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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Altkanzler klagt gegen den Bundestag "Da kann Schröder noch so oft in Berufung gehen"
Altkanzler Schröder verklagt den Bundestag und sorgt mit diesem juristischen Manöver für mächtig Aufruhr. Jetzt beschäftigt sich das Verwaltungsgericht mit dem Fall.
Rund ein Jahr nachdem Altkanzler Gerhard Schröder sein Anrecht auf Büro und Mitarbeiter verloren hat, beschäftigt der Fall die Justiz. Das Berliner Verwaltungsgericht überprüft am Donnerstag, ob der Bundestag dem SPD-Politiker die Privilegien entziehen durfte. Der frühere Bundeskanzler klagt gegen einen Beschluss des Haushaltsausschusses, ihm einen Teil seiner Sonderrechte zu entziehen und sein Büro abzuwickeln. Der 79-Jährige verlangt, dass ihm wieder ein Altkanzler-Büro mit Mitarbeitern zur Verfügung gestellt wird.
Damals kündigte Schröder gleich Berufung an. Aus seiner Sicht war die Entscheidung vom Mai 2022 rechtswidrig. Aber hat Schröder in dem Verfahren überhaupt eine Chance?
Schröder reicht Klage gegen Bundestag ein
"Seine Klage hat keine Aussicht auf Erfolg", sagt Joachim Wieland, Professor für Öffentliches Recht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, zu t-online. Schröder habe keine rechtliche Grundlage dafür. Er sei zwar Begünstigter der Sonderrechte, aber er habe darauf keinen Rechtsanspruch.
"Das wissen die Anwälte auch, sie schreiben drumherum", sagt Wieland. Dass Schröder seinen Verteidigern zufolge keine Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen hätte und ihm kein rechtliches Gehör gewährt worden sei, sei ebenfalls kein Verstoß, so der Rechtsexperte. "Schröder muss in der Sache nicht angehört werden", erklärt er.
Prof. Dr. Joachim Wieland ist Professor für Öffentliches Recht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Er forscht zu Rechtsfragen des Verfassungs- und Verfassungsprozessrechts, des Rechts der Europäischen Union und des öffentlichen Wirtschaftsrechts. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt im deutschen und europäischen Steuerrecht.
So wie der Haushaltsausschuss damals beschlossen habe, Altkanzlern Sonderrechte wie ein Büro mit Mitarbeitenden zu finanzieren, so könne er diese Privilegien kurzerhand auch wieder streichen. "Da kann Schröder noch so oft in Berufung gehen", sagt Wieland. Für Personalausgaben in Schröders Büro waren 2021 mehr als 400.000 Euro aus der Staatskasse geflossen. Lesen Sie hier, wie viel Budget den Altkanzlern zur Verfügung steht.
Auf welche Zahlungen Schröder weiterhin Anspruch hat
Es sei nirgendwo rechtlich festgelegt, dass Altkanzler ein Recht auf Ausstattung hätten, so der Experte. Diese Maßnahme beruhe bislang auf Freiwilligkeit des Haushaltsausschusses. Anders sehe es bei Ruhestandsbezügen aus: "Auf diese Zahlungen hat Schröder weiterhin Anspruch", sagt Wieland.
Schröders Anwälte werfen dem Haushaltsausschuss Willkür vor. Das Gremium hatte seine Entscheidung damals damit begründet, dass Schröder keine Verpflichtungen mehr in seiner Rolle als Altkanzler wahrnehme. Deshalb brauche er weder Büro noch Mitarbeitende.
"Es wird nicht festgelegt, was 'nachwirkende Dienstpflichten' sind"
Die Anwälte schreiben dazu: "Es wird nicht festgelegt, was 'nachwirkende Dienstpflichten' sind, wie ihre Wahr- beziehungsweise Nichtwahrnehmung zu ermitteln ist und welches Prozedere es dabei einzuhalten gilt." Ein stichhaltiges Argument?
Rechtsexperte Wieland erklärt, diese Pflichten müssten rechtlich auch nicht definiert werden. Wenn der Haushaltsausschuss keinen Grund mehr sehe, Schröder die Privilegien zuzusprechen, könne er ihm diese streichen. "Schröder handelt nach deren Ansicht nicht mehr im deutschen Interesse", so Wieland.
Der SPD-Politiker war besonders seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine massiv unter Druck geraten. Bislang weigert er sich, sich deutlich von Kremlchef Wladimir Putin und seiner Invasion zu distanzieren. Zudem steht er wegen seiner Posten bei russischen Staatskonzernen in der Kritik.
Wie geht es nun weiter?
In dem Antrag des Haushaltsausschusses waren Schröders Verbindungen zu russischen Unternehmen oder Putin nicht genannt worden. Hintergrund war die Befürchtung, dass dieses Argument rechtlich angreifbar wäre.
Die Anwälte des Altkanzlers sind sich allerdings sicher, dass genau das die tatsächlichen Gründe seien. Sie schreiben: "Dem ganzen Vorgang steht auf die Stirn geschrieben, dass andere Gründe, als die anhand der 'neuen Regeln' vorgegebenen, für die Entscheidung des Haushaltsausschusses maßgeblich waren."
Eine Entscheidung der zuständigen 2. Kammer ist noch am Donnerstag möglich, wie ein Gerichtssprecher sagte. Der Altkanzler übrigens wird nach Angaben seiner Anwälte nicht selbst an der mündlichen Verhandlung teilnehmen. Der Vorgang ist bislang einmalig in der bundesdeutschen Geschichte – und damit von grundsätzlicher Bedeutung.
- Telefoninterview mit Prof. Dr. Joachim Wieland am 12. August 2022
- bundestag.de: "Schröders Büro wird 'ruhend gestellt'"
- Bundesministerium der Justiz: Bundeshaushaltsordnung (BHO)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa