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Gas- und Energiekrise: Bundestag genehmigt Ausnahme von der Schuldenbremse


Gas- und Strompreiskrise
Bundestag genehmigt erneut Ausnahme von der Schuldenbremse

Von dpa, afp, lw

Aktualisiert am 21.10.2022Lesedauer: 4 Min.
Der Bundestag genehmigt eine Ausnahme von der Schuldenbremse.Vergrößern des Bildes
Der Bundestag genehmigt eine Ausnahme von der Schuldenbremse. (Archivbild) (Quelle: imago-images-bilder)

Es geht um 200 Milliarden Euro für eine außergewöhnliche Notsituation: Der Bundestag hat eine Ausnahme der Schuldenbremse beschlossen. Das missfällt der Opposition.

Der Bundestag hat zur Finanzierung der geplanten Gas- und Strompreisbremsen erneut eine Ausnahme der Schuldenbremse genehmigt. Damit ermöglichte er dem Bund am Freitag, zusätzliche Kredite in Höhe von 200 Milliarden Euro aufzunehmen. Ein solcher Beschluss ist nur in außergewöhnlichen Notsituationen möglich.

Die Schuldenbremse ist im Grundgesetz verankert und schreibt vor, dass der Bundeshaushalt ohne größere Kredite auskommen soll. Es gibt allerdings einen kleinen Spielraum von 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung. In konjunkturell schlechten Zeiten dürfen noch etwas mehr Schulden gemacht werden. Doch auch diese Summe wird für die von der Bundesregierung geplanten Energiepreisbremsen voraussichtlich nicht ausreichen.

Seit Beginn der Corona-Krise 2020 hat das Parlament wiederholt hohe Kredite erlaubt. Zunächst ging es um Corona-Hilfen für Unternehmen und Bürger, inzwischen dagegen um die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine mit explodierten Energiepreisen und hoher Inflation. Die nun genehmigten Mittel sollen den Plänen der Bundesregierung zufolge bis 2024 ausreichen.

"Sie wollen einfach einen Geldsack haben"

Scharfe Kritik kam vor der Abstimmung von der Union. "Sie wollen einfach einen Geldsack haben, den wollen Sie in den Keller dieser Regierung stellen und dann erst wollen Sie überlegen, was Sie damit anfangen", sagte deren Finanzexperte Mathias Middelberg im Parlament. "Es ist Schwachsinn, was sie machen", kündigte er ein Nein der Union zu der Regierungsvorlage an.

CDU und CSU unterstützten zwar den Gedanken der Gaspreisbremse, würden aber der Regierung nicht "eine Blanko-Zusage über 200 Milliarden Euro" geben, sagte Middelberg. Deren Vorgehen sei auch "verfassungsrechtlich ausgesprochen fragwürdig".

"Das ist ein Paket von 200 Milliarden Euro, das Sicherheit in diesem Land gibt", sagte dagegen der SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. "Das, was Sie hier machen, ist verantwortungslose Oppositionspolitik", hielt er der CDU/CSU vor.

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"Schwächsten dieser Gesellschaft schützen"

Mit Blick auf Kritik am späten Starttermin für die Gaspreisbremse nicht vor März verwies der SPD-Politiker auf Überlegungen, ob neben der bereits vorgesehenen Einmalzahlung für Dezember "noch eine weitere Abschlagszahlung" möglich sei. Außerdem wolle die Regierung auch Menschen in den Blick nehmen, "die mit Pellets oder mit Öl heizen".

"Wir sorgen dafür, dass die Schwächsten dieser Gesellschaft geschützt werden", sagte auch der FDP-Haushälter Otto Fricke. Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen erhielten mit der Bereitstellung der Mittel bereits 2022 "Planungssicherheit".

Auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den von Russlands Machthaber Wladimir Putin geführten Energiekrieg als Ursache der Krise verwies der Grünen-Politiker Sebastian Schäfer. "Wir setzen mit den 200 Milliarden Euro ein klares Zeichen, dass wir der russischen Aggression trotzen", hob er hervor. Scharf verurteilte Schäfer die Zerstörung der ukrainischen Energieinfrastruktur durch Russland.

