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FDP-Dreikönige: Wie viel Krawall wagen? Lindner vor Grundsatzentscheidung


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FDP in der Misere
Operation Knall


Aktualisiert am 06.01.2023Lesedauer: 3 Min.
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FDP-Chef Christian Lindner: Wohin steuert die FDP im Jahr 2023? (Quelle: Emmanuele Contini/imago-images-bilder)

Die FDP hadert mit der Ampel, die Stimmung ist schlecht. Beim traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen muss Christian Lindner deshalb eine Grundsatzentscheidung treffen.

Hohe Säulen, Springbrunnen, ein See davor: Das Opernhaus in Stuttgart sieht aus, als könnte jeden Moment der deutsche Kaiser daraus hervortreten. Immerhin ist es mehr als 100 Jahre alt. Noch älter ist die Tradition, dass sich am Dreikönigstag in Stuttgart die Liberalen treffen. Anfangs nur die aus dem Südwesten, seit Langem aber die FDP aus ganz Deutschland.

Entsprechend viel ist bei den Treffen schon passiert. Doch 2022 war ein besonderes Jahr. Denn das Opernhaus war Kulisse einer ganz besonderen Verwandlung.

Christian Lindner, damals frisch als Finanzminister vereidigt, klang so versöhnlich wie selten. Über die Corona-Pandemie sagte er, es gelte "konsequenten Gesundheitsschutz einerseits" zu gewährleisten und andererseits "möglichst viel gesellschaftliche Freiheit" zu erhalten. Sein neuer Generalsekretär, Bijan Djir-Sarai, sagte Sätze wie: "Ich mag eine Politik, die empathisch, die mitfühlend ist."

Es war der neue Sound der Liberalen. Die Tonlage derer, die nach langer Zeit wieder an die Regierung gekommen waren und nun staatstragend und gefällig klangen. Schluss mit den oft schrillen Angriffen, die noch im Wahlkampf prägend gewesen waren. Das fiel der FDP damals auch deshalb so leicht, weil sie allgemein als Sieger der Koalitionsverhandlungen galt. Der kleinste Partner, so der Sound im Winter 2022, hatte SPD und Grünen ganz schön seinen Willen aufgedrückt.

Wie viel Attacke will sich die FDP leisten?

Nun, 365 Tage später, ist die Lage für die Partei miserabel. In den vier Landtagswahlen des vergangenen Jahres büßte die FDP zum Teil deutlich an Zustimmung ein, zwei Mal schaffte sie es gar nicht erst ins Parlament. Die Umfragewerte auf Bundesebene liegen deutlich unter dem zweistelligen Ergebnis bei der Bundestagswahl. Entsprechend groß ist mittlerweile der Frust.

Deshalb blicken beim heutigen Dreikönigstreffen alle gespannt auf Lindner: Wohin führt er die Partei? Vieles spricht dafür, dass die Zeit der Konzilianz nur eine Episode war und nun vorbei sein könnte.

Denn auch in diesem Jahr stehen vier Landtagswahlen an: Bayern, Hessen, Bremen und in wenigen Wochen in Berlin. Es geht für die Liberalen darum, wie viel Attacke sie sich in der Regierung leisten können, um ihre Positionen sichtbarer zu machen. Davon dürfte auch der künftige Erfolg abhängen.

Ein Artist auf dem Seil

Die Lage ist schwierig: Einerseits wollen die Liberalen ihre Prinzipien nicht verraten, andererseits können sie nicht ständig die Regierung an den Rand des Abgrunds führen, nur um ihren Standpunkt durchzusetzen. Es ist ein immerwährender Balanceakt, und Christian Lindner ist der Artist auf dem Seil. Aber er ist eben auch Finanzminister.

Viele Anhänger bewerten seine bisherige Bilanz als Regierungsartist als mäßig erfolgreich. Und sehen darin einen Grund für die unbefriedigende Lage. Fast alle Liberalen, vom einfachen Mitglied bis zum Parteichef, beschreiben die Enttäuschung mit demselben Wort. Es ist ein Wort, das eigentlich für Kinder benutzt wird, die nur auf die eigenen Eltern freudig und zutraulich reagieren. Das Wort heißt: fremdeln.

Die Wähler fremdelten mit der neuen Rolle der Partei, heißt es gern, und vor allem mit den Koalitionspartnern. Lindner und sein Generalsekretär sagen oft, es sei eben schwierig, "mit zwei linken Parteien" zu regieren. Nur regieren, das wollen die Liberalen eben trotzdem. Die Frage ist bloß, wie es weitergeht. Ohne dass man untergeht.

"Alle Ausgaben auf den Prüfstand"

Bislang lautet die Devise: Kalkulierte Auseinandersetzung in der Koalition. Da war beispielsweise der monatelange Streit zwischen FDP-Justizminister Marco Buschmann und SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach über die Corona-Maßnahmen. Oft wurde dabei ein Kompromiss erzielt. Doch nun verschärft sich die Tonlage wieder. Im Dezember forderte die FDP, alle Corona-Regeln aufzugeben.

Kurz vor dem heutigen Dreikönigstreffen kam aus Lindners Finanzministerium ein besonderer Vorstoß. In einem Papier wird eine "Zeitenwende" in der Finanz- und Wirtschaftspolitik gefordert. Es gehe darum, insgesamt zu sparen, nachdem es ein "Jahrzehnt der Verteilungspolitik" gegeben habe. Lindner ließ seine Kabinettskollegen bereits wissen, dass sie "alle Ausgaben auf den Prüfstand" stellen sollten. Es klingt nach FDP pur.

Einen Tag vor dem Treffen bekam man bereits eine Ahnung davon, wie die künftige Tonlage aussehen könnte. Michael Theurer, FDP-Staatssekretär im Verkehrsministerium, sagte: "In einem vernünftigen Energiemix ist es sinnvoll und notwendig, dass die Kernkraftwerke, die wir haben, weiterlaufen." Man müsse "so schnell wie möglich" Brennelemente beschaffen.

Das widerspricht der bisherigen Linie der Koalition und dürfte vor allem die Grünen aufregen. Mal wieder. Es ist davon auszugehen, dass Theurers Vorstoß mit Lindner abgesprochen war. Das wiederum könnte darauf hindeuten, dass der Artist Lindner die härtere Auseinandersetzung sucht. Die Kunst besteht für ihn nun darin, nicht vom Seil zu fallen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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