Corona-Pandemie Sorge vor vierter Welle - Merkel mahnt zu erhöhter Vorsicht
Berlin (dpa) - In der Corona-Krise wachsen die Sorgen vor einer neuen Zuspitzung der Lage vor allem in Pflegeheimen und Regionen mit rasant steigenden Infektionszahlen.
Die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte zu erhöhter Vorsicht und warb erneut dringend für mehr Impfungen - auch als Auffrischung bei älteren Menschen. Sie machte klar, dass bei kritischen Entwicklungen regional mit Auflagen gegengesteuert werden müsse, die nur bei Nicht-Geimpften möglich sind. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dringt weiter auf mehr Tempo bei Impf-Verstärkungen ("Booster") auf breiter Front und will mit Praxisärzten und den Ländern über konkrete Lösungen beraten.
Wieler: Nicht genügend Menschen geimpft
Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, warnte am Mittwoch vor einer weiteren Verschärfung der Situation. "Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, wird diese vierte Welle wieder viel Leid bringen." Sie entwickle sich leider wie befürchtet, da nicht genügend Menschen geimpft seien und Verhaltenshinweise nicht mehr ausreichend umgesetzt würden. Regierungssprecher Steffen Seibert machte für Merkel deutlich: "Die Pandemie ist nicht etwa, wie mancher vielleicht im Sommer gedacht hat, am Abklingen, sondern sie fordert uns jetzt und in den kommenden Wochen wieder mit großer Wucht heraus."
Die Lage
Bundesweit sank die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen laut RKI auf 146,6 - nach 153,7 am Vortag und 118,0 vor einer Woche. Wegen des Feiertags Allerheiligen wurden womöglich weniger Fälle gemeldet. Regional reicht die Spanne von 69,4 im Saarland bis 338,2 in Thüringen. Die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner in sieben Tagen gab das RKI nun mit 3,62 an (Dienstag: 3,29). Der Höchstwert lag um Weihnachten bei 15,5. Insgesamt sind Experten zufolge noch zu viele ohne Impfschutz. Laut RKI gibt es 16,2 Millionen Nicht-Geimpfte über 12 Jahre - davon 3,2 Millionen über 60 und damit besonders gefährdet.
Die Gegenmaßnahmen
Vereinbarte Zugangsregeln zu Innenräumen nur für Geimpfte, Genesene und Getestete (3G) müssten konsequent kontrolliert werden, ließ Merkel erklären. Zu weitergehenden Maßnahmen verwies Seibert darauf, dass 55,6 Millionen Menschen vollständig geimpft seien. "Niemand plant für sie jetzt weitere Beschränkungen." Wenn sich die Lage regional zuspitze, seien weitere Beschränkungen nur bei Nicht-Geimpften möglich. Dies führe logisch zu 2G-Regeln, also Zugang nur für Geimpfte und Genesene. Mehrere weitere Länder schärfen gerade Vorgaben nach. In Bayern beschloss das Landeskabinett am Mittwoch eine vorübergehende Wiedereinführung der Maskenpflicht an Schulen.
Die Pflegeheime
Corona-Ausbrüche in Heimen alarmieren Experten. "Dass es in Einzelfällen möglich ist, dass ungeimpfte Mitarbeiter ohne tagesaktuelle Testung in Kontakt mit Heimbewohnern sind, das kann man ja im Grunde kaum verstehen", sagte Seibert. Der Bund dringt überall auf verpflichtende Testkonzepte für Personal und Besuche. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte vor 2G-Modellen dafür. "Niemand kann ein Interesse daran haben, auf diese Weise einen Keil zwischen Angehörige und Bewohner zu treiben", sagte Vorstand Eugen Brysch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Bundesregierung mahnte Auffrischungsimpfungen für alle Heimbewohner "mit Hochdruck" an.
Die Impf-Verstärkungen
Spahn bekräftigte seinen generellen Appell für mehr Auffrischungsimpfungen, um länger zurückliegenden Schutz zu verstärken. Das Tempo beim "Boostern" reiche nicht. Es sollten alle Länder alle Menschen ab 60 Jahren anschreiben und darauf hinweisen. Darüber hinaus sei dies auch für alle anderen möglich. Mit Blick auf die Praxen sagte der Minister: "Zu viele Impfwillige finden aktuell keinen Arzt, der sie impft." Er wolle jetzt mit Ärztevertretern über Lösungen sprechen. Wichtig seien daneben öffentliche Angebote - es müssten auch nicht unbedingt die großen Impfzentren sein, machte Spahn nach breiter Kritik aus den Ländern an einem Vorstoß dazu klar.
Die Bund-Länder-Abstimmung
Wiederholt hat die geschäftsführende Regierung schon angeboten, dass Merkel für eine Abstimmung mit den Ministerpräsidenten bereit stehe - doch das Echo aus mehreren Ländern ist vorerst reserviert. Nun soll die Gesundheitsministerkonferenz am Donnerstag und Freitag abgewartet werden, wie Seibert sagte. Spahn warb schon jetzt dafür, Entscheidungen so auf eine möglichst breite Basis zu stellen. Dies sei jetzt in der Übergangsphase bis zum Start der neuen Bundesregierung sinnvoll, um eine einheitliche Kommunikation und damit Akzeptanz und auch Verhaltensänderungen zu erreichen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte: "Wir müssen eine gemeinschaftliche Linie in der Corona-Bekämpfung haben."