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CDU-Politiker Peter Tauber will Verfassungsfeinden Meinungsfreiheit nehmen


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Umstrittener Vorschlag
CDU-Politiker Tauber will Verfassungsfeinden Meinungsfreiheit nehmen


Aktualisiert am 19.06.2019Lesedauer: 4 Min.
Regt den Entzug von Grundrechten für Demokratiefeinde an: Peter Tauber.Vergrößern des Bildes
Regt den Entzug von Grundrechten für Demokratiefeinde an: Peter Tauber. (Quelle: imago-images-bilder)
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CDU-Politiker Peter Tauber schlägt nach dem Anschlag auf Walter Lübcke vor, Demokratiefeinden Grundrechte zu entziehen. Sein Verweis auf einen wenig bekannten Artikel des Grundgesetzes geht selbst Linken zu weit.

Peter Tauber, früherer Generalsekretär der CDU und Staatssekretär im Verteidigungsministerium, schlägt vor, Neonazis einen Teil der Grundrechte absprechen zu lassen. In einem Gastbeitrag für die "Welt" fordert er eine klare Grenzziehung nach rechts. Er bringt ins Gespräch, im Kampf gegen Hetze den kaum bekannten Artikel 18 des Grundgesetzes zu nutzen.

Er erlaubt, dass Feinden der Demokratie Grundrechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit entzogen werden können. Auch Versammlungsfreiheit und Wahlrecht können verwehrt werden. Der Artikel gilt als eine Lehre aus der Zeit der Weimarer Republik und ist als ein wichtiges Instrument gedacht, um die Demokratie zu schützen.

Linken-Politiker: Forderung nicht zielführend

Tauber erklärte, der Artikel 18 sei ein Instrument "nicht nur gegen Rechtsextreme, sondern auch gegen alle anderen, die sich ebenfalls dem Kampf gegen unsere Freiheit verschrieben haben". Es gehe ihm nicht um eine "Entbürgerlichung", sondern um eine "Entpolitisierung" der Feinde unserer Verfassung.

Er bekommt viel Zustimmung, die Forderung stößt aber auch auf Widerspruch von Bürgerrechtlern und Juristen. Niema Movassat, Obmann der Linken im Rechtsausschuss des Bundestags und Sprecher für Verfassungspolitik, nannte die Forderung "nicht zielführend": Der Artikel sei "praktisch ein schwerfälliges Instrument" und "rechtspolitisch hochgradig problematisch", schrieb er auf Twitter.

Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisiert den Tauber-Vorstoß scharf. „Die ersten politischen Reaktionen auf den Mord an Walter Lübcke zeugen von einer Ratlosigkeit, die gefährlich ist“. Tauber gieße "Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten", schreibt Leutheusser-Schnarrenberger in einem Gastbeitrag für t-online.de. Diese unterstellten ohnehin ständig Zensur. „Völlig kontraproduktiv wird der Vorschlag von Peter Tauber dann, wenn Rechtspopulisten sich weiter radikalisieren."

Wörtlich steht in dem Gesetz: Wer Grundrechte "zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht, verwirkt diese." Dafür ist aber eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts notwendig, nur das kann den Entzug – in der Regel zeitlich befristet – aussprechen. Das Verfahren ist langwierig und hat in noch keinem Fall zu einem juristischen Erfolg geführt. Allerdings ist unklar, ob die Verfahren nicht in Teilen dazu geführt haben, dass die Betroffenen sich deshalb mit Äußerungen zurückgehalten hatten.

Das sind die bisherigen Fälle

Seit Bestehen der Bundesrepublik gab es drei Fälle mit vier Betroffenen, denen die Grundrechte entzogen werden sollten. Alle Fälle wurden zurückgewiesen, nachdem die Verfahren sich über mehrere Jahre hingezogen hatten.

  • 1952 beantragte die Bundesregierung, dem zweiten Vorsitzenden der für verfassungswidrig erklärten Sozialistischen Reichspartei die Grundrechte zu entziehen. Auslöser waren Reden in den Jahren 1950 und 1951, die auch zu Verurteilungen zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung geführt hatten. 1960 erging der Beschluss des Gerichts, als der Mann sich bereits völlig aus dem politischen Leben zurückgezogen hatte.
  • 1969 wollte die Bundesregierung Gerhard Frey, Chefredakteur der "Deutschen National-Zeitung", die Grundrechte entziehen lassen. Frey, später Gründer der DVU, wurde vorgehalten, dass die "nationalistischen, antisemitischen und rassistischen Veröffentlichungen im In- und Ausland erhebliches Aufsehen erregen". 1974 wies das Gericht den Antrag zurück: Die Beiträge fänden "keine als ernsthafte Gefahr für den Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Betracht kommende, politisch bedeutsame Resonanz mehr". Die Bundesregierung habe die Gefährlichkeit nicht nachgewiesen.
  • 1992 nach den Brandanschlägen von Mölln wollte die Bundesregierung Artikel 18 auf zwei Neonazis aus Thüringen und Hessen anwenden lassen. Der damalige CDU-Innenminister Rudolf Seiters wollte damit nach eigenen Worten ein deutliches Zeichen gegen rechtsextremistische Gewalt und Propaganda setzen. 1996 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Anträge für unbegründet: Gerichte hatten die beiden Männer wegen ihrer Äußerungen zu Strafen verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Die Gerichte hielten Prognosen für realistisch, dass die Männer sich künftig zurückhalten.

Tauber schrieb in der "Welt" zu seinem Vorstoß, man könne die "politische Rechte nicht integrieren oder einbinden". Die Gewaltbereitschaft von rechts nehme zu, das politische Klima habe sich verändert. Er führte als Beispiel Erika Steinbach an. Sie, "einst eine Dame mit Bildung und Stil, demonstriert diese Selbstradikalisierung jeden Tag auf Twitter", so Tauber über die frühere CDU-Politikerin.

"Sie ist ebenso wie die Höckes, Ottes und Weidels durch eine Sprache, die enthemmt und zur Gewalt führt, mitschuldig am Tod Walter Lübckes." Erika Steinbach hatte unter anderem im Mai 2017 und und im Februar 2019 Beiträge zu Walter Lübcke aus dem Jahr 2015 erneut gepostet. In den Kommentaren hatte es neue Todesdrohungen gegen den Kasseler Regierungspräsidenten gegeben.

Meuthen fordert Tauber-Rücktritt

Steinbach und die weiteren von Tauber genannten Politiker dürften jedoch bei weitem nicht die Kriterien erfüllen, die das Bundesverfassungsgericht bei Artikel 18 anlegt. Tauber stellte auch am Abend klar: "Dumme rechte Parolen hält die Meinungsfreiheit in unserer Demokratie ohne Probleme aus. Anders ist es aber bei rechtsextremen Gewalttätern, Rechtsterroristen und Extremisten, die sich gegen die Freiheitliche demokratische Grundordnung stellen."


AfD-Chef Jörg Meuthen warf Tauber vor, aus dem Mord an Lübcke politisches Kapital zu schlagen, indem er AfD-Politiker für mitschuldig erkläre. "Das ist genauso abstoßend und niederträchtig wie falsch", sagte er der dpa. Er forderte Taubers Rücktritt als Parlamentarischer Staatssekretär.

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