Abgabe in Apotheken Regierung zahlt sechs Euro für deutlich billigere FFP2-Masken
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die Apotheken erwarten einen Ansturm auf kostenlose FFP2-Masken für Risikogruppen. Der Bund entschädigt sie dafür großzügig: Viele werden ein Vielfaches des Einkaufspreises erhalten.
Sabine Harmsen tütete das Geschäft am Freitag ein: 300.000 FFP2-Masken sicherte ihre Harmsen Trading GmbH einer Apotheke mit mehreren Niederlassungen zu. Der Apotheker ist damit vorbereitet, wenn ab Dienstag Kunden vor der Tür stehen und das Versprechen von Gesundheitsminister Jens Spahn einlösen wollen: Drei FFP2-Masken gibt es bis Ende Januar kostenlos für alte Menschen und andere mit signifikant hohem Covid-19-Risiko. Ein gutes Geschäft macht der Apotheker auch: Harmsen Trading, von Troisdorf aus seit Jahren im Geschäft mit Textilien aus China tätig, hat bei dieser Abnahmemenge weniger als einen Euro pro Maske verlangt, der Bund wird der Apotheke sechs Euro erstatten.
"Sechs Euro sind schon fast Wahnsinn", sagt auch Achim Theiler, Geschäftsführer der Franz Mensch GmbH. Er steht an der Spitze eines der größten Hersteller von Produkten zur Schutzausrüstung und Hygiene und kennt den Markt sehr genau. Gerade hat sich sein Unternehmen an einer Ausschreibung mit einem Preis von unter einem Euro pro Stück beteiligt: Österreich sucht 18 Millionen FFP2-Masken. Er sagte t-online am Samstag: "Man bekommt bei Abnahme von größeren Mengen immer noch FFP2-Masken – die günstigste liegt unter 70 Cent."
"Vorgehen erinnert an Hektik im Frühjahr"
Theiler war dadurch bekannt geworden, dass er bereits im Februar in einer Mail an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zunächst vergebens auf drohende Versorgungsengpässe hingewiesen hatte. An diese Zeit fühlt er sich wieder erinnert: "Wir wissen nicht, wie sich die Regierung eine Versorgung in so kurzfristiger Zeitspanne vorstellt", so Theiler zu t-online. "Das Vorgehen erinnert stark an die erste Phase der Corona-Krise und die hektische Beschaffung von medizinischer Schutzbekleidung." Da waren die Preise in die Höhe geschnellt.
Doch auch da lag der höchste Preis, zu dem die Franz Mensch GmbH FFP2-Masken abgegeben hat, bei 4,50 Euro. Käufer: der Bund, der für den Betrag Anbieter gesucht hatte. Nun will Spahns Ministerium sich die einzelne FFP2-Maske sogar 6 Euro kosten lassen. Das geht aus dem Referentenentwurf hervor: 27,3 Millionen Menschen sollen sich bis zum 6. Januar in Apotheken je drei Masken abholen können. Dafür zahlt das Bundesamt für Soziale Sicherung pauschal 491,4 Millionen Euro an den Notdienst-Fonds des Apothekerverbands, der die Mittel an die Apotheken weiterleitet. Die Masken werden anteilig vergütet danach, wie viele rezeptpflichtige Arzneipackungen eine Apotheke im 3. Quartal abgegeben hat. Jede Apotheke bekommt also nur begrenzt Masken erstattet.*
Am 9. Dezember hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine Ankündigung von Ende November wahrgemacht und die Ausgabe verkündet. Damit setzte er die Apotheken sofort unter Zugzwang: Verteilung ab dem 15. Dezember – aber in den Geschäften standen umgehend die ersten Menschen und wollten Masken abholen. Am Montag hat die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA) nun ein Formular herausgegeben. Kunden werden gebeten, es zur Maskenabholung ausgefüllt mitzubringen. (Diese sogenannte "Eigenerklärung Kunde zum Ausdrucken" finden Sie als PDF-Datei hier.)
- Tagesanbruch: Die Machtübernahme
Die ABDA appelliert, Kunden sollten nicht gleich am Dienstag in Massen in die Apotheken strömen, sondern warten. Unter Umständen wird in Apotheken auch zusätzliches Personal benötigt. Im Schnitt werden dort deutschlandweit drei Millionen Kunden am Tag gezählt, nun könnten es deutlich mehr sein.
