Lindner steht dem Anliegen um die 10 Milliarden grundsätzlich wohlwollend gegenüber – doch dafür müsste anderweitig Geld eingespart werden.

Der noch größere Block ist die Kindergrundsicherung. Zwölf Milliarden Euro will die grüne Familienministerin Lisa Paus dafür haben. Ihr Parteifreund, der Haushaltspolitiker Bruno Hönel, sagt: "Die Kindergrundsicherung als zentrales soziales Projekt der Ampelkoalition benötigt zügig einen verlässlichen Finanzrahmen, um strukturelle Kinderarmut wirksam eindämmen zu können. Eine Kindergrundsicherung als reine Verwaltungsreform hingegen wird Kinder nicht aus der Armut holen."

Es ist der indirekte Vorwurf an die FDP: Diese würde die Kindergrundsicherung eher mit einer Verwaltungsreform lösen wollen. Bei den Liberalen ist die Rede von einem niedrigen, einstelligen Milliardenbetrag – und das tendenziell ab 2025, nicht schon ab dem nächsten Jahr. Die Liberalen verweisen gern darauf, dass man dieses Jahr bereits das Kindergeld erhöht habe.

"Viele machen sich einen schlanken Fuß"

Hinzu kommen noch diverse andere Vorschläge aus den Ressorts, die sich gemeinsam zu zweistelligen Milliardenbeträgen aufaddieren. Wo soll das Geld herkommen? Die Grünen-Haushaltspolitikerin Katharina Beck schlägt vor: "Ein logischer Hebel zur Lösung der Probleme sind auch Mehreinnahmen." So sollte man beispielsweise beim Umsatzsteuerbetrug als Staat genauer hinschauen, das könnte die Kasse aufbessern. Zudem verweist sie auf den Sachverständigenrat der Bundesregierung, der die befristete Einführung eines Energiesolis oder einen anderen Spitzensteuersatz ins Spiel gebracht hatte.

Solche Vorschläge dürften bei Christian Lindner nicht auf Gegenliebe stoßen. Anders sieht es da mit einem Vorstoß aus der Unionsfraktion aus. Dem Nachrichtenportal t-online sagte CDU-Chefhaushälter Christian Haase: "Zeitenwende heißt eben auch, dass der Koalitionsvertrag eigentlich neu verhandelt werden muss. Unter anderem müssen die Länder ihre eigenen Aufgaben mehr wahrnehmen – da machen sich viele Landesregierungen finanziell einen enorm schlanken Fuß."

Für die FDP ist das eher denkbar. Doch solche haushaltspolitischen Umwälzungen brauchen Zeit – und die hat die Koalition aktuell nicht. Christian Lindner wird weiterhin mit den Ministern Gespräche führen. Und könnte dabei eher strikt auftreten. Aus der Koalition hört man, dass sich Lindner in der Rolle des Moderators gefallen dürfte: Jetzt sind alle auf den kleinsten Koalitionspartner angewiesen. Wenn der Kassenwart Nein sagt, gibt es eben kein Geld.

Ein wenig Mini-Kanzler spielen

Und ausgerechnet der Kanzler dürfte mit einem gewissen Wohlwollen auf Lindners Gebaren blicken. Am Rosenmontag, nach dem öffentlichkeitswirksamen Briefwechsel zwischen Lindner und Habeck, hatte Scholz beide zum Gespräch ins Kanzleramt gebeten. Und ihnen dort, dem "Handelsblatt" zufolge klargemacht: Steuererhöhungen wird es nicht geben. Und die Schuldenbremse wird eingehalten. Beide Positionen sind feste Standpunkte der FDP.

Christian Lindner darf in diesen Tagen also ein wenig Mini-Kanzler spielen. Als Angela Merkel noch Regierungschefin war, nahm sie festgefahrene Haushaltsverhandlungen bisweilen selbst in die Hand. Unter Olaf Scholz scheint das nun anders zu laufen.

Die Einigung ist weiterhin nicht in Sicht. Vielen Haushältern ist schleierhaft, wie allein ein Kompromiss um die Kindergrundsicherung aussehen soll. Wenn Lindner den Streit weiterhin aussitzt, könnte es doch noch auf Olaf Scholz ankommen. Denn die Zeit läuft: In der Regel wurden vor der Sommerpause den Parlamentariern schon die Eckwerte zugeleitet. Die bestimmen jedoch nur die groben finanziellen Richtschnüre, die genaue Aufzählung, wofür wie viel Geld ausgegeben wird, steht da noch gar nicht.

Mit jedem Tag, der ohne Lösung vergeht, dürfte der Druck auf den Kanzler zunehmen. Mehrere Haushälter sind überzeugt: Spätestens im Juli brauche es eine handfeste Einigung – notfalls durch ein Machtwort des Kanzlers.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräche mit Finanz- und Haushaltspolitikern
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