Strafe für Impfvordrängler? "Das ist wahnsinnig ungerecht"
Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Tausende erschleichen sich mit falschen Angaben Impftermine. Nun wird der Ruf nach Strafen lauter. Doch sind härtere Maßnahmen der richtige Weg? Ein Pro und Kontra.
Bei vielen Impfwilligen steigt die Sehnsucht, auch endlich an die Reihe zu kommen. Bei einigen sogar so stark, dass sie sich mit falschen Angaben einen Impftermin verschaffen. Recherchen des SWR zeigen, wie groß dieses Problem ist: Ein Hamburger Impfzentrum etwa erwischte 2.000 Vordrängler in einer einzigen Woche.
Insgesamt berichtete der "Report Mainz" von mehreren Tausend Fällen, allerdings erfassen nicht alle Stellen die Zahlen. Viele Impfzentren klagen außerdem über eine steigende Aggressivität.
Immer größer wird die Forderung nach Strafen. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte etwa: "Zwar werden Tausende erwischt, aber es fehlt an Sanktionen." Sich vorzudrängeln sei weiterhin keine Ordnungswidrigkeit.
Braucht es nun dringend Strafen für Impfvordrängler?
Ja, es braucht jetzt ein klares Signal
Wer die Maske nicht trägt, zahlt 250 Euro, wer keinen Abstand hält 150 Euro: Für alle möglichen Verstöße gegen die Corona-Maßnahmen gibt es saftige Strafen. Nur für einen nicht: Wer sich einen Impftermin erschleicht, bekommt vielleicht einen strafenden Blick – eine Ordnungswidrigkeit ist es aber nicht. Das ist nicht nur mit Blick auf die Strafen für andere Verstöße wahnsinnig ungerecht. Es ist auch ein schwerer Schlag gegen diejenigen, die in dieser Pandemie lange den Kopf hingehalten haben.
Denn ein Blick auf die Impfreihenfolge offenbart, für wen diese Termine eigentlich sind. Da sind die Über-60-Jährigen und die chronisch Kranken, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-Verlauf haben. Und zahlreiche Berufsgruppen wie Apothekerinnen, Supermarktkassierer, Sozialarbeiterinnen. Sie können nicht zu Hause arbeiten und sind unerlässlich für die Versorgung der Bevölkerung. Sie verdienen mehr als nur Applaus. Es braucht nun ein klares Signal, dass ihnen diese Termine zustehen und Drängler bestraft werden.
Es gibt schon jetzt andere Möglichkeiten, an die ersehnte Spritze zu kommen. In Zentren oder bei Hausärzten werden übrig gebliebene Dosen verteilt, bei Impfaktionen Astrazeneca. Ja, man braucht Glück und Geduld. Aber das brauchen die Kassiererinnen oder Sozialarbeiter derzeit auch, um ihre dringend notwendige Impfung zu bekommen. Das darf nicht sein.
Nein, stattdessen muss die Priorisierung jetzt fallen
Wer sich einen Impftermin unter falschen Angaben erschleicht, ist kein Vorbild. Jeder, der rechtzeitig erwischt wird, muss Impfzentrum oder Praxis verlassen. Für härtere Strafen ist es aber zu spät. Die Bundesregierung sollte das erkennen und die Impfpriorisierung sofort beenden.
Die Vakzine von Astrazeneca und Johnson & Johnson sind bereits freigegeben. Hausärzte können seit Anfang April flexibler Termine anbieten. In mehreren Berliner Unternehmen dürfen ab dieser Woche Betriebsärzte mitimpfen. Diese Einzelmaßnahmen weichen die Impfreihenfolge ohnehin auf und führen dazu, dass die Ungeduld wächst. Immer mehr Menschen fühlen sich benachteiligt.
Und auch die Impfpriorisierung war nie frei von Fehlern: Pannen mit falschen Einladungen an verstorbene oder kerngesunde Menschen fallen immer wieder auf. Auch die Tatsache, dass Menschen aus sozial prekären Umständen ein höheres Infektionsrisiko besitzen, aber häufig weniger Chancen auf einen Termin haben, wird vielen Politikern erst jetzt bewusst.
Die Aufhebung der Priorisierung wird die Kampagne nicht beschleunigen. Aber sie beendet viele Widersprüche. Und selbst bei Impfdränglern darf man nicht vergessen: Jede Impfung hilft uns allen aus dem Weg raus aus der Pandemie.
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- Eigene Recherche
- Nachrichtenagentur dpa