Groko unter Druck Union und SPD starten Endspurt für Milliarden-Klimapaket
Ende der Woche will die Regierung ihre Entscheidungen für besseren Klimaschutz in Deutschland präsentieren. Es gibt Kompromisssignale, aber noch viel Beratungsbedarf. Ob die Groko tatsächlich liefert?
Union und SPD starten mit Signalen der Annäherung, aber ohne konkrete Festlegungen in die Woche der Entscheidung über ihr Milliardenpaket für mehr Klimaschutz. Zu Medienberichten über ein Volumen von etwa 40 Milliarden Euro bis 2023 hieß es am Wochenende in Koalitionskreisen, es gebe noch kein Finanztableau. Auch über Größenordnungen sei bislang nicht gesprochen worden. Es existiere auch keine Teileinigung, sondern es werde weiterhin viel gerechnet und diskutiert. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte in der ZDF-Sendung "Berlin direkt", niemand könne gegenwärtig eine genaue Summe nennen. "Aber was auf alle Fälle richtig ist, dass wir ein sehr ehrgeiziges Paket vorhaben." An diesem Montag will die CDU-Spitze zunächst ihr Konzept für mehr Klimaschutz verabschieden.
Nach Informationen von "Welt am Sonntag" ("WamS") und "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" ("FAS") aus Regierungs- und Koalitionskreisen enthält das geplante Koalitionspaket ein Bündel aus Fördermaßnahmen, über die schon in den vergangenen Wochen breit diskutiert worden ist. Neben dem nun genannten Umfang von rund 40 Milliarden Euro kursierte in Koalitionskreisen nach dpa-Informationen zuletzt auch ein Gesamtvolumen von rund 48 Milliarden Euro.
So sind höhere Kaufprämien für Elektroautos, Zuschüsse zur Gebäudesanierung oder Fördergelder für die Wasserstoff-Forschung im Gespräch. Der öffentliche Nahverkehr soll ausgebaut und die Nutzung der Bahn attraktiver gemacht werden. Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) forderte in der "Bild am Sonntag" zur Unterstützung des Umstiegs auf Elektroautos, Deutschland brauche "so was wie ein Eine-Million-Landesäulen-Programm". Bislang gibt es weniger als 20.000 dieser Säulen, heißt es in dem Bericht.
Keine Einigung bei CO2-Bepreisung
Bei der CO2-Bepreisung gibt es laut "WamS" noch keine Einigung. Union und SPD seien aber bereit, von Maximalpositionen abzurücken. Scholz betonte im ZDF lediglich, eine Bepreisung von CO2 müsse sozial gerecht sein. "Und es kann nicht einfach sein, dass der Staat mehr Geld einnimmt. Es muss den Bürgern auch zurückgegeben werden, auf verschiedene Weisen, zum Beispiel auch beim Strompreis."
Die SPD plädiert seit langem für eine CO2-Steuer, die Union für einen Zertifikatehandel. Die "FAS" meldet, die Verschmutzungs-Zertifikate sollten einen Maximalpreis erhalten und direkt von den Mineralölkonzernen erhoben werden, um den bürokratischen Aufwand in Grenzen zu halten und das System schnell einführen zu können.
Auch das CDU-Konzept, das der Parteivorstand an diesem Montag beschließen soll und das am Wochenende nach dpa-Informationen aus Unionskreisen nochmals leicht modifiziert werden sollte, spricht sich für einen Zertifikatehandel mit Minimal- und Maximalpreis aus. "Wir brauchen verbindliche Lenkungswirkung einerseits und soziale Haltelinien andererseits", heißt es in dem Papier. Zudem müsse es eine verbindliche Kompensation und einen verbindlichen "Entlastungspfad" für die Verbraucher geben.
Ein Maximalpreis würde ähnlich wie eine – lange von der SPD favorisierte – Steuererhöhung auf Benzin, Heizöl oder Gas wirken, heißt es in der Union. Zudem könne er verhindern, dass die Preise "durch die Decke gehen". Die CDU schreibt in ihrem Konzept, falls wegen der Marktentwicklung der Maximalpreis greife, könne es erforderlich sein, zusätzliche Zertifikate zu generieren. Dafür bringt die CDU nationale Projekte wie die Renaturierung von Mooren und eine "Baumprämie" ins Spiel: "Wer mit Bäumen CO2 bindet, kann dafür Zertifikate erhalten."
Unternehmen zeigen sich besorgt
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte beim Delegiertentag der Frauen Union in Leipzig, der CDU-Vorstand werde ein Konzept verabschieden, das auf Innovation, wirtschaftliche Verträglichkeit und Ideenreichtum setze. Dies sei gelungen, ohne dass es die Partei zerreiße. Vor allem der Wirtschaftsflügel hat große Bedenken, dass Unternehmen durch die Klimamaßnahmen zu stark belastet werden.
Der Flughafenverband ADV protestierte gegen die von der CDU geplante grundsätzliche Verdopplung der Ticketsteuer bei Inlandsflügen. Für Kurzstrecken unter 400 Kilometern soll die Steuer sogar verdreifacht werden. Der Steuerbetrag liegt im Inland und in EU-Staaten derzeit bei 7,38 Euro pro Ticket. Der Automobilclub ADAC warnte vor Mehrbelastungen für Menschen, die besonders auf das Auto angewiesen sind, wie etwa Pendler.
Spitzenvertreter der oft zerstrittenen Koalitionspartner CDU, CSU und SPD zeigten sich indes zuversichtlich, dass bei der entscheidenden Sitzung des Klimakabinetts am 20. September ein großer Wurf gelingt.
Zuvor sollen an diesem Donnerstag bei einem zusätzlichen Treffen des Koalitionsausschusses letzte Hürden aus dem Weg geräumt werden. Jeder wisse, dass eine Entscheidung nicht bis Oktober vertagt werden könne, hieß es in Verhandlungskreisen. Sie gingen für Donnerstag von Beratungen bis zum frühen Freitagmorgen aus. Womöglich müsse selbst danach noch weiterverhandelt werden, hieß es. Auch eine "Nachspielzeit" am Samstag wurde nicht ausgeschlossen. Eigentlich soll das Gesamtpaket aber am Freitag präsentiert werden.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warb in ihrem Video-Podcast um Verständnis für die geplanten weitreichenden Entscheidungen: "Der Klimaschutz ist eine Menschheitsherausforderung. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, brauchen wir einen wirklichen Kraftakt", sagte sie. Zugleich räumte Merkel ein: "Natürlich, und da brauchen wir auch nicht drum herum zu reden, kostet Klimaschutz Geld."
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte der dpa, es müsse kontinuierlich überprüft werden können, "ob wir den Zielkurs halten, und wie wir erforderlichenfalls nachjustieren". SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte der dpa: "Ich will, dass uns mit dem Klimaschutzgesetz der große Wurf gelingt und wir uns nicht im Klein-Klein und in Einzelmaßnahmen verlieren."
- Newsblog zum Klimakabinett: Alle Informationen im Überblick
- Klima-Kabinett: Umweltministerin Schulze: Groko kann so nicht weitermachen
- Analyse: Warum das Klimakabinett liefern muss
CSU-Chef Markus Söder sagte der dpa: "Alle sind sich der Verantwortung bewusst. Ich bin optimistisch, dass wir am Ende einen Durchbruch für den Klimaschutz erreichen." Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte der "Passauer Neuen Presse", ein Preis für den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 werde zu einer neuen Innovationsdynamik bei klimaneutralen Produkten führen.
- Nachrichtenagentur dpa