Migration über Belarus-Route Seehofer: Werden Grenzraum zu Polen engmaschig kontrollieren
Berlin (dpa) - Angesichts der Migration über die Belarus-Route nach Deutschland hält Bundesinnenminister Horst Seehofer auch Grenzkontrollen an der Grenze zu Polen für denkbar, falls die Lage sich nicht entspannt.
"Wir haben in der vergangenen Woche die Verlängerung der Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze für weitere sechs Monate in Brüssel angemeldet", sagte der CSU-Politiker der "Bild am Sonntag". Sollte die Lage an der deutsch-polnischen Grenze angespannt bleiben, könnte für die nächste Bundesregierung so ein Schritt auch dort erforderlich sein, meinte Seehofer.
Seit Wochen kommen verstärkt Menschen aus dem Irak, Syrien und weiteren Ländern aus Polen nach Deutschland, nachdem sie zuvor nach Belarus eingereist und von dort weiter Richtung EU gezogen waren. Die deutsche Bundespolizei registrierte nach eigenen Angaben für den laufenden Monat bis Donnerstag 3751 unerlaubte Einreisen mit einem Bezug zu Belarus.
Polizeieinsatz gegen Aktion von Rechtsextremen
Am Wochenende beschäftigte die Polizei an der brandenburgischen Grenze zu Polen ein weiteres Problem: Sie schritt gegen Rechtsextreme ein, die wiederum gegen Migranten vorgehen wollten. Bei dem Einsatz gegen einen sogenannten Grenzgang spürten Polizisten in der Nacht zum Sonntag rund 50 Verdächtige auf. Diese Personen seien dem Umfeld der rechtsextremen Splitterpartei Der Dritte Weg zuzurechnen und offensichtlich einem Aufruf der Partei gefolgt, wie die Polizei am Sonntag mitteilte.
Bei der Überprüfung stellte die Polizei den Angaben zufolge auch Pfeffersprays, ein Bajonett, eine Machete und Schlagstöcke sicher. Gegen deren Besitzer wurden Strafverfahren eingeleitet, unter anderem auch wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Die Verdächtigen hätten allesamt Platzverweise für die Grenzregion um Guben erhalten. Die aufgegriffenen Menschen stammten zum Teil aus der unmittelbaren Umgebung, etliche seien aber auch aus anderen Bundesländern angereist.
"Wir haben verhindert, dass Privatpersonen das Gewaltmonopol des Staates für sich in Anspruch genommen haben, das werden wir auch zukünftig tun", sagte Polizeisprecher Maik Kettlitz nach dem Einsatz der Deutschen Presse-Agentur.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) lobte den Einsatz am Sonntag in ARD-Sendung "Bericht aus Berlin": Rechtsextremen müsse man "klare Kante" zeigen. "Auch das ist heute Nacht passiert. Und das ist auch notwendig." Kretschmer attackierte den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko als Urheber der irregulären Grenzübertritte von Migranten. "Wenn wir uns von so einem Menschen erpressen lassen, dann haben wir als Europäische Union keine Chance." Kretschmer sprach von "staatlich organisiertem Menschenhandel" und mahnte Sanktionen gegen Fluggesellschaften an, die die Migranten nach Belarus bringen. Die Bundesregierung hat nach früheren Angaben entsprechende Vorschläge für Sanktionen bereits nach Brüssel übermittelt.
Bundespolizei verstärkt Grenzschutz
Innenminister Seehofer ist bereit, "falls notwendig" weitere Bundespolizisten ins Grenzgebiet zu schicken. "An der deutsch-polnischen Grenze haben wir schon jetzt den Grenzschutz mit acht Hundertschaften Bundespolizei verstärkt", sagte er der "Bild am Sonntag". "Wir werden den Grenzraum und die grüne Grenze zu Polen engmaschig kontrollieren." Das Bundesinnenministerium hatte Anfang der Woche insbesondere auf die Schleierfahndung verwiesen, also verdachtsunabhängige Kontrollen im Grenzgebiet.
An den Grenzen zwischen den 26 Ländern des Schengenraums gibt es eigentlich keine stationären Grenzkontrollen. In besonderen Gefahrenlagen sind allerdings Ausnahmen möglich, von denen mehrere Länder Gebrauch machen. Deutschland etwa hat seit geraumer Zeit Kontrollen zur Eindämmung irregulärer Migration an der Landgrenze zu Österreich angemeldet - dort wird aber nicht permanent und überall kontrolliert.
Belarus' Präsident Lukaschenko hatte Ende Mai angekündigt, Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU hindern zu wollen - als Reaktion auf verschärfte westliche Sanktionen.
Lage für Migranten in Belarus immer angespannter
In Belarus wird die Lage für Migranten unterdessen nach Einschätzung von Menschenrechtlern immer angespannter. Mittlerweile hätten diejenigen, die es nicht über die Grenze nach Polen oder ins Baltikum geschafft haben, sich auf mehrere Städte des Landes verteilt, teilte die belarussische Menschenrechtsorganisation Human Constanta der Deutschen Presse-Agentur mit. In dem Land sollen sich etwa 15.000 Menschen aufhalten, die auf ihre Chance zur Weiterreise warten.
Laut Human Constanta werden auf belarussischer Seite viele Menschen im Grenzgebiet festgehalten. "Nach Berichten von Migranten werden Gruppen im Wald an der Grenze bewacht." Sie würden gezwungen, die stark gesicherte Grenze nach Polen zu überqueren. Diejenigen, die das Gebiet zurück ins Landesinnere verlassen könnten, zögen in größere Städte, berichtete eine Sprecherin.
Den Menschenrechtlern zufolge versucht Belarus offenbar, den Zustrom von Migranten vor dem Winter zu begrenzen. Die Zahl der Flüge aus dem Irak sei zurückgegangen, und es würden keine Touristen-Visa mehr ausgestellt. "Augenzeugen berichten jedoch, dass eine große Zahl arabischsprachiger Menschen mit Flügen aus der Türkei einreist. Wir gehen auch davon aus, dass viele über Russland einreisen."