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Lambrecht-Rücktritt | Wehr-Experte: "Brauchen weniger Stäbe, mehr Truppe"


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Ex-Wehrbeauftragter nach Lambrecht-Aus
"Sie hätte besser Nein gesagt"

InterviewVon Clara Lipkowski

Aktualisiert am 16.01.2023Lesedauer: 3 Min.
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Christine Lambrecht bei der Panzerlehrbrigade 9 in Munster: Die Verteidigungsministerin ist zurückgetreten. (Quelle: Sven Eckelkamp via www.imago-images.de)
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Deutschland sucht mal wieder einen Verteidigungsminister. Dieser muss dem früheren Wehrbeauftragten zufolge dringend Reformen umsetzen.

Christine Lambrecht hat um Entlassung als Verteidigungsministerin gebeten. Gesucht wird nun ein Nachfolger – oder besser noch: eine Nachfolgerin, um den Frau-Mann-Proporz im Kabinett zu erhalten. Der ehemalige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), sagt im Gespräch mit t-online, welche Aufgaben dann schnellstmöglich angegangen werden müssen.

t-online: Herr Bartels, Christine Lambrecht als Verteidigungsministerin ist Geschichte. Wie konnte das mit ihr derart schieflaufen?

Hans-Peter Bartels: Diese Personalie wurde von Anfang an als etwas willkürlich empfunden, und die ganze Amtszeit verlief dann ja auch wenig glücklich, das Rücktritts-Hin-und-Her eingeschlossen. Christine Lambrecht war offenbar auf etwas anderes besser vorbereitet, sie wollte Innenministerin werden. Als der Posten aber überraschend an Nancy Faeser ging, wurde Lambrecht ebenso überraschend Verteidigungsministerin. Sie hätte besser Nein gesagt. Nicht jeder kann alles.

Warum ist dieser Posten so ein Schleudersitz, mit dem schon so viele Ministerinnen und Minister abstürzten?

In den letzten 30 Jahren ist jede Ministerin, jeder Minister davon überrascht worden, Verteidigungsminister zu werden. Das zeigt, dass Verteidigung in Deutschland nach Ende des Kalten Krieges keinen so besonders hohen Stellenwert mehr besaß. Das Ministeramt konnte nach allen möglichen Proporz-Erwägungen vergeben werden. Aber es ist und bleibt ein Schleudersitz, der die Hälfte der jeweiligen Amtsinhaber vorzeitig ins Aus befördert hat.

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels.
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels. (Quelle: Wolfgang Kumm/dpa/Archiv./dpa)

Hans-Peter Bartels

Hans-Peter Bartels war von 1998 bis 2015 SPD-Bundestagsabgeordneter. Dann wurde er zum Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages ernannt und behielt dieses Amt bis 2020. Seit Mai 2022 ist er Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik.

Welchen Eindruck hat Lambrecht bei der Truppe hinterlassen?

Die Erwartung an sie war, für eine einsatzfähige Bundeswehr zu sorgen. Wichtig wäre dafür die Reform der Streitkräftestruktur und des Beschaffungswesens gewesen. Damit hatte ihre Vorgängerin gerade begonnen. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hatte fertige Pläne ausgearbeitet. Aber Lambrecht hat sie auf Eis gelegt, um sich erst einmal selbst ein Bild zu machen.

Nun ist ein Jahr verloren – und das in einer neuen Epoche, in der Verteidigung wieder existenziell wichtig geworden ist. Die Bestandsaufnahme der Bundeswehr-Probleme, die Frau Lambrecht in Auftrag gegeben hat, ist bis heute noch nicht offiziell vorgelegt. Aber weder die Bundeswehr noch Deutschland oder die Nato haben Zeit, auf die Einarbeitung der deutschen Ministerin zu warten.

Was braucht die Truppe nun?

Eine Umgliederung der Streitkräfte: weniger Stäbe, mehr Truppe. Material und Personal gehören auch wieder in die Verantwortung von Kommandeuren und Inspekteuren. Das heißt, die Zentralisierung aus der Zeit des Schrumpfens, um zu sparen, die muss jetzt vorbei sein. Wir brauchen organische, vom ersten Tag an verlegefähige, kampfkräftige Großverbände. Also nicht mehr einzelne, überschaubare Kontingente für die Beteiligung an Kriseninterventionen weltweit, mit ein paar 100 oder 1.000 Soldatinnen und Soldaten. Heute muss stattdessen die ganze Bundeswehr einsatzfähig sein.

Wer wird das nun organisieren?

Die Regierung braucht jemanden mit politischem Gewicht, mit Durchsetzungskraft gegenüber den Kabinettskollegen, der SPD, der Koalition, der deutschen Öffentlichkeit und gegenüber internationalen Partnern. Das ist jetzt kein Job mehr zum Lernen, sondern man muss vom ersten Tag an die Zügel in die Hand nehmen. Es wird keine "Erste-100-Tage-Schonfrist" geben.

Lars Klingbeil als SPD-Parteivorsitzender hätte das nötige Kampfgewicht, aber er ist ein Mann. Das spricht nach dem Genderproporz-Prinzip gegen ihn. Hubertus Heil ist als Arbeitsminister und ehemaliger SPD-Generalsekretär erfahren im Management großer Apparate, politisch erfolgreich und würde sich so eine Troubleshooter-Aufgabe sicher zutrauen. Er könnte auf seinem jetzigen Posten durch eine Frau ersetzt werden.

Das gleiche gilt für Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt, der schon als Staatssekretär sehr international unterwegs war, als Kanzleramtsminister jetzt sowieso. Er kennt die Bundeswehr, das Thema Sicherheitspolitik liegt ihm. Bewertet man doch den Gender-Gesichtspunkt noch höher, wären auch etwa die gegenwärtige Wehrbeauftragte Eva Högl oder die Parlamentarische Staatssekretärin Siemtje Möller im Rennen.

Wann wird das entschieden?

So schnell wie möglich!

Verwendete Quellen
  • Telefon-Interview mit Hans-Peter Bartels am 16.01.2023
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