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Innenministerkonferenz in Potsdam: Abschiebungen nach Afghanistan?


Innere Sicherheit
Innenminister beraten über Abschiebungen

Von dpa
Aktualisiert am 19.06.2024Lesedauer: 5 Min.
Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung für AsylbewerberVergrößern des Bildes
Bei der Innenministerkonferenz geht es auch um die umstrittene Forderung, wieder nach Syrien und Afghanistan abzuschieben. (Quelle: Patrick Pleul/dpa/dpa-bilder)

Straftäter sollen auch nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden. Dafür machen sich die Innenminister bei ihrer Konferenz in Potsdam stark. Flüchtlings-Initiativen protestieren.

Nach zwei tödlichen Messerangriffen bestimmt die Migrations- und Asylpolitik die Innenministerkonferenz (IMK) in Potsdam. Bei dem heute beginnenden Treffen geht es auch um die umstrittene Forderung, Schwerkriminelle und islamistische Gefährder nach Syrien und Afghanistan abschieben zu können.

Der Vorsitzende der IMK, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), verlangt von der Bundesregierung, es müssten nach der Ankündigung nun "Fakten" folgen. Stübgen hält auch Verhandlungen mit den in Afghanistan herrschenden Taliban für vertretbar. Zudem habe sich die Sicherheit in Syrien verbessert, argumentiert er. Auch Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) wirbt für Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien.

"Wer hier schwere Straftaten begeht, muss das Land verlassen, auch wenn er beispielsweise aus Afghanistan kommt", sagte der Sprecher der SPD-geführten Länder in der IMK der dpa. Hier wiege das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das Schutzinteresse des Täters.

Habeck für Abschiebung von Terroristen und Gefährdern

Vizekanzler Robert Habeck befürwortet die Abschiebung von Terroristen und Gefährdern. Diese und auch Mörder könnten sich nicht auf den Schutz des Landes berufen, dessen Ordnung sie mit Füßen träten, sagte der Grünen-Politiker.

"Das heißt also im Klartext, dass ich denke, dass jemand wie der Täter des Polizistenmordes verurteilt werden muss, seine Strafe verbüßen muss und dann abgeschoben werden kann und abgeschoben werden sollte", sagte Habeck mit Bezug auf die Gewalttat von Mannheim. "Wie das im Detail geht, das prüft die Innenministerin und das ist gut, dass sie es prüft."

Messerangriffe in Wolmirstedt und Mannheim

Ein Afghane wurde in Wolmirstedt nicht weit von Magdeburg entfernt von Beamten erschossen. Er soll einen 23-jährigen Landsmann erstochen und dann auf einer privaten EM-Gartenparty mehrere Menschen verletzt haben. In Mannheim hatte am 31. Mai ein Afghane fünf Mitglieder der islamkritischen Bewegung Pax Europa sowie einen Polizeibeamten mit einem Messer verletzt. Der Polizist starb.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte anschließend angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und sogenannten Gefährdern nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen zu wollen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser prüft, wie das auch ohne eine Wiederaufnahme von Beziehungen zu den regierenden Taliban in Afghanistan beziehungsweise der Regierung von Syriens Präsident Baschar al-Assad funktionieren könnte.

Faeser will über vertrauliche Gespräche berichten

Faeser will ihre Länderkollegen in Potsdam darüber informieren, wie weit die Bemühungen ihres Hauses gediehen sind. "Wir verhandeln vertraulich mit verschiedenen Staaten, um Wege zu eröffnen, über die Abschiebungen nach Afghanistan wieder möglich werden", sagte die SPD-Politikerin der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Bereits zuvor hatte sie über entsprechende Anstrengungen ihres Ministeriums berichtet. Was Afghanistan betrifft, gibt es dazu inzwischen Kontakte zu den Behörden in Usbekistan. Auch für Syrien gelte, "wir reden mit Nachbarländern", sagt sie.

Brief an Scholz: NGOs gegen ausgelagerte Asylverfahren

Vor der IMK haben sich indes über 300 Organisationen in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie die Ministerpräsidenten der Länder gewandt und gegen Asylverfahren in Drittstaaten ausgesprochen.

"Bitte erteilen Sie Plänen zur Auslagerung von Asylverfahren eine klare Absage", fordern die Verfasser in dem veröffentlichten Brief. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Amnesty International Deutschland, Ärzte ohne Grenzen und Pro Asyl.

Die Verfasser des Briefs argumentieren, Aufnahme und Teilhabe funktioniere, wenn alle an einem Strang zögen. "Pläne, Flüchtlinge in außereuropäische Drittstaaten abzuschieben oder Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen, funktionieren hingegen in der Praxis nicht, sind extrem teuer und stellen eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar."

Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) fordert den umgehenden Stopp des Bundesaufnahmeprogramms für gefährdete Menschen aus Afghanistan. Mehrere Länder verlangen eine Verschärfung des Waffenrechts und eine Ausweitung von Waffenverbotszonen. Auch Faeser will das Waffenrecht erneut reformieren. Einige ihrer Vorschläge stoßen jedoch auf Widerstand des Koalitionspartners FDP.

Asylverfahren in Drittstaaten: Innenministerium verweist auf EU-Rahmen

Die von einigen Politikern geforderte Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten muss nach Auffassung des Bundesinnenministeriums auch im europäischen Kontext betrachtet werden. Die Umsetzung der auf EU-Ebene beschlossenen Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) habe "höchste Priorität für uns", sagte der Sprecher des Ministeriums, Maximilian Kall, in Berlin. Die GEAS-Reform setze auch einen Rahmen für Vereinbarungen mit Staaten außerhalb der Europäischen Union.

