Landtagswahl CDU wird in Sachsen stärkste Kraft
Die CDU hält die AfD in Sachsen auf Distanz. Ministerpräsident Kretschmer sieht seine Partei in der Lage, eine Regierung zu bilden - doch einfach wird das nicht.
Knapper Sieg nach langem Zittern: Die CDU hat die Landtagswahl in Sachsen gewonnen - vor der zweitplatzierten AfD. Nach Auszählung aller Stimmen legt die AfD gegenüber der Wahl von 2019 zwar deutlich zu, kann die leicht verlierende Union aber nicht überrunden.
Die Regierungsbildung könnte dennoch schwierig werden, denn mit der AfD will keine der übrigen Parteien zusammenarbeiten. Und für eine Neuauflage von Kretschmers derzeitigen Koalition aus CDU, Grünen und SPD reicht es nach dem vorläufigen Ergebnis des Landeswahlleiters nicht.
Auf dem dritten Platz landet das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), mit Abstand folgt die SPD. Die Grünen schaffen es knapp ins Parlament. Die Linke liegt unter der Fünf-Prozent-Hürde. Allerdings gewann sie zwei Direktmandate in Leipzig, so dass sie trotzdem entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis im Landtag vertreten sein wird.
BSW auf Anhieb zweistellig
Die CDU kam auf 31,9 Prozent (2019: 32,1 Prozent). Die AfD liegt mit 30,6 Prozent (27,5) knapp dahinter. Das BSW erreichte aus dem Stand 11,8 Prozent. Die SPD landete bei 7,3 Prozent (7,7). Die Linke rutschte dramatisch ab auf 4,5 Prozent (10,4).
Die Grünen bekamen 5,1 Prozent (8,6). Die FDP verpasste mit nur 0,9 Prozent (4,5) erneut den Einzug in den Landtag - wie schon bei den vergangenen zwei Landtagswahlen.
Die vom sächsischen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD bekommt 41 Sitze im Landtag (38), die CDU 42 Mandate (45). Das BSW stellt 15 Abgeordnete. Die SPD erhält 9 Sitze (10), die Grünen kommen auf 6 Sitze (12), ebenso wie Die Linke (14). Die Freien Wähler, die 2,3 Prozent erhielten, sind mit einem Abgeordneten im Parlament vertreten, der ein Direktmandat gewann.
Zur Abstimmung aufgerufen waren etwa 3,3 Millionen Bürger. Die Wahlbeteiligung lag bei 74,4 Prozent - so hoch wie noch nie bei einer Landtagswahl im Freistaat.
Kretschmer erwartet schwierige Regierungsbildung
Ministerpräsident Kretschmer sieht seine Partei in der Lage, weiter die Regierung im Land zu bilden. "Das wird alles nicht einfach", sagte er auf der Wahlparty der CDU. "Aber eins gilt: Mit vielen Gesprächen und dem Willen, etwas für dieses Land zu tun, kann es gelingen, mit diesem Wahlergebnis Sachsen eine stabile Regierung zu geben, die dem Land dient und mit Demut vorangeht." Die CDU stehe bereit, weiter Verantwortung für dieses Land zu übernehmen.
CDU könnte auf BSW angewiesen sein
Seit der Wiedervereinigung hat die CDU stets den Regierungschef in Sachsen gestellt - zuletzt regierte Kretschmer seit 2019 in einer Koalition mit Grünen und SPD. Für eine Fortsetzung des Bündnisses reicht es nicht. Rechnerisch möglich wäre eine Unterstützung der CDU durch das BSW und die SPD.
Aber: BSW-Chefin Wagenknecht war einst SED-Mitglied und galt später als Ikone der kommunistischen Plattform in der Linken - was etlichen CDU-Politikern Bauchschmerzen macht. Eine Koalition wäre dennoch möglich, denn nach einem Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU darf die Partei weder mit der AfD noch mit der Linken koalieren - zum BSW, das sich von der Linken abgespalten hat, gibt es aber keine Festlegung.
Die Grünen hatten CDU und SPD vor der Wahl vorgeworfen, sich auf eine gemeinsame Minderheitsregierung vorzubereiten. CDU und SPD haben in Sachsen schon drei Mal koaliert.
AfD hat CDU in Sachsen schon mehrmals geschlagen
Die AfD hatte die Union in Sachsen auch schon bei Wahlen geschlagen: bei zwei Bundestagswahlen und einer Europawahl. Da sie nun nach dem vorläufigen Ergebnis gerade so mehr als ein Drittel der Landtagsmandate gewonnen hat, hat sie voraussichtlich eine sogenannte Sperrminorität: Bei Entscheidungen und Wahlen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, bedarf es der Zustimmung der AfD. So werden etwa die Verfassungsrichter vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit gewählt.
Die AfD-Bundesvorsitzende Alice Weidel wertete den Ausgang der Wahlen in Thüringen und Sachsen als historischen Erfolg für ihre Partei. Zugleich sei es eine Abstrafung der Ampel-Regierung im Bund, sagte Weidel in der ARD. Sie kritisierte zudem die Haltung der CDU, eine Koalition mit der AfD auszuschließen. "Das ist natürlich die pure Ignoranz des Wählerwillens", sagte Weidel. Ohne die AfD sei eine stabile Regierung überhaupt nicht mehr möglich.
BSW-Spitzenkandidatin zeigt sich zufrieden
Die sächsische BSW-Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis. "Wir sind zweistellig, und wir haben das Ergebnis der Europawahl gehalten. Da können wir stolz drauf sein, und das sind wir auch", sagte sie in der ARD. Mit dem BSW müsse sich die Politik verändern, ganz spürbar auch für die Bürgerinnen und Bürger. "Und das in kurzer Zeit." Im ZDF erteilte sie einer möglichen Koalition mit der AfD erneut eine Absage. Stattdessen blicke die Partei auch auf die Christdemokraten.
Die SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping äußerte sich erleichtert über das Abschneiden ihrer Partei. "Ich bin natürlich auch genauso froh wie ihr, dass wir diesen wirklich harten Wahlkampf, den wir in den letzten Monaten, ich würde fast sagen Jahren, geführt haben (...), dass wir doch so abgeschnitten haben bei allen Prognosen", sagte sie.
Grünen-Chef Omid Nouripour sah am Abend zunächst die Chance auf eine weitere Regierungsbeteiligung seiner Partei in Sachsen. Die Koalition dort habe gut gearbeitet, sagte er in der ARD. "Auch wenn der Ministerpräsident die letzten zwei Jahre eigentlich gegen die eigenen Leute die ganze Zeit Wahlkampf gemacht hat."
Scharfe Töne vor der Wahl
Der Wahlkampf war aufgeheizt. Ein Streitpunkt war der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und Deutschlands Rolle als Kiews Verbündeter und in der Nato. So sagte Wagenknecht, für eine BSW-Beteiligung an einer Regierung müsse diese sich klar gegen die Stationierung weitreichender US-Raketen in Deutschland aussprechen.
Zusätzliche Schärfe in die Debatte über Asyl und Migration brachte der Anschlag von Solingen mit drei Todesopfern, für den die Bundesanwaltschaft einen mutmaßlich islamistischen Syrer verantwortlich macht, der als Flüchtling nach Deutschland kam.
- Nachrichtenagentur dpa