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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Falsche Atteste Staatsanwaltschaft klagt "Querdenken"-Arzt Schiffmann an
Nach beinahe zwei Jahren sind die Ermittlungen abgeschlossen: Bodo Schiffmann, prominentester Arzt aus der "Querdenken"-Bewegung, muss vor Gericht. Er lebt aber jetzt in Tansania.
Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hat wegen des Verdachts falscher Atteste und der Volksverhetzung den Sinsheimer HNO-Arzt Bodo Schiffmann angeklagt. Der Schritt datiert bereits von Ende Januar, die Staatsanwaltschaft ist damit jedoch erst jetzt an die Öffentlichkeit gegangen. Es hat so lange gedauert, bis sie davon ausgehen konnte, dass Schiffmann und seine ebenfalls angeklagte Frau tatsächlich Kenntnis davon haben: Sie haben sich aus Deutschland nach Tansania abgesetzt.
In der Anklage wird ihm und seiner Frau vorgeworfen, unrichtige Maskenatteste ausgegeben zu haben. In seinem Fall geht es aber auch um unsägliche Äußerungen: Die Staatsanwaltschaft legt ihm zur Last, dass er in einem Video den Holocaust verharmlost habe, als er impfende Mediziner mit KZ-Lagerarzt Josef Mengele verglich. Mengele überwachte Vergasungen und führte menschenverachtende pseudomedizinische Experimente durch. Entsprechend äußerte sich Schiffmann mehrfach. In der Anklage geht es allerdings nur um zwei Videos.
"Alle zur Rechenschaft ziehen"
So warf er der Regierung einen "zweiten Genozid" vor. Es gebe eine korrupte Justiz, die Demonstrationen und Meinungen verbiete. Es gelte Widerstand zu leisten und "alle, die sich das ausgedacht haben, zur Rechenschaft zu ziehen". Darin sieht die Staatsanwaltschaft einen Aufruf zu unfriedlichen Aktionen gegen die Regierung und die Justiz.
In der Praxis des Ärzteehepaars hatte es wegen der Atteste zur Maskenbefreiung auch zwei Durchsuchungen gegeben. Die Ermittler gehen von einer Vielzahl von Attesten aus, die ohne jede Grundlage auf schriftliche oder telefonische Bitte ohne jegliche Begutachtung zugeschickt wurden. Angeklagt sind bei Bodo Schiffmann zehn (ausgewählte) Fälle, bei seiner Frau 17. Attestinhaberinnen und -inhaber wohnten teilweise bis zu 700 Kilometer entfernt.
Corona-Videos seit Beginn der Pandemie
Schiffmanns Anwalt Ivan Künnemann sagte t-online, vor allen Attesten seien die Patienten begutachtet worden. Das Ehepaar sei in ärztlicher Einschätzung dazu gekommen, dass diese Patienten aus medizinischen Gründen keine Maske tragen sollten. "Von den Vorwürfen wird wenig übrig bleiben", erklärt er.
Schiffmann hatte im März 2020 mit Videos zum Corona-Thema begonnen und hat sich seither merklich radikalisiert. Zwischenzeitlich reiste er bei einer "Great Corona Info Tour" in einem Luxusbus zu Reden auf Marktplätzen in ganz Deutschland.
Zwischenzeitlich verbreitete er etwa unter Tränen Lügengeschichten über Kinder, die durch Maskentragen gestorben seien. Er forderte auch dazu auf, in gespielten Telefonaten an belebten Orten derartige Geschichten zu erzählen.
Von ihm kommen zudem immer wieder Inhalte der QAnon-Bewegung. Aktuell stützt er Putins Darstellungen, die Ukraine werde von Faschisten und Kriegsverbrechern befreit. Er hat einen Telegram-Kanal mit mehr als 160.000 Abonnenten.
"Mein Mandant stellt sich der Justiz"
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Heidelberg sagte auf Anfrage, man rechne dort damit, dass die Beschuldigten auch zu einem Prozess erscheinen würden. Schiffmann-Anwalt Künnemann bekräftigt das auf Nachfrage: "Mein Mandant hat kein Problem damit, sich der deutschen Justiz zu stellen und wird erscheinen."
Über die Anklage wurden die beiden Ärzte über Anwälte in Deutschland in Kenntnis gesetzt, die sie strafrechtlich vertreten. Diese Anwälte sind aber zumindest zum Teil nicht die Juristen, die in Deutschland für das Ehepaar zustellungsberechtigt sind. Das Landgericht hatte die Aufgabe, die zuständigen Anwälte des Paares so zu informieren, dass beide Ärzte von der Anklage Kenntnis bekommen..
Die Frage nach einem Auslieferungsabkommen mit Tansania stellt sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft gar nicht. Ein solches würde erst akut, wenn ein Haftbefehl erlassen sei. Und das Ärztepaar erklärt ja, zum Prozess nach Heidelberg reisen zu wollen.
- Mitteilung der Staatsanwaltschaft Heidelberg
- Gespräch mit dem Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Heidelberg