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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Grüne kritisieren deutsche Importpolitik "Wer so agiert, wird Waldzerstörung nicht aufhalten"
Die große Koalition setzt weiter auf Freiwilligkeit, um Waldzerstörung durch deutsche Importe zu verhindern. Die Grünen üben Kritik: Das sei "Politikversagen à la Groko".
Trotz fortschreitender Zerstörung des Waldes in vielen Teilen der Welt setzt die Bundesregierung weiter auf freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen, entwaldungsfreie Lieferketten für Importe nach Deutschland aufzubauen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag hervor, die t-online.de vorliegt. Die Fraktion befürchtet, dass die große Koalition auf diese Weise schon bald das nächste umweltpolitische Ziel verfehlt – denn eigentlich hatte sich Deutschland verpflichtet, bis 2020 sicherzustellen, dass Importe nicht zum Verlust von Waldbestand beitragen.
Grüne: Regierung flüchtet sich in Dialogforen
"Der Amazonas-Regenwald brennt, doch die Bundesregierung flüchtet sich in Dialogforen", sagte Grünen-Abgeordnete Steffi Lemke t-online.de. "Statt klarer Gesetze zum Naturschutz formuliert die Bundesregierung nun 'Erwartungen' an die Wirtschaft – das ist Politikversagen à la Groko." Die beschränkte Wirkung freiwilliger Selbstverpflichtungen sei schließlich bekannt. "Wer so agiert, wird Waldzerstörung nicht aufhalten." Statt "undurchsichtiger Pseudo-Siegel" sei ein Importstopp von nicht zweifelsfrei nachhaltigem Palmöl und Soja notwendig.
Laut Angaben der Europäischen Kommission ging zwischen 1990 und 2016 eine Waldfläche von 1,3 Millionen Quadratkilometern verloren. Das entspreche rund 800 Fußballfeldern pro Stunde. "Haupttriebfeder dieser Entwaldung ist die Nachfrage nach Lebens- und Futtermitteln, Biokraftstoffen, Holz und anderen Rohstoffen", hält eine Mitteilung der Kommission fest. Zwar habe sich die Geschwindigkeit der Entwaldung global gesehen nun verlangsamt, heißt es nun in der Antwort auf die Kleinen Anfrage – die Waldfläche nehme aber weiter kontinuierlich ab.
In der New Yorker Walderklärung vor fünf Jahren hatte sich Deutschland mit rund 180 anderen Staaten verpflichtet, Entwaldung aus Lieferketten globaler Agrarrohstoffe zu eliminieren. Das betrifft vor allem Palmöl, Soja, Papier, aber auch beispielsweise Kakao, Leder und Rindfleisch. Darauf aufbauend hatte sich Deutschland ein Jahr später in den "Amsterdam-Erklärungen" mit mehreren europäischen Staaten zusammengeschlossen, um eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Darin hieß es unter anderem, bis 2020 solle Palmöl ausschließlich aus nachhaltiger Produktion bezogen werden.
Für die Erreichung dieses Ziels setzt die Bundesregierung laut ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage nun allerdings neben den freiwilligen Selbstverpflichtungen der Unternehmen vorrangig auf die EU-Ebene. Dort setze sich Deutschland für "stringente Maßnahmen (...) einschließlich konkreter Aktionen" ein. Für die Grünen ist das nicht genug. "Diese ökologische Katastrophe befeuert das Artensterben und heizt die Klimakrise weiter an", sagte Lemke. Deutschland und die EU hätten durch Produktimporte aus abgeholzten Flächen erheblichen Anteil daran. "Die Bundesregierung ist offensichtlich politisch überfordert."
- eigene Recherchen
- Bundestag: Kleine Anfrage der Grünen, Drucksache 19/14737
- Europäische Kommission: "Schutz und Wiederherstellung der Wälder weltweit"