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Corona-Talk bei Markus Lanz: Warum in Portugal die Impfbereitschaft höher ist


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Corona-Talk bei "Markus Lanz"
"Wer nicht geimpft ist, wird immer weniger Möglichkeiten haben"

Eine TV-Kritik von Christian Bartels

Aktualisiert am 11.11.2021Lesedauer: 4 Min.
Stephan Weil bei einem Auftritt bei Lanz im August (Archivbild): Der Ministerpräsident verneinte ein Defizit bei der Aufklärung über Corona-Impfungen.Vergrößern des Bildes
Stephan Weil bei einem Auftritt bei Lanz im August (Archivbild): Der Ministerpräsident verneinte ein Defizit bei der Aufklärung über Corona-Impfungen. (Quelle: teutopress/imago-images-bilder)
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Impfpflicht ja oder nein, 3G, 2G oder 2Gplus? Kontroverse Corona-Themen diskutierte Markus Lanz unter anderem mit SPD-Ministerpräsident Stephan Weil, der ein "Anziehen der Schraube" ankündigte.

Corona- und Klima-Krise: Große, schwierige Themen hatte Markus Lanz sich am Mittwoch vorgenommen. Dank niedersächsischer Gelassenheit des Ministerpräsidenten Weil und der Braunschweiger Virologin Melanie Brinkmann wurden zumindest die Probleme, in denen die Politik in der aktuellen, wieder heißer werdenden Phase der Pandemie steckt, gut deutlich.

Die Gäste:

  • Stephan Weil, niedersächsischer Ministerpräsident (SPD)
  • Melanie Brinkmann, Virologin
  • Michael Bröcker, Journalist
  • Mojib Latif, Klimaforscher

Ministerpräsident Weil, einer von Lanz' politischen Stammgästen, war (mit durchgehend leichten Latenz-Problemen) zugeschaltet. Der Sozialdemokrat betonte oft, dass er ja nur für sein Land und nicht etwa für Länder mit deutlich schlechterer Corona-Lage wie etwa Bayern sprechen könne. Mit Niedersachsens Politik ist Weil, nicht überraschend, ausgesprochen zufrieden. In der von den Ampelkoalitions-Parteien geplanten Abschaffung der "epidemische Lage von nationaler Tragweite" sieht er kein großes Problem, auch wenn er selbst diese Gesetzeslage so belassen hätte, wie sie war. Über Pläne, eine 3G-Regelung am Arbeitsplatz einzuführen, freut er sich.

Moderator Lanz brachte zu Beginn ein visuell ungewohntes Element in seine Talkshow: Er ließ für längere Zeit Grafiken einblenden, die seine Gäste dann erläutern sollten, was schon wegen der Kleinteiligkeit der Bilder allenfalls mittelgut gelang und wegen der hohen Erklärungsbedürftigkeit des Gezeigten auf Twitter scharfe Kritik nach sich zog.

Da eine Grafik einen hohen Anteil Geimpfter unter Covid-Infizierten im Krankenhaus und auf Intensivstationen anzeigte, meinte der Journalist Michael Bröcker: "Der Impfschutz ist eben nicht der Impfschutz, den wir uns erhofft haben". Viele Studien seien mit früheren Virus-Varianten durchgeführt worden, inzwischen aber hat sich die mehr als doppelt so infektiöse Delta-Variante stark verbreitet, und die "ist wirklich eine andere Nummer", erläuterte die Virologin Brinkmann. Daher würden auch frühe Berechnungen, denen zufolge eine Quote von 60 bis 70 Prozent Geimpften ausreichte, nicht mehr zutreffen. Das Gesundheitssystem werde dramatisch belastet, "wenn wir nicht Tempo reinbringen" ins Impfen. Vor allem seien proaktive Impfungen durch mobile Teams wichtig. "Das proaktive, vorausschauende Handeln vermisse ich die ganze Zeit in der Pandemie", sagte sie.

"Eine gesellschaftliche Debatte über Impfpflicht ja oder nein" brauchen wir, legte sich Moderator Lanz vehement ins Zeug, und dass er selbst aktuell für eine Impfpflicht ist, schien deutlich durch. "Ausgerechnet die Italiener haben es im Griff", sagte er (der als Südtiroler selbst gebürtiger Italiener ist). Da hakte erwartungsgemäß Weil ein: Eine staatlich angeordnete Impfung ist ein schwerer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit – "das ist Verfassungslage, ob man es richtig findet oder nicht".

"Wir haben anscheinend noch nicht gut genug aufgeklärt", glaubt Brinkmann. Das merke sie bei Fragen von schwangeren oder stillenden Frauen. Es sei "total wichtig, dass sich Frauen impfen lassen, um sich und ihr Kind zu schützen", stellte die Wissenschaftlerin klar. Bei virologischen Aspekten zeigte sie sich als bewährt überzeugende Erklärerin. Mitunter verrannte sie sich aber in eher abenteuerliche Argumente. Etwa, als sie den Umstand, dass 77 Prozent derer, die sich impfen lassen können, tatsächlich impfen ließen, als "demokratische Abstimmung" für eine Impfpflicht interpretierte.

Warum in Portugal die Impfbereitschaft höher ist

Ein Defizit bei der Aufklärung gebe es nicht, betonte SPD-Politiker Weil. In Ländern wie Portugal sei die Impfbereitschaft viel höher, da diese Länder früh in der Pandemie Schockwellen erfahren hätten, die es hierzulande nicht gab. Und viele Menschen wollten sich auch wegen Fake-News trotz aller Appelle einfach nicht impfen lassen.

Weil kündigte ein Anziehen der Schraube an: "Wer nicht geimpft ist, wird tendenziell mit zunehmender Zuspitzung der Lage immer weniger Möglichkeiten haben, am öffentlichen Leben teilzunehmen". Mit "2G+" hatte er zuvor auch eine noch wenig bekannte Abkürzung in den Raum gestellt, die für "Geimpfte, Genesene und ein aktueller Test" steht.

Journalist Bröcker, der Chefredakteur von Gabor Steingarts "Pioneer"-Projekt, präsentierte sich mit Sätzen wie "Eine Impfpflicht wäre der Booster für die Corona-Leugner" als der Skeptiker in der Runde. Zumindest wurde das Dilemma deutlich, in dem die Politiker stecken: Einerseits fürs Impfen möglichst vieler Menschen werben, andererseits das Wort "Impfpflicht" aber keinesfalls in den Mund nehmen wollen.

"Keinen Modus beim Klima gefunden, wirksam zu sein"

Die letzte halbe Stunde gehörten dann dem Hamburger Klimaforscher Mojib Latif, der sich zum Corona-Thema nur selten, dafür emotional zu Wort gemeldet hatte ("Verdammt noch mal, da muss eine Impfpflicht her") und einer noch größeren Problem: der Klimakrise. Ein gut gewählter Einspieler zeigte, wie Latif 1990 im Fernsehen vor Problemen gewarnt hatte, die sich seither nichts als verschärft haben. Auf die 26. Weltklimakonferenz, die derzeit in Glasgow tagt, setzt er wenig Hoffnung, da in einem Vierteljahrhundert voller Klimakonferenzen zuvor nichts passiert sei: "Offensichtlich haben wir nicht den Modus gefunden, wirklich wirksam zu sein."

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Hier zerfaserte die Diskussion stärker, nicht zuletzt, weil Lanz auch über China als Bedrohung und Chance sowie über Tesla-Elektroautos reden und seinen gestrigen Gast Peter Altmaier fürs Initiieren von Batteriefabriken an deutschen Standorten loben wollte. Ob Latifs "Ich könnte nicht jeden Morgen aufstehen, wenn ich keine Hoffnung hätte" zum Ende dieser schwierigen Probleme wälzenden Talkshow ein optimistischer Schluss-Satz war oder eher doch nicht – darüber konnte dann noch nachdenken, wer bis zum Schluss drangeblieben war.

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 19. November 2021
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