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Ampel im Richtungsstreit: Was die Wirtschaft erwartet


Wirtschaftspolitik
Ampel im Richtungsstreit: Was die Wirtschaft erwartet

Von dpa
Aktualisiert am 04.11.2024Lesedauer: 3 Min.
Ampel im Richtungsstreit: Was die Wirtschaft erwartetVergrößern des Bildes
Die Ampel-Regierung streitet über eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik. (Archivbild) (Quelle: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa/dpa-bilder)
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Deutschland steckt in einer Konjunkturkrise. Die Wirtschaft fordert grundlegende Entscheidungen. Aber die Ampel ist zerstritten.

Die Stimmung in der Wirtschaft ist im Keller, die Konjunktur in Deutschland kommt nicht in Schwung – und die zerstrittene Ampel-Koalition sucht nach Lösungen. Die FDP läutet am Montag die nächste Runde der separaten Gipfel ein. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner sowie Fraktionschef Christian Dürr haben Verbände zu einem "wirtschaftspolitischen Spitzengespräch" eingeladen.

Am Montag und Dienstag sind nach Angaben aus Regierungskreisen auch Dreierrunden von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angesetzt. Am Mittwoch ist zudem ein Koalitionsausschuss geplant.

Video | Scholz und Lindner führen Krisengespräch im Kanzleramt
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Quelle: dpa

"Deutschland steht in diesem Herbst vor einer Richtungsentscheidung", sagte Dürr der Deutschen Presse-Agentur. "Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt muss jetzt den Turnaround schaffen." Deutschland haben jedes Potenzial, wieder zu Wachstumsstärke zurückzukommen. "Die Frage, die sich jetzt noch stellt, ist: Haben wir den Mut zu großen Reformen? Wir brauchen Ergebnisse, die effektiv in den Betrieben ankommen, damit wieder investiert wird."

Lindner fordert in einem Grundsatzpapier eine Neuausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Das heizt den Richtungsstreit in der Koalition mit SPD und Grünen weiter an. Die Wirtschaft hat hohe Erwartungen an die Bundesregierung.

Schwierige wirtschaftliche Lage

Für 2024 wird das zweite Rezessionsjahr in Folge erwartet. Deutschland hinkt anderen großen Wirtschaftsnationen hinterher. Am schlechtesten von allen Wirtschaftszweigen sei die Lage in der Industrie, ergab eine Konjunkturumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Sinnbildlich steht die Krise bei VW, wo es um Werksschließungen und Job-Abbau geht.

Kanzler Scholz kündigte nach einem Industriegipfel an, mit einem "Pakt für die Industrie", der sehr konkrete Maßnahmen umfasse, solle der Standort gestärkt werden. Welche Maßnahmen das sein sollen, sagte Scholz aber nicht. Am 15. November soll es weitergehen. Die FDP veranstaltete am Tag des ersten Industriegipfels eine Art Gegengipfel mit Wirtschaftsverbänden, die nicht bei Scholz eingeladen waren. Die separaten Gipfel sorgten für Kritik und Kopfschütteln.

Wirtschaft will schnelle Entscheidungen

Die Erwartungen der Wirtschaft sind klar: Es muss sich etwas tun – und zwar schnell. "Die Wirtschaft braucht jetzt beides, rasche Entscheidungen für schnell wirksame Maßnahmen und zugleich tiefgreifende Strukturreformen, die jetzt eingeleitet werden müssen", sagte Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie. "Es ist allerhöchste Zeit, das Ruder für die Industrie am Standort Deutschland herumzureißen." Scholz sei verantwortlich, eine gemeinsame Linie der Bundesregierung für mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu entwickeln.

Unternehmen entlasten

Zuallererst müsse die Regierung ihre Wachstumsinitiative zügig und ohne Abstriche umsetzen. Das reiche aber nicht aus, so Gönner. Noch in dieser Legislatur müssten drei weitere Sofortmaßnahmen kommen, um die Unternehmen bei den Energiekosten zu entlasten und ihre Wettbewerbsfähigkeit insgesamt zu steigern.

Gönner nennt eine Kofinanzierung der Netzentgelte aus dem Bundeshaushalt, ein neues "Strommarktdesign", um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und Impulse für Investitionen zu setzen, sowie eine weitere deutliche Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen. 

Auch andere Verbände fordern seit langem vor allem niedrigere Energiepreise, mehr Investitionen in die Infrastruktur und weniger Bürokratie und Regulierungen. "Immer neue Berichtspflichten haben die Verwaltungskosten der Unternehmen in unverantwortliche Höhen getrieben", sagte Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbands Die Familienunternehmer.

Forderung nach Klarheit

Die Krise sei nicht nur konjunkturell, sondern habe handfeste strukturelle Ursachen, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Martin Wansleben. "Die Unternehmen brauchen dringend mehr Klarheit in Bezug auf die Verbesserungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hierzulande. Die Bundesregierung muss endlich liefern." Es werde Zeit, dass der Beschleunigungspakt mit den Ländern endlich richtig umgesetzt werde. Gleiches gelte für die Wachstumsinitiative mit ihren 49 Einzelmaßnahmen.

Wachstumsinitiative noch nicht umgesetzt

Im Juli hatte die Bundesregierung die Wachstumsinitiative angekündigt. Geplant sind zum Beispiel Verbesserungen bei Abschreibungen von Investitionen, der Abbau von Bürokratie und mehr Anreize für Arbeit. Beim umstrittenen Lieferkettengesetz soll es Entlastungen für Firmen geben.

Nach Einschätzung der Regierung könnte das Paket im nächsten Jahr zu einem zusätzlichen Wachstum von mehr als einem halben Prozent führen. Aber von der Wachstumsinitiative ist noch nichts umgesetzt, viele Maßnahmen sind bisher nicht einmal vom Kabinett auf den Weg gebracht worden. Bei zentralen Punkten wie steuerlichen Verbesserungen muss der Bundesrat zustimmen. Weil es Steuermindereinnahmen auch für die Länder geben soll, werden harte Verhandlungen erwartet.

Offen ist auch, wie Maßnahmen etwa zur Senkung der Stromkosten finanziert werden sollen. Scholz sprach sich für einen milliardenschweren Bundeszuschuss zu den Netzentgelten aus. Das Geld könnte aus eigentlich vorgesehen Fördermitteln für Intel kommen. Der kriselnde Chipkonzern hatte den Bau eines Werks in Magdeburg verschoben. Lindner könnte die Intel-Milliarden aber gut gebrauchen, um Lücken im Haushalt 2025 zu schließen. Bald dürfte es Entscheidungen geben: Mitte November sind die entscheidenden Beratungen zum Haushalt.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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