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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wenige Monate nach Ausscheiden aus dem Amt Ex-NRW-Finanzminister übernimmt Aufsichtsratsposten
Als Finanzminister von Nordrhein-Westfalen war Lutz Lienenkämper bis vor wenigen Monaten ein einflussreicher Politiker. Jetzt sitzt er im Aufsichtsrat eines Versicherungskonzerns.
Der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) ist zum stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Gothaer Lebensversicherung AG berufen worden. Er hat dort zum 1. Januar den ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers abgelöst, der dem Gremium seit 2016 angehörte und ab 2018 ebenfalls stellvertretender Vorsitzender war. Das geht aus Unterlagen des Handelsregisters hervor, die t-online vorliegen. Öffentlich kommuniziert wurde die Personalie vom Konzern bislang nicht.
Neuer Posten fällt in die Karenzzeit
"Das Engagement ist mir unmittelbar durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrates, Herrn Prof. Görg, angetragen worden", sagte Lienenkämper t-online. Auch mit Rüttgers habe er persönlich darüber gesprochen. Interessenkonflikte seien aus seiner Sicht auszuschließen. Er sei als Minister weder mit dem Gothaer-Konzern noch mit der Versicherungsaufsicht befasst gewesen. Eine Auflage der Landesregierung für die Tätigkeit halte er "für üblich und eine Selbstverständlichkeit".
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Lienenkämper war im Juni 2022 aus dem Amt des Finanzministers ausgeschieden. Sein neuer Posten fällt damit in die einjährige Karenzzeit, in denen ehemalige Regierungsmitglieder neue Tätigkeiten anzeigen müssen. Die Landesregierung kann die Pläne während der Karenzzeit untersagen, wenn sie Interessenkonflikte befürchtet. Ausgehend von aktuellen t-online-Recherchen prüft die Düsseldorfer Koalition von CDU und Grünen bereits eine Lobbytätigkeit der ehemaligen Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU).
Landesregierung erteilte Auflage
Auch Lienenkämper hatte – wie es das Landesministergesetz verlangt – am 23. August seine Absicht mitgeteilt, den Aufsichtsratsposten bei der Versicherung zu übernehmen. Im Oktober beschloss die Landesregierung, die Tätigkeit nicht zu untersagen, erteilte allerdings genau wie bei Heinen-Esser die Auflage, Lienenkämper solle sich für befangen erklären, "sofern im Einzelfall Wissen in seine Tätigkeit einfließen würde, welches er in amtlicher Eigenschaft als Minister erworben hat".
Damit folgte sie der Empfehlung der sogenannten Ministerehrenkommission, die im Auftrag der Landesregierung solche Fälle auf mögliche Interessenkonflikte prüft und keine Einwände gegen Lienenkämpers Berufung hatte. Ebenso verhielt es sich mit seiner Berufung in den Aufsichtsrat der Rheinland Klinikum Neuss GmbH, die im Dezember erfolgte. In diesem Fall verzichtete die Landesregierung sogar auf eine Auflage.
- Eigene Recherchen