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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Missglückter AKW-Auftritt Merz macht die Rechnung ohne Söder
Mit seinem Besuch im Atomkraftwerk Isar 2 wollte sich Bayerns Ministerpräsident Söder als Macher in der Krise präsentieren. Doch diesmal ging die Selbstinszenierung schief.
In Amsterdam gibt es jetzt ein Museum der besonderen Art. Das "Youseum" dient einzig und allein dem Zweck, dass sich die Besucher in ungewöhnlichen Kulissen optimal für ihre Instagram- und Facebook-Auftritte ablichten können.
Markus Söder wird ein solches Museum nie brauchen. Denn für den bayerischen Ministerpräsidenten ist Bayern ein einziges "Youseum", in dem er sich immer wieder hervorragend zu inszenieren weiß. Mit seinen idyllischen Panoramen und seinem meist strahlenden, weiß-blauen Himmel scheint das Bundesland wie geschaffen zu sein für den permanenten Drang zur Selbstdarstellung seines Landesvaters.
Und weil Söder ein Profi ist, gehen diese Auftritte selten schief. Genau das ist aber am Donnerstag passiert. Nur einen Tag, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit seinem Gasturbine-Gucken in Mülheim schon für einen Fremdschäm-Moment gesorgt hatte, legte Söder nach. Unter großem Presse-Tamtam und mit CDU-Chef Friedrich Merz an seiner Seite besuchte der CSU-Chef das Atomkraftwerk Isar 2 in Essenbach.
Ein durchschaubares Manöver
Es ist eines von drei noch in Betrieb befindlichen AKW in Deutschland, die zum Jahresende abgeschaltet werden sollen. Und fast so heiß wie seine Betriebstemperatur ist die Debatte darüber, ob es angesichts der Energiekrise noch länger betrieben werden sollte.
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Faktisch hat Söder bei seinem Auftritt nichts falsch gemacht. Er war vorher leicht zugeknöpft, wenn man vom obersten Knopf seines Hemdes absieht, hinterher aber auskunftsfreudig. Mit gebotenem Ernst verkündete er, Deutschland sei in einer "Energie-Notlage" und dass man deshalb alles Notwendige tun müsse, um diesen Winter und alle weiteren gut zu überstehen.
Solche markigen Sätze kennt man von den Ministerpräsidentenkonferenzen in der Corona-Krise, wo Söder bei der anschließenden Pressekonferenz nicht nur meist länger redete als die damalige Kanzlerin Merkel, sondern mit seinen gut vorbereiteten Aussagen auch öfter die Schlagzeilen bestimmte. Am Donnerstag sagte Söder noch, sein "Informationsbesuch" in Isar 2 habe – Überraschung! – die Erkenntnis gebracht, dass ein Weiterbetrieb möglich sei. Dann fügte der CSU-Chef noch hinzu, dass er und Merz ja schon immer für Kernkraft gewesen seien, im Gegensatz zur Ampel, die da rumlaviere.
Doch diesmal ist Söders Manöver allzu durchschaubar. Zum einen werden einige in Bayern noch in Erinnerung haben, wie Söder als Umweltminister sich einst gegen eine "Ewigkeitsgarantie" für Atomkraftwerke stellte. Er fuhr dem damaligen Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) in die Parade, weil dieser die Atomkraft als "Brückentechnologie" gefeiert hatte. Zum anderen muss, wer A (wie Atomkraft) sagt, auch E (wie Endlagersuche) sagen. Hier sträubt sich Söder mit Händen und Füßen dagegen, dass Bayern als Endlager in Frage käme. Es ist die bayerische Variante von Rosinenpickerei. Atomkraft für Bayern, aber den Müll bekommen die anderen.
Merz wirkte wie Söders Bodyguard
Nicht zuletzt kommt auch noch hinzu, dass Bayerns derzeitige Energieprobleme zum Teil auch hausgemacht sind. Die Verlegung von Stromtrassen wurde verschleppt, die Aufstellung von Windrädern verhindert. Von der CSU-Regierung.
Dieses Problem hat Friedrich Merz nicht. Der Ausstieg aus der Atomenergie, den viele Konservative ihrer CDU so wenig verziehen haben wie die Sozen der SPD die Einführung von Hartz IV, wurde von seiner einstigen Erzrivalin Angela Merkel durchgesetzt. Merz war damals gar nicht in der Politik. Deshalb scheint es auch sein Kalkül gewesen zu sein, dass er mit einem Besuch von Isar 2 die Wunde der Partei ein bisschen würde salben können.
Indes hatte Merz die Rechnung ohne Söder gemacht. Der hatte ihn schon bei seinem Arbeitsbesuch in Bayern im Januar leicht trottelig aussehen lassen, als Söder auf Instagram Fotos postete, die ihn als großen Welterklärer zeigten, während Merz wie ein Lehrling neben ihm stand.
Auch diesmal wirkte Merz, der bei der Pressekonferenz zunächst mit Sonnenbrille neben Söder gestanden hatte, eher wie ein Bodyguard des Ministerpräsidenten als wie der Vorsitzende der deutlich größeren Schwesterpartei.
Merz sollte sich merken, dass Bayern Söder-Terrain ist, das man für PR-Auftritte möglichst meiden sollte. Glänzen können wird er hier selbst dann nicht, wenn Söder patzt.
- Eigene Recherchen