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Corona-Proteste: Demo-Verbot wegen "Covidioten"? Pro & Contra


Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

Demo-Verbot wegen Corona-Chaoten?
"Wegen ein paar Idioten können wir kein Grundrecht beschneiden"

  • Josephin Hartwig
Pro & KontraVon Josephin Hartwig und Daniel Schreckenberg

Aktualisiert am 03.08.2020Lesedauer: 1 Min.
Kein Abstand, kein Mund-Nase-Schutz: Tausende Menschen bei der Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen auf der Straße des 17. Juni in Berlin.Vergrößern des Bildes
Kein Abstand, kein Mund-Nase-Schutz: Tausende Menschen bei der Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen auf der Straße des 17. Juni in Berlin. (Quelle: Christoph Soeder/dpa)

Die Demonstrationen am Wochenende in Berlin haben eine große Diskussion ausgelöst. Muss die Versammlungsfreiheit doch wieder eingeschränkt werden?

Die massenhaften Verstöße gegen die Corona-Auflagen bei den Demonstrationen in Berlin haben eine Debatte über die Grenzen der Versammlungsfreiheit entfacht. Die Demonstrationsfreiheit sei "ein besonders wichtiges Rechtsgut", sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) der "Süddeutschen Zeitung". Jedoch müssten die Auflagen zur Eindämmung der Pandemie eingehalten werden, um andere nicht zu gefährden. "Mir fehlt jedes Verständnis für Demonstranten, die sich hierüber selbstherrlich hinwegsetzen."

Parteiübergreifend wurde der Ruf nach einem harten Durchgreifen laut. CDU-Innenexperte Armin Schuster stellte Demonstrationen dieser Art sogar generell infrage. Aus seiner Sicht wäre es verhältnismäßig, solche Versammlungen "nur noch unter sehr viel strengeren Auflagen oder gar nicht mehr zu genehmigen", sagte er der "Rheinischen Post". Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) unterstrich, Demonstrationen dürften nur in absoluten Ausnahmefällen eingeschränkt werden. "Aber wenn die Demonstranten selbst zum Hochrisiko werden, darf der Staat nicht tatenlos zusehen", erklärte er der "Welt".

Sollten Corona-Demonstrationen bei Missachtungen gegen die Hygiene-Regeln verboten werden?

Pro
Josephin Hartwig
Josephin Hartwig

Ja, denn wenn wir solidarisch miteinander sein wollen, gibt es keinen anderen Weg

Müssen Demonstrationen, zumindest temporär, verboten werden? Es wäre ein drastischer und mindestens heikler Schritt. Und doch dürfen wir in Pandemie-Zeiten davor nicht zurückschrecken. Das gilt insbesondere in der aktuellen Phase, in der die Fallzahlen wieder steigen und wir sehen können, wie ein Land nach dem anderen in unserer engeren und weiteren Nachbarschaft von der zweiten Welle erfasst wird. Solidarität ist der Schlüssel. Und wenn es Menschen gibt, denen genau diese Solidarität egal ist, dann muss es ein temporäres Verbot geben.

Vor allem aber muss ein Verbot greifen, wenn Veranstalter von Demonstrationen schon im Vorfeld keinerlei Anstalten machen, die Hygieneregeln, die uns bisher so glimpflich haben davonkommen lassen, zu achten. Wie am vergangenen Wochenende in Berlin, wo der Rechtsbruch schon vom Start weg eingepreist war.

Die Teilnehmer des Protests werden in den nächsten Tagen wieder einkaufen gehen, womöglich mit der Bahn fahren, oder Kollegen, Freunde und vielleicht ältere Familienmitglieder treffen. Dabei könnten sie das Virus weitergeben, Unschuldige in Gefahr bringen, oder selbst an Covid-19 erkranken.

Nun könnte man argumentieren, dass es trotz Pandemie auch das Recht auf freie Meinungsäußerung und eben Demonstrationen braucht. Doch längst gibt es andere Wege, Menschen zu mobilisieren und in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu erregen. Das Angebot reicht von digitalen Petitionen bis hin zu Social-Media-Gruppen, die einen direkten Austausch ermöglichen. Warum also nicht diese Zeit nutzen, um neue Wege zu beschreiten? Zu Tausenden zusammenzukommen, ist nicht der richtige Weg.

Kontra
Daniel Schreckenberg

Nein, "Covidioten" müssen wir aushalten – auch bei Demonstrationen

Ja, was die Demonstranten da am Wochenende in Berlin abgezogen haben, war eine Frechheit: Ohne Abstand, ohne Maske und ohne Anstand schlenderten sie zu Zehntausenden durch die Hauptstadt. Und gefährdeten dabei Unbeteiligte. Etwa dann, wenn die Corona-Leugner nach ihrem Protestausflug wieder in den Bahnen in die Heimat saßen.

Doch wegen ein paar (oder vielleicht auch ein paar mehr) Idioten können wir das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht beschneiden. Selbst dann nicht, wenn auf solchen Demos Lügen verbreitet und Menschenrechte mit den Füßen getreten werden.

Denn ein Demo-Verbot wäre nur Wasser auf den Mühlen der Verschwörungstheoretiker. Die sehen sich ja sowieso schon von Staat und Medien unterdrückt – während sie ohne Probleme durch die Straßen stampfen und über sie berichtet wird. Mit einem Verbot aber würde man die Fanatiker nur noch fanatischer werden lassen. Und Gefahr laufen, dass ihnen noch mehr unbedarfte Bürger im schwer kontrollierbaren Netz in die Fänge gehen.

Daher: Tun wir ihnen diesen Gefallen nicht. Das Wochenende hat uns ja gezeigt, wie es stattdessen gehen kann. Statt mit einem Verbot hat der vernünftige Teil der Bevölkerung den Corona-Leugnern die Schranken aufgezeigt – mit den normalen Mitteln des Rechtsstaates.

Nach Dutzenden Anzeigen gegen den Veranstalter war die Demo schnell Geschichte. Und so wird es auch beim nächsten Mal sein, und dem danach und dem danach. Bis sich die Teilnehmer irgendwann an unsere gemeinsamen Werte halten: den Schutz der Gesundheit anderer.

Wer hat recht?

Im Format "Frage der Woche" kommentieren Redakteure von t-online.de eines der politischen beziehungsweise gesellschaftspolitischen Topthemen der Woche.

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