Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Straßenbeleuchtung abschalten Boris Palmer hat eine verrückte Idee? Machen!
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer lässt Strom sparen, indem spät in der Nacht die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet wird. Klingt verrückt? Ein Pro und Kontra.
In Tübingen wird es dunkel in diesem Winter. In der Stadt wird die Straßenbeleuchtung von Sonntag- bis Mittwochnacht zwischen 1 und 5 Uhr abgeschaltet, um Strom zu sparen. Oberbürgermeister Boris Palmer ist überzeugt, dass die Maßnahme sinnvoll ist. Doch sie ist auch umstritten und verstößt zudem gegen die Beleuchtungsvorschriften in Baden-Württemberg.
t-online diskutiert: Ist der Vorstoß von Palmer richtig?
Nein, damit spielt er Putin in die Karten
Der Quartalsquerulant der Grünen hat mal wieder zugeschlagen: Licht aus gegen Putin? War ja klar, dieser unüberlegte Unsinn kann nur von Boris Palmer stammen.
Dabei müsste doch gerade ihm als Oberbürgermeister von Tübingen klar sein, wie wichtig die Straßenbeleuchtung für eine Stadt ist. Was in der Antike die Stadtmauer war, ist heute die Laterne. Wo sie brennt, ist Zivilisation, passen Menschen aufeinander auf. Wo sie erlischt, herrscht Unsicherheit, wenigstens aber Unachtsamkeit, breitet sich das Verbrechen aus.
Wenn Palmer die Beleuchtung abschaltet, spart er am falschen Ende. Er sorgt dafür, dass nicht nur junge Frauen mit einem mulmigen Gefühl abends auf die Straße gehen. Auch alle anderen dürften sich im Dusteren fürchten. Klar, im Zeitraum von 1 bis 5 Uhr morgens dürften die allermeisten dieser Menschen ohnehin schlafen. Der eine Bäckermeister, der um diese Zeit zur Arbeit läuft, ist vielleicht tatsächlich zu vernachlässigen.
Doch darum allein geht es auch nicht. Licht bei Nacht ist angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine auch eine Frage des Prinzips. Seit Monaten nämlich zeichnen Putin und seine Propaganda-Maschinerie jenes Bild, das Palmer mit dem Abschalten der Laternen wahr werden lässt: bibbernde Menschen im Westen – und dunkle Städte, die wegen der Energieknappheit nicht mehr beleuchtet werden können.
Der Vorstoß aus Tübingen leistet damit nicht nur dem Verbrechen Vorschub, sondern auch dem Kreml. So weit aber scheint Palmer nicht gedacht zu haben. Typisch für ihn.
Ja, denn das klingt nur verrückt
Boris Palmer liegt ja oft daneben, aber diesmal hat er einen validen Punkt. Wenn in Tübingen die Straßenbeleuchtung unter der Woche abgeschaltet wird, sparen die Stadtwerke ein Viertel des Verbrauchs der Straßenbeleuchtung. Mindestens fünf Prozent des gesamten Stromverbrauchs der Stadt.
Das Licht fehlt nun in den Stunden, in denen am wenigsten Menschen unterwegs sind. Klar, für diejenigen, die in dieser Zeit draußen sein müssen, entsteht Unsicherheit. Am Ende ist es eine Abwägungssache. Was ist uns wichtiger? Stromsparen oder Sicherheitsgefühl?
Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, weil beides wichtig ist. Es gibt in dieser Abwägung nicht nur Schwarz oder Weiß, sondern viele Grauschattierungen. In Unterführungen und Tunneln beispielsweise brennt in Tübingen das Licht nach wie vor 24 Stunden am Tag. Palmer möchte zudem gedimmte Straßenbeleuchtungen einführen, die heller werden, wenn sich jemand nähert. "Licht nach Bedarf" nennt er das. Doch bis die Steuerung der Straßenbeleuchtung umgestellt ist, werden noch Jahre vergehen.
Bis dahin gilt: Wir brauchen noch mehr kreative Ideen, wie wir sparen können. Viel zu oft ruhen wir uns auf einem "Weiter so" aus (das die Politik generell lähmt). Palmer ist jemand, der gerne neue Dinge ausprobiert. Das können wir alle von dem verrückten Oberbürgermeister aus dem Süden lernen: Neues denken und austesten. Und auch wieder verwerfen, wenn sich etwas als nicht praktikabel herausstellt. Aber nicht immer erst ablehnen, was zunächst ungewohnt und ungewöhnlich klingt.
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- Audio-Reportage des SWR: Dunkle Nächte in Tübingen