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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Konflikt mit Russland Tempolimit für den Frieden? Darauf gibt es jetzt nur eine Antwort
In Deutschland gibt es kein Tempolimit auf Autobahnen, trotz guter Argumente dafür. Der Konflikt mit Russland erhöht die Notwendigkeit weiter. Worauf wartet die Politik jetzt noch?
Ein verpflichtendes Tempolimit in Deutschland einführen? Dafür gab es in der Bundespolitik bisher keine Mehrheit. Doch die seit Jahren schwelende Debatte bekommt durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eine neue Facette. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sagte am Mittwoch, ein Tempolimit könne den Bürgern die Brisanz der Lage deutlich machen. Angesichts eines drohenden Öl-Lieferstopps aus Russland sprach sie von einem wichtigen Signal.
Recht hat sie. Das Tempolimit sollte am besten gestern eingeführt werden. Um die Abhängigkeit von den Energieimporten aus Russland schnell zu reduzieren, müssen wir uns alle umstellen. Nicht nur die Heizung soll nicht mehr auf Hochtouren laufen, auch der Fuß muss weg vom Gaspedal.
Die Argumente dafür waren auch schon lange vor dem Krieg offensichtlich: Insbesondere auf der Autobahn ist der Verbrauch pro Kilometer stark von der gefahrenen Geschwindigkeit abhängig. Laut Umweltbundesamt verbraucht beispielsweise ein typisches Fahrzeug mit 90 km/h auf der gleichen Strecke 23 Prozent weniger Sprit als mit einer Geschwindigkeit von 110 Kilometern pro Stunde.
Das kann einen deutlichen Unterschied machen: Der Verkehr sorgt laut Umweltbundesamt für mehr als 27 Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs, davon wiederum entfallen knapp 92 Prozent auf Öl.
- Verzicht auf russisches Öl: So viel Benzin würde ein Tempolimit einsparen
Umweltverbände wollen schon lange Tempolimit
Umweltverbände fordern deshalb seit Langem die Einführung eines generellen Tempolimits. Als die Aktivisten von Greenpeace vor drei Wochen kurzfristig wirkende Maßnahmen vorgeschlagen hatten, um Deutschlands Ölverbrauch zu senken, war das Tempolimit auch mit dabei. Der Vorschlag: ein temporäres, auf die Dauer des Konflikts bezogenes Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen und 30 in Städten. Das könne auch den Verkehrsfluss verbessern, damit verbrauchsintensive Geschwindigkeitswechsel reduzieren und die Effizienz von Verbrennungsmotoren erhöhen.
Doch der geringere Verbrauch ist längst nicht das einzige Argument. Darüber hinaus würde ein Tempolimit auf Autobahnen auch die durch zu schnelles Fahren verursachten Verkehrsunfälle reduzieren. Schon 10 km/h mehr verlängern den Bremsweg deutlich. Bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h liegt er bei etwa 170 Metern.
Was also spricht überhaupt dagegen? Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, am liebsten würden wir uns manchmal an einen anderen Ort beamen. Man ist spät dran, ärgert sich ... aber am meisten wohl über das eigene Zeitmanagement. Hier gilt der Spruch: "Lieber erst um neun zu Haus, als um acht im Krankenhaus."
Tatsächlich ist die Zeitersparnis durch schnelles Fahren ohnehin deutlich geringer, als wir glauben. Ampeln, andere Verkehrsteilnehmer und Tankstopps sind Variablen, die wir nur bedingt beeinflussen können. Und ist es nicht zum Wohle aller wichtig und richtig, lieber etwas langsamer zu fahren, als sich selbst und andere zu gefährden?
Natürlich wollen wir uns in Deutschland nicht in unserer Freiheit einschränken lassen. Aber ist es wirklich so ein großes Opfer, das Pendler und Gelegenheitsfahrer durch ein Tempolimit erbringen würden? Blickt man auf die dramatische Lage 1.000 Kilometer weiter östlich von Deutschland, gibt es keinen Spielraum für eine Debatte dieser Art. In der Ukraine geht es seit dem Beginn der russischen Invasion ums blanke Überleben. Eine Einschränkung wie ein Tempolimit auf den deutschen Autobahnen klingt banal, im Vergleich zur Kriegslage. Wenn wir einen kleinen Teil dazu beitragen können, dass sich die Lage etwas entspannt, dann sollten wir das tun. Und zwar jetzt.
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- Eigene Recherche
- Mobilitätsmagazin: Bremsweg berechnen – Faustregel für normalen Bremsweg & Gefahrenbremsung
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa