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"Made in Germany": Deutschland ist der Raketen-Supermarkt des Iran


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"Made in Germany"
Deutschland ist der Raketen-Supermarkt des Iran


Aktualisiert am 01.07.2018Lesedauer: 6 Min.
Militärmanöver im Iran 2009: Die Islamische Republik ist weiter auf Einkaufstour für Raketenbauteile in Deutschland.Vergrößern des Bildes
Militärmanöver im Iran 2009: Die Islamische Republik ist weiter auf Einkaufstour für Raketenbauteile in Deutschland. (Quelle: ap)
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Deutsche Geheimdienste

Der Iran arbeitet trotz des geltenden Atom-Abkommens an einem Arsenal hochfliegender und wohl kernwaffenfähiger Raketen. Er versucht in unverändertem Umfang, sich auf illegalem Weg in Deutschland dafür Bauteile und Technologie zu beschaffen. Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern glauben, dafür Beweise zu haben.

Außerdem ist Teheran nach Erkenntnissen der Geheimdienstler weiter bemüht, Teile und Technologie für das landeseigene Nuklearprogramm in Deutschland zu erwerben. Die Anzahl der Anhaltspunkte dafür liege aber auf weit niedrigerem Niveau als früher und sei in den letzten Monaten "noch deutlicher" zurückgegangen als in den beiden Jahren zuvor, sagte eine Sprecherin des Bundesamtes gegenüber t-online.de.

Verstoß gegen das Atomabkommen?

Die UN-Sicherheitsratsmächte und Deutschland hatten 2015 mit dem Iran ein Atomabkommen ausgehandelt, um das Mullah-Regime daran zu hindern, nukleare Waffen zu entwickeln und zu bauen. Denn seit Beginn der 2000er Jahre trieb die Islamische Republik den Aufbau einer Nuklearstreitmacht voran – einschließlich eines Projekts zur Anreicherung von Uran von drei auf über 90 Prozent, also waffenfähig.

Das Abkommen sieht vor, dass der Iran auf derlei Bestrebungen verzichtet. Im Gegenzug wurden Wirtschaftssanktionen gelockert. US-Präsident Donald Trump hatte allerdings vor Kurzem den Rückzug der USA aus dem Deal verkündet.

Bislang sind die Anhaltspunkte, dass der Iran weiter an der Entwicklung von nuklearen Massenvernichtungswaffen arbeitet, aus Sicht der deutschen Dienste noch nicht beweiskräftig genug, um als Verstoß gegen das Atomabkommen gewertet zu werden. Auch die Internationale Atomenergiebehörde bescheinigt dem Iran regelmäßig, die Bestimmungen des Abkommens zu erfüllen.

Sorge bereitet den deutschen Ermittlern allerdings ein weiterer Aspekt der iranischen Spionage und Schmuggelaktivitäten in Deutschland. Denn zusätzlich zu seinem derzeit scheinbar zumindest weitgehend auf Eis gelegten Atomprogramm treibt der Iran seit 1977 sein Raketenprogramm voran. Das ist nicht von der aktuellen Vereinbarung betroffen – sehr zur Sorge Israels, das von der politischen Führung des Irans regelmäßig mit Vernichtung bedroht wird. Denn so steht weiter die Entwicklung kernwaffenfähiger Trägersysteme im Raum.

Zwar verbieten nationale wie internationale Embargovorschriften den einschlägigen Herstellerfirmen die Ausfuhr entsprechender Materialien nach Iran. Das ist sowohl Israel als auch den USA und europäischen Partnern aber eigentlich nicht genug – während der Iran in diesem Punkt kompromisslos bleibt.

"Einige Europäer sprechen darüber, unser defensives Raketenprogramm zu begrenzen", sagte jüngst Irans Oberster Führer, Ajatollah Khamenei, nachdem US-Präsident Donald Trump aus dem Atomabkommen ausstieg und Nachverhandlungen Thema wurden. "Ich sage den Europäern: Eine Begrenzung unseres Raketenwerks ist ein Traum, der niemals wahr werden wird."

Islamische Republik auf Einkaufstour

Es kann deswegen kaum verwundern, dass deutsche Nachrichtendienste iranische Aktivitäten feststellen: Deutschland ist seit der Jahrtausendwende der große und vielleicht weltweit wichtigste Supermarkt des Mullah-Regimes, wenn es um den illegalen Einkauf von Teilen für Massenvernichtungswaffen und deren Technologien geht.

Schon 2002 flog auf dem Frankfurter Flughafen der Export von 44 Halbleitermodulen nach Iran via Singapur auf. Zu verdanken war das der Aufmerksamkeit des Chefs einer hessischen Elektronikfirma und eines gerade 20-jährigen Zöllners. In den Jahren darauf versuchte Teheran, sich Teile für die Atomreaktoren in Busheer und Arak zu beschaffen – aber auch so genannte "Dual Use"-Produkte, die zivil wie militärisch nutzbar sind und genau so unter einem Exportverbot stehen: Turbinenteile, Drohnen-Motore und Hightech-Vakuum-Sinteröfen, in denen bei 3000 Grad feuerfeste Teile für Raketensteuerungen und Gefechtsköpfe produziert werden können.

2010 gingen Zollfahnder davon aus, dass in der Bundesrepublik rund 100 vor allem kleine Firmen aktiv waren, die nur einen Job hatten: Für Iran Produkte heimlich einzukaufen und die Teile über vorgetäuschte Abnehmer in Russland, Südafrika, Malaysia, China oder zuletzt Dubai in den Iran zu bringen. 2013 verurteilte das Oberlandesgericht Hamburg vier Geschäftsleute zu Haftstrafen, weil sie über Umwege wie diese Spezialventile zum Reaktorbau in den Iran lieferten.

Wieviel deutsche Materialien letztlich zum Aufbau des iranischen Atom- und Raketenprogramms eingesetzt wurden, ist aufgrund der Dunkelziffer illegaler Exporte kaum abzuschätzen.

Ist das alles seit den Unterschriften unter das Atomabkommen im Juli 2015 schlagartig vorbei? Oder hat US-Präsident Donald Trump doch recht, für den eine anhaltende Teheraner Beschaffungsaktivität vor wenigen Wochen Anlass für die Kündigung des Vertrags war?

Schwerpunkt sind nun Trägersysteme

Vieles deutet darauf hin, dass der Iran haarscharf meidet, bei der illegalen Beschaffung von Atom-Zulieferungen in Kollision mit dem Vertragstext zu geraten – aber massiv den Aufbau des zugehörigen Atomraketen-Arsenals betreibt.

"Iran unternahm weiterhin (...) Anstrengungen zur Beschaffung von Gütern und Know-how, um die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen und dazugehöriger Trägersysteme zu optimieren", hält das Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg in seinem aktuellen Bericht fest. Die dortige Forschung konzentriere sich derzeit auf den vertraglich nicht näher geregelten Komplex der Trägersysteme. Deswegen versuche das Regime schwerpunktmäßig Vakuum- und Steuerungstechnik, Messgeräte und weitere elektronische Ausrüstung zu beschaffen.

Bereits ein Jahr zuvor – im ersten Jahr des Atomvertrags mit Iran – hatte der Dienst in Baden-Württemberg Alarm geschlagen. Und detailliert geschildert, wie die iranischen Nachrichtendienste auf deutschem Boden vorgehen. Denn "Erzeugnisse aus baden-württembergischen Hightech-Schmieden und Know-how aus Hochschul-Forschungseinrichtungen" gerieten zwangsläufig in den Fokus, heißt es im Bericht über das Jahr 2016.

Für die ballistischen Trägersysteme seien beispielsweise "präzise arbeitende Fertigungsmaschinen" nötig. Eine solche habe der Iran über eine chinesische Exportfirma bei einem Hersteller im Südwesten ordern wollen. "Das baden-württembergische Unternehmen wurde von der Spionageabwehr darüber in Kenntnis gesetzt, das von einer Weiterlieferung nach Iran ausgegangen werden muss. Die Firma nahm daraufhin Abstand von dem Auftrag."

