Schleppender Ausbau Ampel will Windrad-Abstandsregeln notfalls kippen
Um die Windenergie voranzutreiben, sollen bestehende Vorschriften angepasst und Bundesländer zum Ausbau verpflichtet werden. Die Pläne greifen auch in den Naturschutz ein.
Für einen schnelleren Bau von Windrädern will der Bund die Länder stärker in die Pflicht nehmen und strenge Abstandsregeln zu Wohnhäusern kippen, falls Flächenziele nicht erreicht werden. Das sehen Pläne des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums sowie des Bauministeriums vor. Mit dem Gesetzespaket sollen nach übereinstimmenden Medienberichten zwei Prozent der Fläche Deutschlands für Windräder reserviert werden.
Zwar können die Regeln für den Abstand von Windrädern zu Wohngebäuden dem Vorhaben zufolge zunächst in Kraft bleiben. Verfehlt ein Bundesland aber seine Flächenvorgaben, werden diese Regelungen hinfällig. Das Bundesgesetz ist so formuliert, dass eine Zustimmung der Länder im Bundesrat nicht nötig ist, und es könnte schon 2023 in Kraft treten.
Zwei Prozent des Landes für Windenergie
Regierungskreisen zufolge soll das Vorhaben noch am Mittwoch auf den Weg gebracht, nächste Woche vom Kabinett gebilligt und dann in den Bundestag eingebracht werden. Die Bundesregierung begründet ihr Vorgehen, das den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen soll, mit dem Klimaschutz, aber wegen des Kriegs in der Ukraine auch mit sicherheitspolitischen Erwägungen.
"Es ist Teil eines umfassenden Regelungspakets mit dem Ziel einer nachhaltigen und treibhausgasneutralen Energieversorgung, das den Ausbau der erneuerbaren Energien drastisch beschleunigen und alle Hürden und Hemmnisse für den beschleunigten Ausbau aus dem Weg räumen soll", heißt es zur Begründung im "Wind an Land"-Gesetz.
Wesentliches Hemmnis für den Ausbau sei der Mangel an verfügbarer Fläche. Daher müssten zwei Prozent des Landes für Windräder ausgewiesen werden. "Dies erfordert mehr als eine Verdoppelung der ausgewiesenen Fläche in den kommenden Jahren."
Unterschiedliche Flächenziele für Bundesländer
Derzeit sind lediglich rund 0,8 Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen. Lediglich 0,5 Prozent würden tatsächlich genutzt. Um die Flächenziele durchzusetzen, sind im Windflächenbedarfsgesetz (WindBG) klare Vorgaben für jedes Land formuliert.
Bayern beispielsweise muss bis Ende 2026 1,1 Prozent ausweisen und bis 2032 dann 1,8 Prozent. Gleiches gilt für Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfallen. Länder mit mehr Wind wie etwa Mecklenburg-Vorpommern haben Vorgaben von 1,4 und 2,1 Prozent. Für die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen gilt eine Mindestfläche von 0,5 Prozent des Landesgebiets.
Die Bundesländer erhalten die Option, in einem gewissen Rahmen über Verträge untereinander ihre Vorgaben zu verschieben. Wenn ein Land mehr als die zugewiesene Quote für Windräder ausweist, kann es diese zusätzlichen Flächen an ein anderes "verkaufen", das weniger leistet.
"Die Bundesländer dürfen im Grundsatz weiter über Mindestabstände entscheiden, müssen aber sicherstellen, dass sie die Flächenziele erreichen und so ihren Beitrag zum Ausbau der Windenergie leisten", heißt es zur Erklärung. "Tun sie das nicht, werden die landesspezifischen Abstandsregeln nicht angewandt."
Habeck: "Meilensteine" für den Ausbau erneuerbarer Energien
Der Klimaschutzminister Robert Habeck hat die geplanten Änderungen als "Meilensteine" für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien bezeichnet. Der Grünen-Politiker sagte am Mittwoch in Swaimah in Jordanien, der Ausbau müsse beschleunigt werden. "Wir haben das schlecht genug gemacht in der Vergangenheit." Habeck sagte, es sei eine regional faire Verteilung geplant. Zugleich sei eine "Verhinderungsplanung" aber nicht akzeptabel.
Zunächst hatte Habeck mit Reisen in verschiedene Bundesländer versucht, diese zu einem freiwilligen Ausweiten der Windenergieflächen zu bewegen. Etwa in Bayern war er aber auf entschiedenen Widerstand gestoßen. In Thüringen versucht die CDU – notfalls auch mit Stimmen der AfD – strengere Abstandsregeln gegen die Rot-Rot-Grüne Minderheitsregierung durchzusetzen.
Nabu warnt vor Verletzung des Artenschutzes
Zur Erreichung der Flächenziele sollen auch das Bundesnaturschutzgesetz und das Immissionsschutzgesetz des Bundes geändert werden. Wie aus Kreisen des Umweltministeriums verlautete, soll durch eine Ergänzung sichergestellt werden, dass auch Landschaftsschutzgebiete "in angemessenem Umfang in die Suche nach Flächen für den Windenergieausbau einbezogen werden können".
Um die Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, werden zudem bundeseinheitliche Standards für die nötigen artenschutzrechtlichen Prüfungen festgelegt. Demnach sollen Windräder zeitweise abgeschaltet oder bedrohte Vögel in andere Regionen gelockt werden.
Der Umweltverband Nabu hat die Bundesregierung davor gewarnt, die Naturschutzstandards zu senken. Der Entwurf könne Ausnahmen vom Artenschutz erleichtern, kritisierte der Nabu am Mittwoch. Dabei werde geltendes EU-Recht nicht berücksichtigt. "Diese Regelung wird zu Rechtsunsicherheit führen und den notwendigen Ausbau der Windenergie ausbremsen", schreibt der Nabu in einer Mitteilung.
- Nachrichtenagenturen Reuters, dpa und AFP