"Wir brauchen endlich eine Übergewinnsteuer"

Kritik an der erneuten Nutzung von Sondervermögen für den von der Regierung geplanten Abwehrschirm äußerte die Linken-Haushaltsexpertin Gesine Lötzsch. "Wir brauchen endlich eine Übergewinnsteuer" forderte sie, zudem müsse die Schuldenbremse auch für das kommende Jahr ausgesetzt werden. "Sie wollen uns die Katze im Sack verkaufen, und das wollen wir nicht akzeptieren", kritisierte Lötzsch.

Der AfD-Politiker Albrecht Glaser drängte erneut auf eine Wiederaufnahme von Gasimporten aus Russland. Er machte die Bundesregierung für Versorgungsengpässe und "exorbitante Preiserhöhungen" verantwortlich.

Der Bundesrechnungshof kritisiert, dass der Milliardentopf über mehrere Jahre bis 2024 genutzt werden soll. Das widerspreche dem Grundsatz der Jährlichkeit, der besagt, dass ein Bundeshaushalt immer für ein Jahr aufgestellt werde.

FDP verteidigt Entscheidung

FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigte den 200 Milliarden Euro schweren Abwehrschirm. Es sei sinnvoller, dieses Instrument zu wählen, statt den Bundeshaushalt für neue Schulden zu öffnen, sagte Dürr vor der Abstimmung des Bundestags am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin". "Ich halte das für zielgerichteter und finanzpolitisch mehr verantwortbar, als es über den allgemeinen Haushalt zu machen."

Dürr sagte, die 200 Milliarden Euro seien der Rahmen, den die Bundesregierung gesteckt habe. "Das Ziel ist ja, dass wir vielleicht unter 200 Milliarden liegen." Hätte die Ampelkoalition den Bundeshaushalt allgemein geöffnet und die Schuldenbremse außer Kraft gesetzt, wäre auf einmal Geld für alles Mögliche da und gäbe es Wunschkonzerte, was die Politik finanzieren solle. Dies wäre sehr viel teurer, sagte Dürr.

Regierung will Energiepreisbremsen und Unternehmenshilfen finanzieren

Mit dem Geld soll vor allem der zuletzt stark gestiegene Gaspreis gesenkt werden. Eine von der Regierung eingesetzte Kommission hat vorgeschlagen, dass der Bund die Dezember-Abschläge für alle deutschen Gaskunden übernimmt. Ab März könnte dann für Privatkunden eine Preisobergrenze für ein Grundkontingent von 80 Prozent des üblichen Verbrauchs greifen. Für Großkunden in der Industrie soll es schon ab Januar eine Preisbremse geben. Ob die Bundesregierung die Vorschläge genau so umsetzt, ist allerdings noch offen.

Der 200 Milliarden Euro starke "Abwehrschirm" soll auch helfen, den Strompreis zu drücken. Eigentlich soll eine Strompreisbremse durch die Abschöpfung hoher Gewinne von Stromunternehmen finanziert werden. Reicht das aber nicht aus, soll nach einem Koalitionsbeschluss "zeitlich begrenzt" das Sondervermögen genutzt werden. Der Rest der Kredite soll zur Unterstützung von Unternehmen genutzt werden, die durch Russlands Krieg in der Ukraine in Schwierigkeiten geraten.

Weitere Entlastungsmaßnahmen sollen aus dem 200-Milliarden-Topf nicht finanziert werden – das betonte zuletzt vor allem Finanzminister Christian Lindner. Er will so vermeiden, dass seine Kabinettskollegen allzu viele Finanzierungswünsche einreichen, die aus dem normalen Bundeshaushalt nicht zu stemmen sind.

Bericht: Scholz will Schuldenbremse auch 2023 aussetzen

Nach Informationen der "Welt am Sonntag" will Kanzler Scholz zudem auch im kommenden Haushaltsjahr die Schuldenbremse aussetzen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kündigte dies demnach in einer Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz in Hannover an.

Finanzminister Linder, der an der Sitzung ebenfalls teilgenommen hatte, hätte den Aussagen Weils nicht widersprochen. Gleichzeitig habe Lindner eingeschränkt, dass es sich dabei nicht um eine abgestimmte Haltung der Bundesregierung handle. Eine Entscheidung stehe noch aus.

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