Auch in anderen Bundesländern beobachten die Verfassungsschutzämter weiter Spionage- und Schmuggelaktivitäten des Iran. In Nordrhein-Westfalen stellten die Ermittler im Jahr 2016 insgesamt 32 illegale Beschaffungsversuche fest. Das sei zwar ein "signifikanter Rückgang" gegenüber dem Vorjahr, als 141 solcher Versuche erfasst wurden. Die Versuche seien aber auch aktuell noch festzustellen und bereiteten Sorge, heißt es im NRW-Innenministerium. Die Nachfrage nach Gütern für das iranische Raketenprogramm bilde "die überwiegende Mehrheit der hier bekannt gewordenen Fälle". Das Landesamt habe deswegen viele Firmen geschult, illegale Kauf-Versuche zu erkennen. Auch das führe zu einem Rückgang der Zahlen.

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In Hessen befürchten die Behörden hingegen, dass unter anderem iranische Gastwissenschaftler an deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen in engem Kontakt zum heimatlichen Geheimdienst stehen könnten – und Informationen beispielsweise zum Einsatz von Zentrifugen im Prozess der Uranranreicherung weitergeben. Es gebe "immer wieder Verdachtsmomente, dass ausländische Nachrichtendienste eigene Gastwissenschaftler unter Druck setzen, um das gewünschte technische Know-how zu erlangen", heißt es im hessischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2016. Erst im März war eine umfangreiche iranische Hacker-Operation bekannt geworden, die auch deutsche Universitäten zum Ziel hatte.

Die Dienste in Bayern (2017) und Sachsen-Anhalt (2016) sprechen in ihren Berichten ebenfalls von fortgesetzten iranischen Bemühungen, "das konventionelle Waffenarsenal durch die Herstellung von Massenvernichtungswaffen zu ergänzen". Auffällig: Im aktuellen Bericht geht das Landesamt Sachsen-Anhalt nicht mehr detailliert auf den Iran ein.

Zollkriminalamt wird überraschend schweigsam

Und so wird es schwieriger, derzeit genaue Informationen darüber zu erhalten, wie umfangreich die Versuche Irans tatsächlich sind, Waffen und Technologien auf illegalem Weg zu erwerben. Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Atomvertrags, der eine intensive Prüfung der iranischen Aktivitäten vorsieht, weigert sich das Zollkriminalamt erstmals, öffentlich konkrete Fallzahlen seiner Ermittlungsverfahren mit Iran-Bezug zu nennen. Die Behörde in Köln ist zentral für Fahndung und Sicherstellung zuständig.

Es werde jedem Einzelfall nachgegangen, sagte eine Sprecherin des Zollkriminalamts gegenüber t-online.de. "Ich bitte jedoch um Verständnis, dass Auskünfte in diesem Kontext weder zu Fallzahlen noch zu personenbezogenen Daten von natürlichen oder juristischen Personen erteilt werden können."

Das war 2014, vor dem Vertragsabschluss, noch anders. Damals stellte Behördenchef Norbert Drude noch öffentlich fest: "Wir beobachten weiterhin strafbare proliferationsrelevante Beschaffungsaktivitäten." Zwei Drittel aller 264 Ermittlungsverfahren hätten in den beiden Vorjahren einen Bezug zum Iran gehabt. Für 2014 ging er von einer ähnlich hohen Zahl aus.

Warum sind derlei Auskünfte derzeit nicht möglich? Hat das politische Gründe?

Der junge Frankfurter Zöllner, der durch die Alarmierung von Bundeskriminalamt und Zollkriminalamt im Jahr 2002 den ersten großen Deal des Iran auffliegen ließ, hat jedenfalls schon damals die Zurückhaltung mancher Behördenchefs gegenüber den iranischen Schmuggelaktivitäten zu spüren bekommen. Statt Lob zu erhalten wurde er abgestraft: Weil er die Alarmierung von BKA und ZKA "an seinen Vorgesetzten vorbei" unternommen habe, wurde er aus dem Staatsdienst entlassen. Erst 2011 setzte er seine Wiedereinstellung vor einem obersten Bundesgericht durch.

Verwendete Quellen
  • eigene Recherchen
  • Bericht Verfassungsschutz Baden-Württemberg 2017
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