Die Bundesregierung hatte mit den Bundesländern im November vereinbart, die Möglichkeit von Asylverfahren außerhalb der EU zu prüfen. In einem Beschluss baten die 16 Länderchefs die Ampel-Regierung in Berlin, bei der nächsten Bund-Länder-Konferenz an diesem Donnerstag dazu erste Ergebnisse vorzulegen. Betrachtet wurde unter anderem das sogenannte Ruanda-Modell. Das sieht vor, Asylsuchende von Großbritannien nach Ruanda zu bringen, wo sie ein Asylverfahren durchlaufen und dann gegebenenfalls auch Schutz erhalten sollen. Beschäftigt hat sich das Ministerium auch mit den noch nicht in der Praxis erprobten Plänen Italiens, das bestimmte Bootsmigranten nach Albanien bringen will, wo sie ein Asylverfahren in italienischer Regie durchlaufen sollen.

Flüchtlings-Organisationen wollen demonstrieren

Flüchtlings-Organisationen wollen morgen während der IMK in Potsdam gegen eine verschärfte Migrationspolitik protestieren. "Geflüchtete Menschen brauchen Schutz - keine rassistische Hetze", heißt es in einem Appell.

Die Länder verlangen darüber hinaus weitere Anstrengungen, um irreguläre Migration einzudämmen. Sie sehen vor allem Faeser in der Pflicht, auch was weitere Abkommen mit Herkunftsländern angeht, die bei der Rücknahme ausreisepflichtiger Staatsbürger aus Deutschland bislang schlecht oder gar nicht kooperieren.

"Bislang zögert der Bund noch immer, sich um Migrationsabkommen mit den für Rückführung wirklich bedeutsamen Herkunftsländern wie zum Beispiel Ägypten, Elfenbeinküste, Gambia zu kümmern", kritisierte Zieschang. Der Bund müsse Gespräche mit diesen Staaten führen, damit diese bei der Identifizierung, Passersatz-Erteilung und Rückführung ihrer Staatsangehörigen künftig kooperierten.

Unionsfraktion will über Drittstaatenlösung abstimmen lassen

Die Unionsfraktion will die Einführung von Asylverfahren in Drittstaaten im Bundestag zur Abstimmung stellen. Die Ampel-Regierung von SPD, Grünen und FDP solle aufgefordert werden, "Gespräche zwischen der EU und Ruanda sowie weiteren Drittstaaten anzustoßen, um mit diesen Staaten über die Implementierung eines Drittstaatsmodells zu verhandeln", heißt es in dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Papier. Zuerst hatte das "Handelsblatt" über den Antrag berichtet.

In dem Antragsentwurf heißt es weiter, mit sicheren Drittstaaten solle "eine umfassende Partnerschaft auf Augenhöhe begründet werden", die sich nicht auf eine Zusammenarbeit bei der Migration beschränke, sondern auch die Kooperation im Bereich der Wirtschaft, des Handels, der Sicherheit und gegebenenfalls der Entwicklungszusammenarbeit umfasse.

Bis zur Einführung eines Drittstaatenmodells sollten kurzfristig wirksame Maßnahmen zur signifikanten Verringerung der irregulären Migration nach Deutschland durchgesetzt werden, verlangt die Unionsfraktion weiter. So sollten bis zu einem funktionierenden Schutz der EU-Außengrenzen Kontrollen an den Binnengrenzen möglich bleiben. Diese müssten "prinzipiell mit der Zurückweisung von Personen verbunden werden, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des Schengen-Raums bereits Aufnahme gefunden haben oder die einen Asylantrag auch in einem Staat, aus dem sie einreisen wollen, stellen können".

Strafverschärfung nach Angriffen auf Politiker gefordert

Bei ihrer dreitägigen Konferenz wollen die Landesinnenminister mit Faeser auch über das Vorgehen gegen Extremisten und eine mögliche Strafverschärfung bei Angriffen auf Politiker beraten. Die Ergebnisse werden am Freitag vorgestellt. Als Folge zunehmender Bedrohungen und Angriffe auf Politiker und Wahlkämpfer schlagen Innenminister vor, das Strafrecht zu verschärfen.

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Das Bundesjustizministerium bewertet dies jedoch skeptisch. Brandenburgs Ressortchef Stübgen sagte: "Wenn jemand einen Politiker angreift, und das sind auch ehrenamtliche Politiker, greift er das gesamte System an." Vor den Europa- und Kommunalwahlen hatten sich Angriffe auf Politiker gehäuft. Der Dresdner SPD-Politiker Matthias Ecke war im Mai brutal zusammengeschlagen worden.

Mehr Investitionen in Bevölkerungsschutz angemahnt

Angesichts einer veränderten Bedrohungslage seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine steht auch eine Stärkung des Bevölkerungsschutzes auf der Tagesordnung der IMK. Die Länder nannten einen Investitionsbedarf von zehn Milliarden Euro in zehn Jahren, um die Bevölkerung vor Katastrophen und Krisen besser schützen zu können.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verlangt von der Bundesregierung rasch ein neues, umfassendes Konzept zum Zivil- und Katastrophenschutz. Die Länder sind für den Katastrophenschutz zuständig, der Bund trägt die Verantwortung für den Zivilschutz im Verteidigungsfall.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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