"Nein, nein, nein, nein, nein ..." Ministerpräsident Kretschmann geht ZDF-Moderator an
Die Debatte über längere AKW-Laufzeiten erhitzt die Gemüter. Baden-Württembergs Ministerpräsident zeigt sich in einem ZDF-Interview sichtlich genervt.
Liegen bei Baden-Württembergs Ministerpräsident angesichts der Energiekrise die Nerven blank? In einem Interview im ZDF-"heute journal" am Montagabend zumindest versteckte Winfried Kretschmann seinen Ärger über eine Aussage des Moderators Christian Sievers nicht. Das Thema: Der mögliche Weiterbetrieb von Atomkraftwerken.
"Herr Kretschmann, Sie sind ja Politprofi", leitete Sievers seine Frage ein. "Wenn Sie jetzt bei einer klaren Ablehnung von verlängerten Atomkraftlaufzeiten bei den Grünen bleiben, dann ...". Weiter kam der Moderator nicht, da fiel Kretschmann ihm schon ungestüm ins Wort. "Nein, nein, nein ...", schrie er zunächst in die Kamera. Er wiederholte das Wort mehr als zehnmal. "Das habe ich nicht behauptet", rief er schließlich.
Kretschmann: Es macht keinen Sinn, zu spekulieren
"Also keine klare Ablehnung?", hakte der Moderator nach. Und bevor er seinen Satz zu Ende bringen konnte, unterbrach Kretschmann erneut mit einem mehrfachen "Nein" und rollte dabei sichtlich genervt mit den Augen. "Ich habe gesagt, weder die Grünen noch sonst eine demokratische Partei will zurück zur Atomkraft in Deutschland." Es gehe nur darum, ob man sie eine Zeit lang weiter laufen lasse. Das werde nun nüchtern und sachlich geprüft.
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Trotz des Ausbruchs des Ministerpräsidenten ließ der Moderator nicht locker: "Gut, aber durch Ihr sehr engagiertes 'Nein, nein, nein' gerade eben kann ich doch annehmen, dass diese Prüfung am Ende durchaus so ausfallen könnte, dass wir Ende des Jahres erst mal zumindest weiter auf Atomkraft auch setzen?"
Kretschmann musste sich daraufhin sichtlich zusammenreißen. Es folgte eine kurze Pause, dann antwortete er langsam: Man müsse auf das Ergebnis der Prüfung Ende August warten, dann erst werde eine Entscheidung fallen. "Es macht keinen Sinn, da jetzt rumzuspekulieren", so Kretschmann.
Streit über AKW-Laufzeiten
Erst Ende Juni hatte Kretschmann klargestellt, dass die Atomkraftwerke in Baden-Württemberg regulär vom Netz gehen sollen. Er übte heftige Kritik an den Forderungen des Koalitionspartners CDU. Die Partei in dem Bundesland hatte sich zuvor wegen der drohenden Energieknappheit in einem Positionspapier für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke in Deutschland ausgesprochen. "Atomkraftwerke produzieren bekanntlich Strom und kein Gas", sagte Kretschmann dazu im SWR. "Das Problem können wir nicht über die Verlängerung von Laufzeiten lösen."
Auch auf Bundesebene ist eine Debatte entbrannt. Mit ihrer Forderung nach einer Laufzeitverlängerung hatte die FDP für Unmut in der Ampelkoalition gesorgt. SPD und vor allem die Grünen sind skeptisch. Einige Grünen-Politiker haben bei dem Thema mittlerweile Eingeständnisse gemacht. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock etwa will eine AKW-Laufzeitverlängerung von Fakten abhängig machen. Gleichzeitig warnte sie vor einer Weiternutzung über 2022 hinaus.
Die FDP hat sich indes für eine Laufzeitverlängerung bis zum Frühjahr 2024 ausgesprochen. "Das ist der Zeitraum, in dem uns Energieknappheit droht. Deshalb müssen wir dafür gewappnet sein", sagte der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, der "Bild"-Zeitung. Auch die Union wirbt dafür, einen zumindest begrenzten Weiterbetrieb über den Jahreswechsel hinaus zu ermöglichen.
Die Bundesregierung verwies wie Kretschmann am Montag auf einen weiteren Stresstest zur Sicherheit der Stromversorgung im kommenden Winter, deren Ergebnis sie abwarten wolle.
Kretschmann ruft zum Sparen von Gas auf
Bei der Frage zu einem Krisengipfel der baden-württembergischen Landesregierung am Montag zeigte Kretschmann sich dann allerdings optimistisch. Ein Gasnotstand im Winter könne womöglich vermieden werden, wenn alle gemeinsam jetzt anfingen, beim Gasverbrauch zu sparen, so der Grünen-Politiker.
Am Montagnachmittag hatte der russische Gaskonzern Gazprom angekündigt, die durch die Pipeline Nord Stream 1 gelieferte Gasmenge auf 20 Prozent zu senken. Netzagentur-Chef Klaus Müller hatte zuvor angegeben, er rechne mit einer Liefermenge von 30 Prozent.
- zdf.de: "heute-journal" vom 25.7.2022
- SWR: Streit über AKW-Laufzeiten bei Grün-Schwarz in BWMit Material der Nachrichtenagenturen dpa und afp