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Berlin: Polizei holt Corona-Demo-Veranstalter von der Bühne


Proteste in Berlin
Polizei holt Corona-Demo-Veranstalter von der Bühne

Von dpa, afp
Aktualisiert am 02.08.2020Lesedauer: 3 Min.
Polizisten tragen bei der Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen auf der Straße des 17. Juni eine Person von der Bühne.Vergrößern des Bildes
Polizisten tragen bei der Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen auf der Straße des 17. Juni eine Person von der Bühne. (Quelle: Christoph Soeder/dpa-bilder)

Tausende Menschen haben in Berlin die Aufhebung der Corona-Maßnahmen gefordert. Wegen Verstößen gegen die Hygieneregeln wurde die Kundgebung aufgelöst. Einige Demonstranten wollten nicht gehen.

Die Polizei in Berlin hat am Samstagabend die Großdemonstration in Berlin gegen die Corona-Politik der Bundesregierung aufgelöst. Der Veranstalter könne nicht gewährleisten, dass die Corona-Auflagen eingehalten werden, sagte ein Polizeisprecher zu t-online.de. Nach Polizeiangaben hatten 20.000 Menschen teilgenommen und dabei größtenteils weder Mundschutz getragen noch Abstand gehalten.

Bei der Auflösung besetzte die Polizei die Veranstaltungsbühne. Mehrere der Veranstalter wurden unter Protestrufen von Teilnehmern von der Bühne geholt. Als sich eine Person dagegen wehrte, gingen die Beamten mit Körpereinsatz vor.

Zuvor hatte die Polizei die Teilnehmer der Kundgebung mehrfach aufgefordert, den Bereich auf der Straße des 17. Juni zu räumen. Nach anfänglichen Bitten wies ein Polizeisprecher darauf hin, dass die Demonstranten nun Ordnungswidrigkeiten begingen. Das wurde stets von Buh- und Protestrufen begleitet.


Viele Teilnehmer wanderten dennoch ab oder verteilten sich auf den Wiesen des angrenzenden Tiergartens. Etwa 3.000 versammelten zwischenzeitlich sich vor dem nahen Reichstag. Vor der Bühne der Kundgebung hielt sich länger noch ein harter Kern der Teilnehmer.

Strafanzeige gegen Versammlungsleiter

Wegen Nichteinhaltung der Hygieneregeln wurde zuvor gegen den Versammlungsleiter der zuvor abgehaltenen Großdemo Strafanzeige gestellt. Aus der Politik kam teils scharfe Kritik an dem Verhalten der Demonstranten in einer Zeit, in der die Corona-Neuinfektionen wieder steigen. Demonstrationen müssten zwar auch in Corona-Zeiten möglich sein, schrieb Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf Twitter. "Aber nicht so. Abstand, Hygieneregeln und Alltagsmasken dienen unser aller Schutz."

SPD-Chefin Saskia Esken twitterte: "Tausende Covidioten feiern sich in Berlin als 'die zweite Welle', ohne Abstand, ohne Maske."

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) übte heftige Kritik. Es ärgere ihn maßlos, dass Menschen aus anderen Teilen Deutschlands nach Berlin kämen, um hier ein Demonstrationsrecht auf Grundlage von Hygieneregeln wahrzunehmen, dass sie dann missachteten, sagte Müller in der rbb-"Abendschau". Die Demonstranten würden die Fakten nicht zur Kenntnis nehmen und riskierten damit die Gesundheit anderer Menschen. Er habe dafür kein Verständnis.

800.000 Teilnehmer? "Zahl ist völlig aus der Luft gegriffen"

Am späten Nachmittag hatte die Polizei von etwa 20.000 teilnehmenden Personen auf der Kundgebung gesprochen. Diese Zahl habe die Polizei selbst erhoben. Der Veranstalter hatte zwischenzeitlich von 800.000, später sogar von über einer Millionen Menschen gesprochen. "Diese Zahlen sind aus der Luft gegriffen", dementierte die Polizei im Gespräch mit t-online.de die Angaben des Veranstalters.

Zuvor war bereits eine Großdemonstration der Corona-Kritiker in der Berliner Innenstadt von den Veranstaltern selbst vorzeitig beendet worden. Die Polizei hatte den Anmelder zuvor wegen eines Verstoßes gegen die Hygiene-Auflagen angezeigt. Zu der Großdemonstration hatten sich rund 15.000 Menschen versammelt. Trotz steigender Infektionszahlen machten sie sich für ein Ende aller Auflagen stark.

Auf dem Boulevard Unter den Linden standen die Demonstranten dicht gedrängt. Auf Abstandsregeln wurde dabei weitgehend nicht geachtet. Zudem trugen kaum Teilnehmer einen Mund-Nasen-Schutz. Zu sehen waren Ortsschilder und Fahnen verschiedener Bundesländer. (Mehr Eindrücke sehen Sie oben im Video oder hier.)

Demonstranten rufen "Widerstand"

Ihrem Unmut über die Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus machten die Menschen tagsüber mit Trillerpfeifen und Rufen nach "Freiheit" oder "Widerstand" Luft. Auch Parolen wie "Die größte Verschwörungstheorie ist die Corona-Pandemie" waren zu hören.

Das Motto der Demonstration lautete "Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit". Den Titel "Tag der Freiheit" trägt auch ein Propagandafilm der Nazi-Ikone Leni Riefenstahl über den Parteitag der NSDAP 1935. In Stuttgart hat die Initiative "Querdenken 711" bereits wiederholt demonstriert. Fotos zeigten Demonstranten mit Flaggen, die in der rechtsradikalen Szene beliebt sind.

Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte noch am Freitag gesagt, er erwarte, dass jeder Teilnehmer die Regeln beachte und sich verantwortungsvoll verhalte. Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte, auch Neonazi-Organisationen hätten zur Teilnahme aufgerufen.

Kritiker befürchten Vereinnahmung von Rechtspopulisten

Kritiker dieser Proteste befürchteten eine Vereinnahmung durch Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten. Die Gewerkschaft Verdi sprach von einem rechtsextremen Bündnis. Bei der Demonstration am Samstag seien Einschränkungen der Pressefreiheit und körperliche Übergriffe gegen Journalisten zu befürchten.

Geisel hatte von einer "besonderen Herausforderung" für die Polizei gesprochen. Man werde sehen, inwieweit es gelinge, bei derart großen Menschenmengen die Corona-Auflagen wie Abstandsregeln und die Maskenpflicht durchzusetzen. Gegebenenfalls würden Bußgelder verhängt, bei Widerstandshandlungen würden Demonstranten auch vorübergehend festgesetzt.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherche vor Ort
  • Telefonat mit der Polizei Berlin
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