Verbände: "Apotheken sahnen nicht ab"
Christian Splett, Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, rechnet auch durch die Regelung mit hohem personellen und organisatorischen Aufwand. Apotheken würden sich Personalausweise zeigen lassen oder die Eigenerklärung der Kunden abfragen: "Sie sollen prüfen, ob jemand anspruchsberechtigt ist oder nicht." Deshalb sollten Menschen vorzugsweise in ihre Stammapotheke gehen.
Das Personal wird gute Nerven brauchen, aber die Apotheken werden satt Gewinn machen mit Masken? Das Bundesgesundheitsministerium hat eine Anfrage von t-online nicht beantwortet. Apothekerverbände-Sprecher Splett weist aber eine mögliche Kritik an der Erstattung zurück: "Die Apotheken werden nicht absahnen." Der Erstattungspreis solle alles abdecken von der Herstellung über die Logistik bis hin zu Beratung und Mehrwertsteuer.
Beispiele für günstige Preise bedeuteten auch nicht, dass es dabei bleibe: "Weil auf dem freien Markt beschafft werden muss, können sich Preise, Mengen und Liefertermine jederzeit ändern."
Global keine Knappheit
Achim Theiler rechnet allerdings nicht mit einer Preisexplosion: "Es gibt kein globales Nachschub-Problem dadurch, dass in Deutschland jetzt diese Mengen zur Verteilung durch die Apotheken nachgefragt werden." Jeder Gewerbekunde werde durch seine Firma bedient, je nach Verfügbarkeit werde er aber vielleicht nur Teilmengen erhalten. Wenn viele Apotheken jetzt einkaufen müssten, seien die dafür notwendigen Masken nicht so kurzfristig verfügbar.
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Momentan würden alle Waren sofort wieder verkauft. Die kurzfristige Nachfrage führe auch dazu, dass es Anbieter gebe, die kräftig aufschlagen. Deshalb verkaufen auch sein Unternehmen ebenso wie die Harmsen Trading nicht an Privatleute, die dann als Weiterverkäufer auftreten könnten.
Bund plant 2,5 Milliarden ein
Im Sommer sei der Markt fast tot gewesen, sagt Sabine Harmsen: "Die Chinesen haben dauernd angerufen und wollten schicken." Nun wurden am Montagabend in ihrem Unternehmen die letzten noch vorhandenen Masken versandfertig gemacht – auch bei kleineren Mengen zu Preisen weit unter zwei Euro: "Wir schauen dabei darauf, was es uns gekostet hat." Dort wird Anfang Januar wieder eine Lieferung über eine Million Exemplare erwartet, "und wir überlegen gerade, ob wir noch eine weitere Million ordern". Die Franz Mensch GmbH erwartet Ende Dezember eine Lieferung von fünf Millionen FFP2-Masken.
Die sollen sich Risikopatienten auch 2021 in der Apotheke holen können. Dann und bis Mitte April ist das Vorgehen aber anders, um Missbrauch zu verhindern: Menschen aus der Risikogruppe erhalten von ihrer Krankenkasse zwei Coupons für je sechs Masken, die sie einlösen können – und dann sind jeweils zwei Euro für sechs Masken zuzuzahlen.
Die Apotheken bekommen weiterhin sechs Euro pro Maske, aber die Zuzahlung der Kunden wird angerechnet. Für die Maskenverteilung von Dezember bis April plant der Bund Kosten von 2,5 Milliarden Euro ein. Großhändler Theiler: "Man hätte das auch in jedem Fall günstiger haben können, wenn der Bund da nicht wieder so kurzfristig, sondern mit etwas mehr Vorlauf herangegangen wäre."
Der nächste Engpass ist schon in Sicht – Achim Theiler fürchtet ihn in Kliniken: "Zuletzt haben wir die Regierung auf die extrem angespannte Situation bei Einmalhandschuhen aufmerksam gemacht. Bis auf zwei einzeilige Empfangsbestätigungen ist nichts weiter passiert."
*Wir haben an dieser Stelle ergänzt, dass die Zahl der vergüteten Masken sich an den ausgegebenen rezeptpflichtigen Medikamenten orientiert.
- Eigene Recherchen
- Bundesgesundheitsminister: Referentenentwurf: Verordnung zum Anspruch auf Schutzmasken zur Vermeidung einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2