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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Röttgen kontert Habeck Warum Trumps Davos-Auftritt auch in Berlin für Aufregung sorgt
Hat sich der Grünen-Chef durch seine Aussagen über Trump disqualifiziert? Das hat Norbert Röttgen nach Habecks Kritik am US-Präsidenten behauptet. Doch eigentlich geht es Röttgen um etwas anderes.
Eigentlich ist es für alle gut gelaufen: für Donald Trump, für Robert Habeck und jetzt auch für Norbert Röttgen. Der CDU-Außenpolitiker hat Robert Habeck kritisiert, nachdem der Grünen-Chef vollkommen entsetzt auf die Rede des US-Präsidenten auf dem Weltwirtschaftsforum reagiert hatte.
Was auf den ersten Blick einem medialen Schlagabtausch gleicht, ist in Wahrheit eine Polonaise: Einer tanzt los, die anderen hinterher.
Den ersten Aufschlag machte Trump. Er lobte in Davos seine eigene Politik: "Amerika erlebt einen Boom, wie man ihn noch nie zuvor gesehen hat", sagte er. Und: "Dies ist keine Zeit für Pessimismus, dies ist eine Zeit für Optimismus." In Anspielung auf die Klimaschutzbewegung fügte er hinzu: "Wir müssen die ewigen Propheten des Untergangs und die Vorhersagen einer Apokalypse ablehnen."
Robert Habeck zeigte sich nach dem Auftritt des US-Präsidenten fassungslos: "Trumps Rede war ein Desaster für die Konferenz." Die Ansprache sei die schlechteste gewesen, die er je gehört habe. Habeck sagte über Trump sogar: "Er ist der Gegner. Er steht für all die Probleme, die wir haben."
Röttgen wiederum reagierte mit starken Worten auf Habecks Kritik. "Es ist schon eine Leistung, sich durch die Kritik an Präsident Trump selbst zu disqualifizieren; das ist Habeck gelungen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Habecks Aussage, Trump sei "der Gegner, er steht für all die Probleme, die wir haben", offenbare "mindestens eine erschreckende außenpolitische Einfältigkeit des grünen Spitzenmannes". Trump sei schließlich "der demokratisch gewählte Präsident des Landes, das das Rückgrat unserer eigenen Sicherheit bildet".
Der CDU-Politiker tut das, was er tun muss
Keine Frage: Röttgen wählt drastische Worte. Kratzt man aber ein wenig an der Patina, entfernt ein wenig Pathos, streicht ein paar rhetorische Kniffe, bleibt eine Aussage zurück, an der nichts interessant ist. Natürlich muss ein CDU-Politiker gegen einen Grünen sticheln, der etwas gegen einen US-Präsidenten gesagt hat. Es ist die Rolle der CDU, daran zu erinnern, wie eng die Verbindungen zwischen Deutschland und den USA sind.
Röttgen sagte genau das, was er sagen musste. Dass die Welt davon Notiz nahm, gelang nur, weil Röttgen seine absolut erwartbare Haltung so überspitzt formulierte, dass er sich der Aufmerksamkeit sicher sein konnte.
Und es funktionierte: Am Morgen machte die Meldung mit Röttgens Zitaten die große Runde, kurze Zeit später postete Röttgen seine Aussagen noch auf Twitter. Sicher ist sicher. Und der Medienstunt gelang: Röttgen wettert gegen Habeck, Röttgen kanzelt Habeck ab, Röttgen geht auf Habeck los. Die Schlagzeilen füllten sich.
Die Aussagen folgen einem bestimmten Muster
Zur Wahrheit gehört aber auch: Röttgen hat nicht angefangen, er macht bloß mit. Der US-Präsident, der Grünen-Chef und der Außenpolitiker folgen derselben Choreografie: Ein Politiker vertritt genau die Haltung, die von ihm zu erwarten ist. Um trotzdem zu überraschen, formuliert er seine Meinung so überspitzt, dass kaum auffällt, wie wenig interessant der Inhalt ist. Ein kleiner Ausfallschritt mit großer Wirkung.
Das gilt für Trump ebenso wie für Habeck und Röttgen: Niemand hatte erwartet, dass der US-Präsident sich auf dem Weltwirtschaftsforum als Umweltschützer offenbart oder dass ihn ein Anfall von Bescheidenheit überkommen könnte. Trump sagte, was er immer sagte: Dass es den USA großartig geht. Und dass die Welt vor einer großartigen Zukunft steht, deren einziges Problem diejenigen seien, die das in Frage stellten. Das fand der Grünen-Chef natürlich nicht gut. Was wiederum dem CDU-Politiker nicht gefiel.
Dass die Kritik an dem Vorredner jeweils überzogen war, ist dabei wichtig. Denn nur so kann der nächste Kritiker die Kritik an der Kritik kritisieren. Hätte Habeck sich differenziert über Trump geäußert, hätte Röttgen keine Chance gehabt, vor sich hinzuwettern.
Habeck ist längst zurückgerudert
Einige seiner Aussagen hat Habeck übrigens längst zurückgenommen. In einem Interview mit n-tv betonte der Politiker, Deutschland habe den USA viel zu verdanken, unter anderem die Befreiung vom Faschismus. Dies könne nicht durch einen US-Präsidenten alles kaputt gemacht werden. Man müsse ihn besuchen, aber man müsse ihm auch widersprechen. Dies könne man vielleicht auch ein bisschen höflicher tun, als er es getan habe "im ersten Brast". Denn tatsächlich äußerte sich Habeck zunächst sehr spontan: Das Video, das seine Reaktion zeigt, entstand unmittelbar nach der Rede des US-Präsidenten.
Damit sagt Habeck vielleicht auch alles, was es zu seinem ersten Kommentar zu sagen gibt. Im Tumult um Röttgens Medienstunt ging das nur völlig unter.
Die Medien-Polonaise, die Trump, Habeck und Röttgen gemeinsam aufgeführt haben, ist übrigens auch keine neue Mode, sie ist vielleicht so alt wie die Medien selbst. Es wäre nur schön, man vergäße dabei nicht ganz, worum es in Davos eigentlich geht: um unsere Zukunft.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherche