Krieg in der Ukraine Steinmeier: Besuch in Kiew offenbar "nicht gewünscht"
Mehrere Spitzenpolitiker statteten der ukrainischen Hauptstadt in den vergangenen Tagen Solidaritätsbesuche ab. Bundespräsident Steinmeier ist derzeit allerdings nicht willkommen.
Eine geplante Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Kiew ist geplatzt, weil er dort derzeit nicht willkommen ist. "Ich war dazu bereit. Aber offenbar – und ich muss zur Kenntnis nehmen – war das in Kiew nicht gewünscht", sagte Steinmeier bei einem Besuch in der polnischen Hauptstadt Warschau.
Steinmeier sagte weiter, der polnische Präsident Andrzej Duda habe in den vergangenen Tagen angeregt, dass sie beide zusammen mit den Staatschefs der baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland in die ukrainische Hauptstadt reisen, "um dort ein starkes Zeichen gemeinsamer europäischer Solidarität mit der Ukraine zu senden und zu setzen".
Embed
Die Absage Kiews an einen Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Ukraine stößt in der SPD auf Widerspruch. "Ich bin über diese Ablehnung sehr enttäuscht", sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Michael Roth, dem "Spiegel". "Ich konnte es anfangs gar nicht glauben. Gerade jetzt ist es doch wichtig, im Gespräch zu bleiben."
Kritik an Kiew kommt auch aus der FDP: Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki schließt eine Fahrt von Bundeskanzler Olaf Scholz nach Kiew vorerst aus. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kanzler einer von der FDP mitgetragenen Regierung in ein Land reist, das das Staatsoberhaupt unseres Landes zur unerwünschten Person erklärt", sagte Kubicki der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Grund laut Bericht Steinmeiers Beziehungen nach Russland
Zuvor hatte die "Bild" unter Bezug auf Informationen aus ukrainischen Regierungskreisen darüber berichtet. Ein ukrainischer Diplomat sagte dem Blatt: "Wir kennen hier alle Steinmeiers enge Beziehungen nach Russland, die auch von der Steinmeier-Formel geprägt waren. Er ist momentan nicht in Kiew willkommen. Ob sich das noch einmal ändert, werden wir sehen." Dem Bericht zufolge war der Besuch am morgigen Mittwoch geplant.
Am Dienstag sind bereits die Bundestagsabgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Michael Roth (SPD) und Anton Hofreiter (Grüne) ins westukrainische Lwiw gereist, um dort Abgeordnete aus dem ukrainischen Parlament zu treffen. Der britische Premier Boris Johnson und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen waren in den vergangenen Tagen bereits in Kiew zu Besuch.
Steinmeier zu Besuch in Polen
Steinmeier war am Dienstag zu einem Besuch in Polen eingetroffen. Der Bundespräsident wurde am Mittag gemeinsam mit seiner Frau Elke Büdenbender vom polnischen Präsidenten Andrzej Duda in Warschau empfangen. Dort dankte er Polen für die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter. "Das ist eine gemeinsame Aufgabe für die gesamte Europäische Union und ihre Partner. Wir lassen, das verspreche ich, Polen und die anderen Nachbarn der Ukraine damit nicht alleine."
Duda, der Steinmeier einen "erprobten Freund Polens" nannte, bat um Hilfe für die Errichtung eines Finanzfonds für diese Aufgabe. Es gehe um Mittel etwa für Sprachkurse, die gesundheitliche Versorgung oder für Schule und Ausbildung für die Geflüchteten. Steinmeier sagte Polen deutsche Unterstützung dafür zu, weitere EU-Mittel zu bekommen. Duda forderte zudem eine weitere militärische Unterstützung sowie weitere "schmerzhafte Sanktionen gegen das Putin-Regime", die das Prestige des Landes träfen.
Deutsche Unterschiede bei militärischer Unterstützung
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz wurden hinsichtlich der militärischen Unterstützung der Ukraine und der Befreiung von der Energieabhängigkeit von Russland deutliche Unterschiede sichtbar. Duda schilderte, dass Polen Waffenkäufe für die polnischen Streitkräfte plane, um diese zu modernisieren sowie, dass Polen schon vor Jahren angefangen habe, seinen Energiebezug zu diversifizieren. Das Land wolle schon im Oktober unabhängig sein von Gasimporten aus Russland.
Steinmeier wies darauf hin, dass die Bundesregierung bereits Entscheidungen wie das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr getroffen habe, die von Deutschland nicht erwartet worden seien. Zudem liefere man jetzt Waffen nicht nur in ein Spannungs-, sondern in ein Kriegsgebiet. Auf die Frage, ob dazu künftig auch schwere Waffen wie Panzer gehörten, antwortete Steinmeier ausweichend.
Den Bezug von Öl und Gas wolle Deutschland so schnell wie möglich reduzieren, sagte Steinmeier. "Wir sagen aber auch mit Blick auf unsere Wirtschaftsstruktur, zu der eine starke Chemieindustrie gehört, geht es nicht ganz so rasch wie manche sich das gegenwärtig wünschen." Derjenige, der die Sanktionen ausspreche, dürfe sich nicht stärker schädigen als den Sanktionierten.
- Bild: "Selenskyj erteilt Steinmeier Ukraine-Verbot!"
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa