Innenminister bestreitet "rechtes Netzwerk" Hessens Polizei-Affäre weitet sich aus
CDU-Innenminister Peter Beuth gerät unter Druck: In einer Sondersitzung im Landtag geht es um die rechtsextreme Chat-Gruppe der Frankfurter Polizei. Die Opposition redet von einem Skandal.
Die Affäre um mögliche Rechtsextremisten in der hessischen Polizei weitet sich aus. Nach Ermittlungen zu einer Chat-Gruppe in der Frankfurter Polizei werden drei weitere Vorfälle in anderen Dienststellen untersucht. Dies bestätigte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) auf einer Sondersitzung des Innenausschusses in Wiesbaden.
Bei den neuen Vorfällen – zwei weitere Beamte wurden diese Woche vom Dienst suspendiert – gibt es bisher jedoch keine Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wie in Frankfurt. Dort sollen sich fünf bereits im Oktober aus dem Dienst entfernte Beamte des 1. Reviers über einen Messengerdienst beleidigende und fremdenfeindliche Videos und Texte zugeschickt haben.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte vergangene Woche mitgeteilt, dass sie wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Vor wenigen Tagen wurde nach Beuths Angaben ein der Chat-Gruppe zugerechneter sechster Beamter ebenfalls suspendiert.
Die Behörden hätten die Vorgänge "unverzüglich mit Nachdruck verfolgt", sagte der CDU-Politiker und wies Vorwürfe der Opposition zurück. Es gebe derzeit auch keine Anhaltspunkte für ein "rechtes Netzwerk" bei der Polizei. SPD, Linke und FDP sprachen dagegen einhellig von einem Skandal.
"NSU 2.0" drohte Frankfurter Anwältin
Ausgangspunkt für die Ermittlungen war am 2. August dieses Jahres die Anzeige einer türkischstämmigen Frankfurter Anwältin, wie Beuth den Abgeordneten bestätigte. Deren zweijährige Tochter war laut Innenminister in einem Fax unter den Absender "NSU 2.0" mit dem Tod bedroht worden.
Die Frau hatte im Prozess um Beate Zschäpe und die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) Opfer vertreten und hatte auch mutmaßliche islamistische Gefährder verteidigt. Im Verlauf der Ermittlungen stießen die Behörden darauf, dass Hintergrundwissen über die Anwältin aus dem polizeilichen Informationssystem eines Computers einer Beamtin des 1. Reviers in Frankfurt abgefragt wurde, wie es hieß.
Nach Angaben des Innenministers gab es bei der Beamtin am 11. September eine Durchsuchungsaktion. Über ihr privates Handy stießen die Ermittler auf die Chat-Gruppe. Nach Angaben Beuths kam es am 25. Oktober im selben Verfahren zu weiteren Durchsuchungen in Frankfurt, Darmstadt, Kirtorf (Vogelsbergkreis) und Wetter (Kreis Marburg-Biedenkopf).
Herkunft des Drohschreibens weiterhin unklar
Wer für das Drohschreiben an die Anwältin verantwortlich sei und ob es aus Kreisen der Polizei komme, sei nicht geklärt. Das müssten die Ermittlungen ergeben, sagte Beuth, der nach seinen Angaben am 6. August von dem Drohschreiben erfuhr. Anschließend übernahm die Polizei in Frankfurt die Ermittlungen.
Bei den von Beuth im Ausschuss genannten jüngsten Fällen geht es einmal darum, dass zwei Beamte aus den Polizeipräsidien West- und Osthessen den "Reichsbürgern" nahestehen sollen. Nach Hausdurchsuchungen am vergangenen Montag sei Material sichergestellt wurden. Beide wurden suspendiert.
In einem anderen Fall war vergangene Woche in Offenbach bei einer Schlägerei, bei der ausländerfeindliche Gesänge zu hören gewesen sein sollen, auch ein 21 Jahre alter Polizeikommissaranwärter festgenommen worden. Außerdem sollen Beamte des Polizeipräsidiums Südosthessen 2016 in einer geschlossenen WhatsApp-Gruppe vier Bilder mit rechtsextremem Inhalt ausgetauscht haben.
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Opposition wirft Beuth Nachlässigkeit vor
Bei den laufenden Ermittlungen in Frankfurt hätte Beuth aus Sicht der Opposition zumindest die Obleute im Innenausschuss informieren müssen. Bei einem Drohbrief "NSU 2.0" hätten bei dem Minister alle Alarmglocken klingeln müssen, kritisierte die SPD.
Die Linkspartei erinnerte daran, dass sich der Landtag im August mit dem Abschlussbericht zur Untersuchung der NSU-Affäre in Hessen befasst hatte. Die FDP argumentierte, dass das LKA bei Ermittlungen gegen Polizisten zwingend per Erlass die Federführung haben müsse.
- Nachrichtenagentur dpa