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Noch immer gefährlich: Islamist steht vor Entlassung


Nie aufgeklärter Anschlagsplan
Noch immer gefährlicher IS-Terrorist steht vor Entlassung

  • Jonas Mueller-Töwe
Von Jonas Mueller-Töwe

24.08.2022Lesedauer: 4 Min.
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Der Verurteilte kurz nach seiner Verhaftung im Dezember 2017: Behörden halten ihn weiter für gefährlich, sein Anwalt widerspricht.Vergrößern des Bildes
Der Verurteilte kurz nach seiner Verhaftung im Dezember 2017: Behörden halten ihn weiter für gefährlich, sein Anwalt widerspricht. (Quelle: Christoph Schmidt/dpa)

Ein Anschlagsplan auf eine Eislaufbahn in Karlsruhe konnte einem Deutsch-Iraker nie nachgewiesen werden. Behörden halten ihn noch immer für gefährlich.

Ein laut Behörden vermutlich noch immer gefährlicher IS-Terrorist steht laut Informationen von t-online kurz vor seiner Entlassung aus deutscher Haft. Im Februar wird er nach verbüßter Strafe auf freiem Fuß sein, nachdem zwei Anträge auf Bewährung gescheitert sind. Die Gefahr terroristischer Straftaten bestehe weiterhin, heißt es in einem Beschluss des Bundesgerichtshofs, der t-online vorliegt. Eine vorzeitige Aussetzung der Haft könne deswegen "unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit" nicht verantwortet werden. Eine Aussage über die Zeit nach der Haft trifft der Beschluss nicht.

Anwalt: IS-Sympathien nur vorgetäuscht

Sein Anwalt widerspricht der aktuellen Einschätzung aber entschieden. "Von ihm geht keinerlei Gefahr aus. Er ist ein hochanständiger, mitfühlender Mensch, der Gewalt verabscheut", sagte er t-online. "Er hat nie ernsthaft die Ideologie des Islamischen Staats oder anderer terroristischer Gruppen geteilt." Das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart sei in Teilen fehlerhaft. Bereits im Prozess hatte er die Auffassung vertreten, sein Mandant habe Sympathien für den IS nur vorgetäuscht.

Die Feststellung der Behörden wiegt allerdings schwer: Der als IS-Terrorist Verurteilte wurde einst mit einem angeblich geplanten Anschlag auf einen Wintermarkt in Karlsruhe in Verbindung gebracht. Nachgewiesen wurde ihm das nie, er selbst bestritt solche Absichten vehement. Das Gericht entschied trotzdem auf fünfeinhalb Jahre Haft wegen Mitgliedschaft und Unterstützung des Islamischen Staats. Vorausgegangen war ein spektakulärer Polizeieinsatz im Karlsruher Stadtteil Rüppurr kurz vor Weihnachten 2017.

Ermittler fürchteten Fahrzeuganschlag

Damals jährte sich fast auf den Tag genau der Anschlag am Berliner Breitscheidplatz. Die Bilder des Schreckens waren noch gegenwärtig und der Generalbundesanwalt hatte einen Verdacht: Der Terror könnte sich in ähnlicher Form wiederholen. Ein V-Mann des Landeskriminalamts Baden-Württemberg hatte im Auftrag der Ermittler den damals 29-Jährigen ausgeforscht. Der bewegte sich seit mehreren Jahren in der Islamistenszene und war im Irak für die Terrormiliz unterwegs gewesen.

Der Deutsche mit irakischen Wurzeln plane einen Anschlag auf die beliebte Freilufteisbahn "Eiszeit" und nahe Besucherstände vor dem Schloss, teilte der V-Mann seinem Kontakt beim LKA mit. "Ich fürchte, dass ich ihn als Selbstmordattentäter im Fernsehen wiedersehe", wird der Prozess seine Aussage später wiedergeben. Der Mann habe bereits das Gelände ausgespäht und sich um Fahrerjobs bei Paketdiensten beworben. Spezialkräfte der Polizei rückten an und der Verdächtige wanderte in Untersuchungshaft.

Urteil: IS-Mitglied und Unterstützer

Vor Gericht jedoch war es vor allem die mangelnde Glaubwürdigkeit des V-Manns, die die Anklage in diesem Punkt brüchig werden ließ. Der habe sich als "notorischer Lügner" erwiesen, sagt der Verteidiger des damals Angeklagten heute. Auf Grundlage weiterer Beweismittel kam das Gericht dennoch zu weitreichenden Feststellungen.

Dem Urteil zufolge war der angeklagte Deutsch-Iraker Mitglied der Terrormiliz, verbreitete Propagandavideos, war Ansprechpartner für mögliche Rekruten, spionierte für einen Anschlag den Gouverneurssitz im irakischen Erbil aus und fungierte als Mittelsmann zwischen einem hochrangigen IS-Mitglied und einem Imam. Sogar, dass er einen Auftrag für einen Anschlag in Deutschland bekam und sich nach seiner Rückkehr damit befasste, wies der Prozess nach.

Anwalt: Keine Anschlagsvorbereitungen

Doch konkrete Planungen, wie der V-Mann sie schilderte, blieben im Dunkeln. Sein Rechtsanwalt geht sogar noch weiter: Auch an den Anschlagsplänen in Erbil sei sein Mandant nicht beteiligt gewesen. Die Beweislage sei dürftig gewesen. Auf weitere Anträge und Revision habe man nur verzichtet, "nachdem der Vorsitzende Richter suggeriert hatte", sein Mandant könne nach langer Untersuchungshaft mit baldiger Entlassung rechnen.

Daraus wurde nichts: Während der Haftzeit wurden zwei Anträge abgelehnt, die Reststrafe zur Bewährung auszusetzen – zuletzt sogar vor dem Bundesgerichtshof. Zwar seien "im Haftverlauf keine Anzeichen religiöser oder islamistischer Radikalisierung bzw. von Aggressionen oder Gewaltbereitschaft zutage getreten", heißt es in dem Beschluss. Der Mann sei nun auch bereit, regelmäßig einer Arbeit nachzugehen und besuche regelmäßig Termine der Ausstiegsberatung. Für glaubhaft halten die Behörden seine Distanzierung vom Islamischen Staat aber vorerst nicht.

Gericht: Verurteilter verschweigt Wesentliches

"Es ist schwierig, sich glaubhaft von einer Ideologie zu distanzieren, die man nie geteilt hat", erklärt sein Anwalt. "Mein Mandant bereut ernsthaft, dass er die Nähe zum IS gesucht und diesen aus nicht islamistischen Motiven unterstützt hat." Er könne aber keine Reue zeigen für eine Tat, die er nicht begangen habe – die Anschlagsvorbereitungen in Erbil.

Generalbundesanwalt und die Leitung der Justizvollzugsanstalt sprachen sich gegen eine vorzeitige Haftentlassung aus. Ein beauftragter Sachverständiger habe "keine günstige Sozialprognose zu treffen vermocht". Das Oberlandesgericht und der Bundesgerichtshof bemängelten, der verurteilte Terrorist habe sich "nach wie vor nicht zu seinen inneren Erlebnisvorgängen verhalten, die ihn dazu bewogen hatten, sich aus einer engen, den IS ablehnenden Familienstruktur heraus zeitweilig mit dem radikalen Islam zu identifizieren".

Dass er seine Taten nach Jahren nicht mehr hartnäckig leugne, aber keine Emotionen deswegen erkennbar seien, lasse darauf schließen, er verschweige Wesentliches. Er habe noch immer nicht offenbart, "was ihn dazu bewogen hatte, sich zeitweilig für den IS zu betätigen". Es bleibe deswegen offen, ob und wie er sich distanziert habe. Die Gefahr terroristischer Straftaten bestehe weiterhin.

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