Nach Brand in Flüchtlingsheim "Werte-Union" fordert Einreisestopp von Merz – Attacke von Esken
Die rechtskonservative "Werte-Union" fordert vom CDU-Chef eine Initiative zur Flüchtlingsbegrenzung. SPD-Chefin Esken geht Merz wegen früherer Äußerungen an.
Die rechtskonservative "Werte-Union" verlangt vom CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz in einem offenen Brief, der t-online vorliegt, im Bundestag einen "sofortigen Einreisestopp für alle unberechtigten Personen" zu fordern. Als Begründung wurde die Überlastung der Kommunen angegeben.
Auch die Bundeswehr und das Technische Hilfswerk sollen zur Kontrolle eventuell eingesetzt werden. Die Unterzeichner sprechen von "Hunderten, wenn nicht Tausenden Menschen", die täglich ins Land kämen. "Wären Sie bei Ihrer Kritik am 'Sozialtourismus' nicht zurückgerudert, sondern hätten Fakten dargelegt, wäre auch in Niedersachsen mehr drin gewesen", kritisieren die Rechtskonservativen den CDU-Chef.
Dieser hatte sich im September über Geflüchtete aus der Ukraine geäußert. "Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine." Nach scharfer Kritik an den Äußerungen hatte Merz sich dann entschuldigt und sie als "unzutreffende Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems" bezeichnet.
Mehr als 18.700 Asylanträge im September
Nach aktuellen Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge wurden im September 18.720 Asyl-Erstanträge entgegengenommen. Gegenüber dem Vormonat (August: 16.111 Personen) stieg dieser Wert um 16,2 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr (September 2021: 13.849 Personen) ist ein Anstieg um 35,2 Prozent zu verzeichnen. Die meisten Asylsuchenden kommen aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. Zwischen Ende Februar und dem 17. Oktober 2022 wurden dem Bundesinnenministerium zufolge 1.008.935 Geflüchtete aus der Ukraine im Ausländerzentralregister (AZR) registriert.
Die "Werte-Union" ist ein eingetragener Verein, aber keine offizielle Gruppierung von CDU oder CSU. Die Vereinigung versteht sich selbst als konservativer Markenkern der Partei, liegt aber politisch weit rechts von den offiziellen Positionen. Sie ist in der Union selbst umstritten, auch wegen der Nähe zur AfD.
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Entsetzen nach Brand in Flüchtlingsunterkunft
Die Rufe nach einem Einreisestopp kommen zu einem heiklen Zeitpunkt: Bei einem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft in Mecklenburg-Vorpommern war am Mittwochabend das ehemalige Hotel, das als Unterkunft diente, weitgehend zerstört worden. In dem Gebäude waren zum Zeitpunkt des Feuers 14 Geflüchtete aus der Ukraine und drei Betreuer. Verletzt wurde niemand. Die Polizei geht von Brandstiftung aus und vermutet einen politischen Hintergrund.
Der Staatsschutz ermittelt unter anderem deshalb, weil es zwei Tage vor dem Feuer eine Hakenkreuz-Schmiererei am Schild vor der Flüchtlingsunterkunft gegeben hatte. Es werde in alle Richtungen ermittelt, hieß es. Dazu gehöre auch eine ungeklärte Brandserie in der Gegend.
Saskia Esken: "Populistisches Niveau"
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat nach dem Brand konservativen Politikern vorgeworfen, Hass gegen Geflüchtete zu bedienen und damit den Boden für solche Taten zu bereiten. Konkret mit Blick auf CDU-Chef Friedrich Merz sagte sie der "Rheinischen Post": "Wer Kriegsflüchtlinge fern aller Fakten als Sozialtouristen verleumdet, muss sich fragen lassen, welchen Anteil er hat an Hass und Hetze, die später in Gewalt mündet."
Esken sagte zu der vermuteten Brandstiftung, es sei erschreckend, dass nicht nur "die rechtsextremen Verfassungsfeinde der AfD" Hass gegen Geflüchtete bedienten. "Zunehmend sinken auch konservative Politiker auf ein populistisches Niveau herab. Die Einlassungen der letzten Zeit zur Aufnahme von Schutzsuchenden in Deutschland sind verantwortungslos – und sie bereiten den Boden nicht nur für gesellschaftliche Spaltung, sondern letztlich auch für solch kriminelle Taten."
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund beobachtet aber auch weiterhin "eine große Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen, insbesondere gegenüber den Vertriebenen aus der Ukraine", wie Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Rheinischen Post" sagte. "Festzustellen ist allerdings, dass immer weniger Menschen bereit sind, Vertriebene privat aufzunehmen. Eine Stimmungsverschlechterung insgesamt können wir aber nicht feststellen."
- Nachrichtenagentur dpa
- bamf.de: Aktuelle Zahlen (09/2022)
- Offener Brief der "Werte-Union" an Friedrich Merz vom 20. Oktober 2022