Afghanistan Schily und Fischer werfen USA Versagen in Afghanistan vor
Berlin (dpa) - Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily bescheinigt den USA 20 Jahre nach den Anschlägen vom 11. September ein Versagen ihrer Strategie in Afghanistan.
Nach dem Einmarsch des US-Militärs infolge der Terroranschläge habe es keinen Plan und kein Verständnis der dortigen Mentalität gegeben, sagte der SPD-Politiker, der von 1998 bis 2005 der Regierung von Kanzler Gerhard Schröder angehörte, der "Süddeutschen Zeitung" (Wochenendausgabe). Die Kriegsführung der US-Amerikaner sei teils "von unglaublicher Brutalität" gewesen. "Mit Flächenbombardements kann man ein oder zwei Terroristen treffen. Aber die Kollateralschäden, wie man das heute euphemistisch nennt, schaffen immer neue Feinde."
In Afghanistan haben inzwischen die militant-islamistischen Taliban die Macht zurückerobert, der Militäreinsatz der USA und verbündeter Staaten ist beendet. Dessen Scheitern hänge eng damit zusammen, dass "die afghanische Armee mit den US-Uniformen als die Besatzer angesehen wurden und die Taliban als die originären Afghanen", sagte Schily. Terrorismus könne nicht allein von Polizei und Armee besiegt werden. "Es ist der Kampf um die Köpfe und die Seelen der Menschen", so Schily. "Wenn wir keinen Zugang finden, dann wird das alles nur noch viel schlimmer."
Ziele der Einsätze müssen zu den Ressourcen und dem Aufwand passen
Schilys ehemaliger Kabinettskollege Joschka Fischer sieht die Lage in Afghanistan ebenfalls mit Sorge. "Durch den Abzug quasi über Nacht ist dort ein Vakuum entstanden, das gewaltige Risiken in sich birgt", sagte der frühere Außenminister (1998-2005) und Grünen-Politiker der "Süddeutschen Zeitung". Die USA hätten einen "ganz großen Fehler" gemacht, indem sie sich allein um den Kampf gegen die Taliban und das Terrornetzwerk Al-Kaida gekümmert und danach ihre Anstrengungen auf den Irak verlagert hätten.
Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, warnt trotz des Scheitern des Afghanistan-Einsatzes vor der Schlussfolgerung, jedes militärische Engagement sei von vornherein zum Scheitern verurteilt. Künftig sei aber eine "gewisse Bescheidenheit" angebracht, und die Ziele solcher Einsätze müssten zu den Ressourcen und dem Zeitaufwand passen, den man aufzubringen bereit sei, sagte Ischinger im phoenix-Interview. Im Kosovo und in Bosnien seien seit 25 Jahren westliche Soldaten stationiert, und "wir haben es tatsächlich vermocht, dort im südwestlichen Europa das Aufkeimen neuer militärischer Konflikte zu verhindern".