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Mögliche Bündnisse: Darum wird die AfD für die CDU zum großen Problem


CDU-Umgang mit der AfD
Wirkt die Warnung von Franz Josef Strauß nicht mehr?

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

Aktualisiert am 12.09.2019Lesedauer: 5 Min.
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Franz Josef Strauß: "Rechts von der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben."Vergrößern des Bildes
Franz Josef Strauß: "Rechts von der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben." (Quelle: picture alliance/augenklick)

Die CDU-Parteispitze schließt jede Kooperation mit der AfD aus. Allein die Basis scheint das nicht zu interessieren. Die Annäherung hat längst begonnen – und die Christdemokraten drohen an den Rechtspopulisten zu scheitern, meint unsere Kolumnistin Lamya Kaddor.

Die Beschlusslage ist eindeutig: "Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab." So hat es der 31. Parteitag 2018 in Hamburg bestimmt. Allein an der Basis scheint viele nicht zu interessieren, was "die da oben" entscheiden. Der Bundesvorstand und das Präsidium der Partei bekräftigten Mitte des Jahres nach dem Mord an ihrem Parteimitglied Walter Lübcke, mutmaßlich durch einen Rechtsextremisten verübt: "Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab. Die CDU wird alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, diesen Beschluss durchzusetzen."

Doch in Städten und Gemeinden scheint es an vielen Stellen längst Alltag geworden zu sein, dass man mit der AfD mehr oder weniger lose kooperiert. Nach Recherchen von "Report Mainz" gibt es allein in Sachsen und Thüringen in mindestens 18 Kommunalparlamenten Hinweise auf eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD. Als im hessischen Altenstadt ein NPD-Politiker mit Stimmen von FDP, SPD und CDU zum Ortsvorsteher gewählt wird, lautet die lakonische Erklärung des CDU-Gemeindevorstands: "Wir haben das Ganze im Vorfeld nicht so ernst genommen."

Im rheinland-pfälzischen Frankenstein bilden zwei Gemeinderatsmitglieder von CDU und AfD eine Fraktionsgemeinschaft – Kuriosum: Es handelt sich um ein Ehepaar. Bei der CDU in Sachsen-Anhalt wird sogar öffentlich und mit ausdrücklicher Billigung der Landesparteiführung über die Enttabuisierung der AfD diskutiert.

CDU will durchgreifen – aber tut sie es auch?

An Glaubwürdigkeit und Überzeugung mangelt es der Bundes-CDU vermutlich nicht. Der Beschluss des Parteitags sei für Mitglieder und Verbände bindend, legte die Partei als Reaktion auf "Report Mainz" in den sozialen Medien nach: Wo dagegen verstoßen werde, seien die zuständigen übergeordneten Ebenen aufgerufen, "Maßnahmen nach Statut und Parteiengesetz durchzusetzen". Doch von etwaigen Parteiausschlüssen oder Ämterabgaben von CDU-Mitgliedern aufgrund von Kooperationen mit der AfD ist bislang nichts bekannt – nur von Versuchen.

Sanktionen hin, Sanktionen her. Die Parteiführung um Annegret Kramp-Karrenbauer hat offenkundig ein Autoritätsproblem. So erscheint der Versuch, die Umsetzung der Beschlüsse einzufordern, geradezu hilflos. Und das ist gefährlich.

Derweil lässt das Verhalten vieler CDU-Politiker an der Basis so manche Beobachterin ratlos zurück, gibt es inzwischen doch genügend Hinweise darauf, wohin der Weg einer Kooperation mit Rechtspopulisten zu führen droht: In Österreich ist die Regierung pulverisiert worden. In Italien hat der rechtsradikale Innenminister Salvini die Koalition gesprengt. Gert Wilders ist in den Niederlanden gescheitert. In Großbritannien haben die Populisten das Land in ein ungeahntes Brexit-Chaos geführt. In Brasilien gestattet ein rechtsextremer Präsident, die Lunge der Erde abzubrennen. Auf den Philippinen ermuntert sein seelenverwandter Kollege zu außergerichtlichen Erschießungen vermeintlicher oder echter Drogenhändler. Über Donald Trump ist schon alles unzählige Male gesagt worden …

Zusammenarbeit mit der AfD – warum das ein Problem ist

Was hat die große Weltpolitik mit den Problemen in deutschen Kommunen zu tun, mag man einwenden? Wo ist das Problem, wenn man bei Entscheidungen über Straßennamen oder Bauanträgen mit der AfD kooperiert? Manche mögen denken: Viele bei der AfD waren doch früher bei uns in der CDU, das sind integere, vernünftige Menschen, wir kennen sie persönlich, warum soll es auf einmal schlimm sein, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen?

