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Verdächtiger im Fall Lübcke: Stephan E. – Neonazi, Familienmensch, Mörder?


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Das ist der Verdächtige im Lübcke-Fall
Stephan E.: Neonazi, Familienmensch, Mörder?


Aktualisiert am 18.06.2019Lesedauer: 4 Min.
Stephan E. in seiner Zeit als gewaltbereiter Neonazi.Vergrößern des Bildes
Stephan E. in seiner Zeit als gewaltbereiter Neonazi. (Quelle: NSU-Watch)

Der Hauptverdächtige im Mordfall des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ist ein mehrfach vorbestrafter Neonazi. Doch seit einigen Jahren wurde es ruhig um ihn. Ein Blick auf die zwei Leben des Stephan E.

Hetze, Hass und Schlägereien – netter Nachbar, hilfsbereites Vereinsmitglied, Familienmensch: Stephan E., 45 Jahre alt und dringend tatverdächtig, den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ermordet zu haben, hat offensichtlich zwei Leben geführt. Als Jugendlicher und junger Erwachsener ist er hochgradig gewalttätig und landet schließlich im Gefängnis. Ab 2005 kommt kein Eintrag in sein Polizeiregister mehr hinzu – bis ihn DNA-Spuren am Wochenende mit dem Mord an Lübcke in Verbindung bringen. Er gilt als Hauptverdächtiger der Generalbundesanwaltschaft, die den Fall übernommen hat.

Die Vergangenheit des Stephan E. liest sich wie ein Kommentar zum Strafgesetzbuch: Geboren ist er 1974 in Bayern, lebt später im Taunus, dann in Kassel. Als 15-Jähriger kommt er erstmals mit der Polizei in Kontakt. In Aarbergen-Michelbach steckt E. ein Mehrfamilienhaus in Brand. Drei Jahre später greift er laut "Bild" auf einer öffentlichen Toilette im Wiesbadener Bahnhof einen Ausländer mit einem Messer an – und verletzt ihn lebensgefährlich. Seine Ermittlungsakte füllt sich: gefährliche Körperverletzung, Raub, unerlaubter Waffenbesitz. Auch zeigt sich sein extremer Hass auf Migranten.

1993 will er mit einer Rohrbombe eine Asylunterkunft in Hohenstein-Steckenroth in Brand setzen. Den Bewohnern gelingt es gerade noch, den Brandsatz zu löschen. E. kommt vor Gericht und wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Als er aus der Haft entlassen wird, hören seine Gewalttaten nicht auf. Dutzende Straftaten werden E. zur Last gelegt. So auch 2004: Da gerät er in Verdacht, einen gemeinschaftlichen Totschlag begangen zu haben. Seine DNA landet in der Datenbank – und wird die Ermittler nach dem Mord an Walter Lübcke auf seine Spur führen.

E. soll laut Informationen von "Spiegel Online" in dieser Zeit Kontakt zu rechtsradikalen Gruppierungen gepflegt haben. Dabei soll es sich um den militanten Neonaziverein "Combat 18" gehandelt haben. Dieser soll mit Waffen handeln und Anleitungen zum Bombenbau veröffentlicht haben. Auch sollen seine Strukturen zu weiteren rechtsextremen Gruppen führen – bis hin zum "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU). Welche Rolle E. bei "Combat 18" eingenommen hat, ist bislang unklar. Im hessischen NSU-Untersuchungsausschuss soll E. laut "Spiegel"-Informationen ein Thema gewesen sein.

Bis 2004 war E. zudem passives Mitglied in der NPD. Die Partei beendet laut Informationen der "Süddeutschen Zeitung" allerdings die Mitgliedschaft, als er seine Beiträge nicht mehr bezahlt.

E. greift mit 400 Neonazis einen Demonstrationszug an

2009 versammelt sich E. mit 400 weiteren Neonazis in Dortmund. Dort findet eine Mai-Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes statt. E. attackiert gemeinsam mit den gewaltbereiten Rechtsextremen die Versammlung – und wird später festgenommen. Er wird wegen Landfriedensbruchs angeklagt und zu sieben Monaten auf Bewährung verurteilt.

Seine kriminelle Karriere stoppt mit diesem Urteil abrupt. Er tritt polizeilich nicht mehr in Erscheinung. Sein Leben wird ruhig und unscheinbar.

E. wohnt in beschaulicher Einfamilienhaussiedlung

Als einen solchen Menschen beschreiben ihn auch seine Nachbarn und seine Schützenbrüder. Zahlreiche Medien waren in seinem Wohnort unterwegs. Überall die gleichen Aussagen: Von seiner Vergangenheit habe man nicht gewusst, von Ausländerhass nichts mitbekommen.

E. wohnt seit 14 Jahren in Forstfeld, einem ruhigen Stadtteil im Osten Kassels, mit vielen Einfamilienhäusern – und keine 30 Kilometer von Wolfhagen-Istha, dem Wohnort des späteren Mordopfers Walter Lübcke, entfernt. Er ist Mitglied eines Schützenvereins im benachbarten Stadtteil Sandershausen. Dort kümmert er sich um die Bogenabteilung.

Noch am Freitag habe er auf den Grünflächen des Vereins gearbeitet, berichtet die "Bild". "Er war freundlich und ruhig", erklärte Vereinschef Reiner Weidemann der Nachrichtenagentur dpa. E. sei seit rund zehn Jahren dabei gewesen und nicht durch rechte Parolen aufgefallen. Im Klub habe E. meist etwas abseits Bogen geschossen. Einen Waffenberechtigungsschein soll er ebenso wenig haben, wie die Möglichkeit, an die Waffen des Vereins zu gelangen.

E. hat eine Frau, die als Apothekerin arbeiten soll, und Kinder. Er sei ein guter Nachbar gewesen, heißt es in seiner Straße. Der Garten und das Haus, das er, wie "Spiegel Online" berichtet, in mühevoller Kleinarbeit selbst renoviert haben soll, sind in tadellosem Zustand. E. soll im Schichtdienst gearbeitet haben.


Nach außen hin lebte er in den letzten zehn Jahren ein normales bürgerliches Leben. Doch im Netz soll er seinen Ausländerhass weiter ausgelebt haben. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, war er auf YouTube unter dem Namen "Game Over" unterwegs. Hetzte gegen die Regierung und forderte sie zum Rücktritt auf. Ansonsten werde es Tote geben, soll er dabei gepostet haben. Bei Walter Lübcke könnte E. diese Drohung wahr gemacht haben – und damit in sein erstes Leben zurückgekehrt sein.

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