Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Merz als Wunschgegner? Der vergiftete Wunsch des Olaf Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz wünscht sich Friedrich Merz als Gegner im Kampf ums Kanzleramt. Ist Merz also der Falsche? Ein paar Gedanken gegen den Strich.
Im Krieg, sagt man, ist das erste Opfer die Wahrheit. Im Wahlkampf ist das nicht viel anders. Keine Äußerung zwischen den Kontrahenten sollte da einfach so für bare Münze genommen werden. Deshalb ist es auch hochgradig naiv, die Äußerung von Bundeskanzler Olaf Scholz, er wünsche sich Friedrich Merz als seinen Herausforderer, einfach so eins zu eins zu nehmen. In dieser Aussage ist viel Taktik, vor allem aber schmeißt der Amtsinhaber einen giftigen Knochen über den Zaun auf den Rasen der Union. Es lohnt sich (und ist dringend geboten), bei solchen Aussagen etwas dialektischer zu denken.
Scholz und seine Berater lesen auch Zeitung (und Nachrichtenportale) und wissen ganz genau, dass die Ambitionen mindestens eines Hendrik Wüst und eines Markus Söder auf die Kanzlerkandidatur immer noch da sind. Und dass hinter diesen beiden Konkurrenten von Friedrich Merz auch Truppen in der Union stehen. Wenn Scholz jetzt also sagt, am liebsten wäre ihm Merz, dann gibt er damit von außen Hefe in den Gärprozess innerhalb der Union. Erst recht, weil er seit dem für Merz ziemlich erfolgreichen Bundesparteitag vergangene Woche sieht, dass der innerparteiliche Gärprozess bislang für den Parteivorsitzenden mit Kanzlerwunsch sehr gut verlaufen ist.
Die Defizite des Friedrich Merz
Natürlich hat Merz, wie jeder andere denkbare Kandidat auch, seine Defizite. Seine Impulsivität und Empfindsamkeit machen ihn immer wieder anfällig für unbedachte Aktionen. Außerdem kann er sich in der Tat nicht als die junge Alternative zum amtierenden Kanzler präsentieren.
Und doch ist Merz nach Lage der Dinge der gefährlichste Kontrahent für Scholz. Nach bald 30 Jahren Schröder/Merkel/Scholz stände für die Wählerinnen und Wähler in Deutschland in ihm und mit dem neuen Grundsatzprogramm erstmals wieder eine wirklich bürgerlich-konservative Alternative zur Wahl. Eine CDU, die wieder weiß, wer und was sie ist und wo sie steht mit einem Kandidaten, nach dessen Bild dieser neue alte politische Ort geformt und eingenommen ist. Wahlkampfstrategen sagen in solchen Fällen: Programm und Kandidat passen zusammen. Eine wichtige, nein: die wichtigste Voraussetzung für einen Wahlsieg. Peer Steinbrück, gescheiterter Kanzlerkandidat der SPD, hat erfahren, was passiert, wenn das nicht so ist.
Wer sich eine geistig-moralische Wende (so hieß das beim letzten wirklichen CDU-Kanzler Helmut Kohl) ohne Ressentiments und Rassismus wünscht, der ist mit seinem Kreuz bei der Union und für einen Kanzlerkandidaten Friedrich Merz ganz gut bedient. Und hat den derzeitigen Umfragen zufolge auch noch eine ganz gute Aussicht, das zu bekommen, was er oder sie sich wünscht. Wenn der Eindruck nicht trügt, treibt genau dieser Wunsch viele Menschen derzeit um in Deutschland. Der Wunsch nach dem, was Wahlkampfstrategen einen Politikwechsel nennen.
Wo liegt mehr Bodengewinn?
Die Frage, die sich die Wahlkämpfer der Union stellen müssen, ist doch eine ganz einfache: Bekommen wir mehr Zuwachs, wenn wir wie bei und mit Angela Merkel nach links auslegen, also abermals die berühmte asymmetrische Demobilisierung betreiben (die, nebenbei bemerkt, für die pluralistisch-demokratischen Grundfesten dieses Landes fürchterliche Folgen hatte), oder holen wir mehr, wenn wir uns gegen Links-Grün deutlich abgrenzen?
Diese Frage haben der Oberwahlkämpfer Carsten Linnemann als Generalsekretär und seine Leute erkennbar beantwortet. Sie liegen richtig damit. Und können die Einlassungen des amtierenden Bundeskanzlers mit allem Recht als Bestätigung begreifen.
- Eigene Überlegungen