Erstens geht es längst nicht mehr um die kommunale Ebene allein. In Sachsen-Anhalt sind die Diskussionen schon auf Landesebene angekommen und bundesweit spielen sie ebenfalls eine Rolle. Prominente CDU-Mitglieder wie Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen denken laut über Koalitionen mit der AfD nach, der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch sagte bereits 2014: "Wir müssen für künftige Koalitionen nüchtern darauf blicken, mit wem wir die größten Schnittmengen haben: mit der SPD, mit den Grünen oder mit der AfD? Da sehe ich die größten Schnittmengen mit der AfD."

Zweitens lehrt die deutsche Geschichte, dass das Unheil nicht von oben kam und direkt mit der Übernahme der Staatsregierung begonnen hat, sondern von unten mit den Nachbarn, Freunden und Kollegen in Landes- und Kommunalparlamenten der Weimarer Republik. Dem Historiker Eberhard Kolb zufolge gelang der NSDAP "dank der Kooperationsbereitschaft der bürgerlichen Parteien" nach der Wahl von 1929 "erstmals der Sprung in eine Landesregierung". Rangierte die NSDAP in den Reichstagswahlen von 1924 und 1928 mit 3 und 2,6 Prozent der Stimmen noch unter "ferner liefen", erreichte sie ihre ersten zweistelligen Ergebnisse bei Kommunal- und Landtagswahlen. Der Publizist Klaus Rainer Röhl arbeitete in seinem Buch "Nähe zum Gegner" auf, wie selbst Kommunisten und Nationalsozialisten in der Weimarer Republik an einem Strang zogen.

Die Gefahr erwächst an der Basis

Solche historischen Erkenntnisse besagen nicht, dass Deutschland gleich eine neue Diktatur bevorsteht. Sie zeigen aber auf, dass radikale Kräfte in Demokratien nicht unvermittelt ans Ruder gelangen, sondern über die Einbindung an der Basis zu Erfolgen kommen können. Die Gefahr setzt somit viel früher ein.


Und diese bedroht nicht nur die üblichen Opfergruppen. Sie betrifft bereits Abweichler in den eigenen Reihen: Selbst die einst umjubelte Frontfrau der AfD, Frauke Petry, und Parteigründer Bernd Lucke sind heute "verfemt", weil sie sich gegen die zunehmende Radikalisierung der AfD gestemmt hatten. Beobachter vermuten, der heutige Vorsitzende Jörg Meuthen und andere aktuelle Führungskräfte könnten alsbald folgen.

Der Germanist Heinrich Detering, der zur Rhetorik der parlamentarischen Rechten forscht, sagte dem Evangelischen Pressedienst, sowohl hinter vulgären Begriffen, wie die NS-Zeit als "Vogelschiss" der Geschichte zu bezeichnen, als auch hinter Beschimpfungen wie "Messermänner" stehe stets "ein Grundzug der Verächtlichkeit": "Und diese Verächtlichkeit ist Programm. Das sind keine einzelnen Ausreißer, sie lassen sich nicht entschuldigen mit: 'Da habe ich mich ungeschickt ausgedrückt' oder 'Das Temperament ist mit mir durchgegangen'."

Die CDU muss an dieser Stelle mehr Wachsamkeit walten lassen als andere Parteien. Die Bedrohung kommt von der rechten Seite, käme sie von links, wären andere besonders gefordert. Das abgedroschen klingende Diktum des Franz Josef Strauß von 1986 bleibt somit Auftrag und Verpflichtung zugleich: Rechts von der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben.


Leider deutet sich an, dass die CDU daran scheitern könnte und die Annäherung zur AfD fortschreiten wird. Die ersten Tabus sind gebrochen und in der Folge werden sich die Grenzen weiter verschieben. Zugleich werfen sich Rechtspopulisten ihr Deckmäntelchen über und erklären sich wie nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen zur "bürgerlichen" Kraft. Das sollte jedem Sorgen bereiten – aber vor allem den CDU-Mitgliedern, denn die Öffnung nach rechts wird sie Stimmen in der Mitte kosten. Und Wahlen werden bekanntlich in der Mitte gewonnen.

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin, Publizistin und Gründerin des Liberal Islamischen Bunds e.V. (LIB). Derzeit leitet sie ein Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen. Ihr aktuelles Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnistin auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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