"Fetischismus für Haushaltsüberschüsse" Macron übt scharfe Kritik an Deutschland
Emmanuel Macron erhält für seine Vision von einem neuen Europa den Internationalen Karlspreis. Bei seiner Rede in Aachen wirft er den Deutschen vor, anderen EU-Staaten zu schaden.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hat Deutschland vorgeworfen, von Haushalts- und Handelsbilanzüberschüssen besessen zu sein. "In Deutschland kann es nicht einen ewigen Fetischismus für Haushalts- und Handelsüberschüsse geben, weil sie auf Kosten der anderen erzielt werden", sagte Macron, nachdem er in Aachen den Karlspreis für seine Verdienste um Europa erhalten hatte.
"Ich glaube an europäisches Budget"
Zugleich warb Macron erneut für einen eigenen Haushalt der Eurozone. "Ich glaube an ein viel ehrgeizigeres europäisches Budget. (...) Ich glaube an eine stärker integrierte Eurozone mit einem eigenen Haushalt", sagte er.
Macron wirbt für eine umfassende EU-Reform, die eine Annäherung der Mitgliedsländer in Haushaltsfragen voraussetzt. Bereits im vergangenen Jahr hatte der französische Staatschef die ehrgeizigen Pläne für eine Reform der Währungsunion vorgestellt, die unter anderem einen gemeinsamen Haushalt der Eurozone sowie einen europäischen Finanzminister vorsahen. Die Bundesregierung reagierte verhalten.
Anlässlich der Vorstellung der neuen Steuerschätzung hat der neue Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) deutlich gemacht, dass er am Ziel der schwarzen Null festhält. Auch innerhalb der Europäischen Union kämpft Deutschland für den Vorrang der Haushaltssanierung vor Investitionen und drang bei hoch verschuldeten Mitgliedstaaten wie Griechenland immer wieder auf eine rigide Sparpolitik.
Kritik an Merkels Kurs
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat Merkel vorgeworfen, Reformvorschläge für eine stärkere Zusammenarbeit in Europa schuldig zu bleiben. Merkel habe erneut eine Gelegenheit verpasst, "eine konkrete Antwort auf die konkreten Vorschläge von Macron zu geben", kritisierte Lindner am Donnerstag via Twitter mit Blick auf Merkels Laudatio zur Verleihung des Karlspreises an Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron in Aachen.
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Merkel hatte zwar in der Rede auf den Koalitionsvertrag von Union und SPD verwiesen, der einen neuen "Aufbruch für Europa" vorsieht und betont, Europa müsse sein Schicksal wegen der Krisen in der Welt und Entfremdung zu den USA selbst in seine Hand nehmen. Aber bis hin zum zurückgetretenen SPD-Chef Martin Schulz, der das Europakapitel im Koalitionsvertrag mit Merkel ausgehandelt hatte, wächst die Kritik, dass die Regierung Antworten auf Macrons Reformideen für eine vertiefte Zusammenarbeit in Europa bisher schuldig bleibt.
Schulz sieht ein Bremsen der Regierung. "Das gilt vor allem für die CDU- und CSU-Kollegen und Angela Merkel", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Merkel kündigte ein Konzept bis Juni an. Während sie in ihrer Rede den in Aachen anwesenden Schulz nicht erwähnte, würdigte Macron Martin Schulz und dessen Einsatz für Europa. Macron betonte: "Wir dürfen nicht warten, wir müssen jetzt etwas tun."
- afp, dpa