Eskalation um Mittelmeer-Mission Von der Leyen und Salvini streiten um Anti-Schleuser-Einsatz
Sabotage-Vorwürfe der deutschen Verteidigungsministerin und neue Drohungen aus Italien: Der Streit um den Anti-Schleuser-Einsatz vor der libyschen Küste wird nun in ungeahnter Schärfe ausgetragen.
Die Zukunft des europäischen Anti-Schleuser-Einsatzes im Mittelmeer ist ungewisser denn je, nachdem Deutschland seinen vorläufigen Rückzug aus der Operation angekündigt hat. Italiens Innenminister Matteo Salvini attackierte am Mittwoch Deutschland und die Marineoperation "Sophia" insgesamt: "Wenn sich andere zurückziehen in der Annahme, uns damit zu ärgern, tun sie uns damit nur einen Gefallen." Die Mission stehe dem nationalen Interesse Italiens entgegen.
Schwere Vorwürfe aus Deutschland
Salvini drohte, nur unter einer Bedingung einer weiteren Verlängerung zustimmen zu wollen: Wenn es künftig zu einer aus seiner Sicht fairen Verteilung von Migranten kommt, die während des Einsatzes aus Seenot gerettet werden. Bislang waren es seit 2015 etwa 50.000 Menschen – allein die Bundeswehr hat bereits mehr als 22.000 Menschen gerettet.
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen erhob hingegen schwere Vorwürfe gegen die italienische Einsatzleitung. Die deutsche Marine sei zuletzt in die "entlegensten Ecken des Mittelmeeres" kommandiert worden und habe seit Monaten keine sinnvollen Aufgaben mehr gehabt, kritisierte von der Leyen. In Regionen, in denen Schleuserbanden unterwegs sind, sei die deutsche Fregatte "Augsburg" bereits seit einem Dreivierteljahr nicht mehr gewesen.
Italien will keine Flüchtenden aufnehmen
Als Grund für die außergewöhnlichen Einsatzbefehle gilt, dass am Rande der Operation gerettete Migranten den Einsatzregeln zufolge nach Italien gebracht werden. Italiens rechter Innenminister Matteo Salvini verweigerte zuletzt aber die Aufnahme von Bootsflüchtlingen. Die rechtspopulistische italienische Regierung fährt in dieser Hinsicht einen harten Kurs. Länder wie Ungarn oder Polen weigern sich weiterhin, Flüchtende aufzunehmen. Auch diese Entscheidung bekräftigt Italiens Regierung in ihrer Haltung.
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Das eigentlich ab Februar eingeplante Schiff "Berlin" soll nach Angaben von der Leyens nun zu Übungen in die Nordsee geschickt werden. Die derzeit eingesetzte Fregatte "Augsburg" kehrt Anfang Februar nach Deutschland zurück. "Für uns ist wichtig, dass jetzt politisch in Brüssel geklärt wird, was die Aufgabe der Mission ist", sagte von der Leyen. Sollte der Streit um den Einsatz gelöst werden, könne es innerhalb von zehn Tagen jederzeit wieder im Mittelmeer sein.
140 Verdächtige festgenommen, 400 Boote zerstört
Laut Bundeswehr hatte die Mission zur direkten Festnahme von mehr als 140 Schleuserei-Verdächtigen durch italienische Behörden geführt. Einheiten des Verbandes haben seit 2015 zudem mehr als 400 von Schleusern genutzte Boote zerstört. Neben der Bekämpfung von Schleusern gehört mittlerweile zu den Aufgaben, illegalen Waffentransport in den Krisenstaat Libyen zu verhindern, wo seit Jahren rivalisierende Milizen um die Macht kämpfen. Auch der Ölschmuggel soll bekämpft werden.
Dass es zu einer Lösung des Streits kommt, ist derzeit nicht absehbar. Wenn es in den kommenden Wochen zu keiner Einigung kommt, läuft der EU-Einsatz Ende März ersatzlos aus. Bis dahin gilt das aktuelle Mandat auch trotz der Ankündigung aus Berlin.
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Der Verband Deutscher Reeder (VDR) sieht das Szenario, dass der Einsatz eingestellt werden könnte, mit Schrecken. "Wenn (...) schon staatliche Schiffe nicht mehr retten, weil sie die Aufgenommenen nicht gesichert abgeben können, wie soll es dann Besatzungen und Schiffen der Handelsflotte gehen?", erklärte Präsidiumsmitglied Ralf Nagel. Grüne und Linke forderten, die Militärmission durch eine zivile Seenotrettungsinitiative der EU zu ersetzen. Benannt ist der Mittelmeer-Einsatz (EUNAVFOR MED) nach einem somalischen Mädchen, das am 24. August 2015 an Bord der deutschen Fregatte "Schleswig-Holstein" zur Welt kam.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP