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Berlin: Proteste für Kneipe Syndikat - "Leute haben keine Lust auf Wahnsinn"


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Zwangsräumung von Berliner Szenekneipe
"Die Leute haben keine Lust mehr auf den Wahnsinn"


Aktualisiert am 09.08.2020Lesedauer: 3 Min.
Demonstranten und Polizei stehen sich gegenüber: Eine Berliner Kneipe wird geräumt. Der Protest ist groß. Warum eigentlich?Vergrößern des Bildes
Demonstranten und Polizei stehen sich gegenüber: Eine Berliner Kneipe wird geräumt. Der Protest ist groß. Warum eigentlich? (Quelle: Paul Zinken/dpa)
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Im Berliner Stadtteil Neukölln wird eine Szenekneipe zwangsgeräumt. Der Protest ist groß und manchmal gewalttätig. Es geht dabei um viel mehr als eine Kneipe.

Ein Gerichtsvollzieher macht sich selten Freunde. Am Freitagmorgen im Berliner Stadtteil Neukölln steht er vielen Feinden gegenüber. "Haut ab! Verpisst euch und haut ab!", schallt es ihm entgegen, als er um kurz vor 9 Uhr zum "Syndikat" kommt. Als er die Kneipe zwangsräumen will, belauern sich Hunderte Polizisten und hunderte Demonstranten. Es gibt Rangeleien, die Polizei setzt Pfefferspray ein, so zeigt es das Video oben.

Und das alles, weil eine Kneipe schließen muss?

Der Protest für den Erhalt des "Syndikats" ist ein besonderer und zugleich einer von vielen. Die Kneipe ist beliebt, gerade in der linken Szene. Doch wie so oft in Berlin geht es bei dem Protest um viel mehr: um die Verdrängung alteingesessener Institutionen, um die stark steigenden Mieten – und letztlich um den Kapitalismus selbst.

"Ihr seid Fahrraddiebe!"

"Ein bisschen viel Aufwand", sagt ein älterer Herr mit Hund und Hut lakonisch, als er an den Absperrgittern vor dem "Syndikat" entlanggeht und sich das Polizeiaufgebot anschaut. Der größte Aufruhr ist da schon wieder vorbei. Doch noch immer sichern Dutzende Polizeiwagen und Beamte die Szenerie. Mehr als 700 Polizisten sollen den Freitag über im Einsatz sein.

Nicht ohne Grund: Schon am vergangenen Samstag ist es wegen des "Syndikats" bei Protesten zu Ausschreitungen gekommen. Flaschen und Steine flogen, Straßen wurden mit umgeworfenen Rollern blockiert, mehrere Polizisten wurden verletzt. Auch in der Nacht vor der Räumung zündeten Demonstranten Barrikaden an. Die Polizei nahm mehr als 40 Menschen fest. Die Stimmung ist aufgeheizt, mancherorts auch dann noch, als der Gerichtsvollzieher seine Arbeit längst beendet hat und das "Syndikat" geräumt ist.

"Hopp, hopp, hopp, Schweine im Galopp", rufen einige Demonstranten ein paar Meter vom "Syndikat" entfernt am Herrfurthplatz, als Polizisten vorbeijoggen. "Bullenschweine raus aus den Kiezen!" Vor einer Kirche hat sich hier eine kleine Protestgruppe gebildet. Als die Polizei sie von dort vertreiben will, gibt es Widerspruch. Die Beamten geben ein paar Demonstranten einen Schubs, damit sie sich wegbewegen. Ein Polizist schiebt das Rad einer Frau weg, um sie vom Gehen zu überzeugen. "Ihr seid Fahrraddiebe!", brüllt jemand.

"Die Leute haben keine Lust mehr auf den Wahnsinn"

Doch der Protest erschöpft sich nicht in den üblichen Kleinkämpfen. Um zu verstehen, worum es geht, kann man auf dem Herrfurthplatz den Parolen lauschen: "Die Häuser denen, die sie brauchen! Die Kneipen denen, die drin saufen!" Das ist griffig.

Um es noch besser zu verstehen, kann man mit Timo und Tim sprechen, zwei jungen Männern, die ein paar Straßen weiter mit Bier auf dem Bordstein sitzen, um Solidarität zu zeigen. "Das 'Syndikat' ist ein Symbol", sagt Timo, der sich in der SPD engagiert. "Seit 35 Jahren ist es ein alternativer Freiraum." Nun werde es aus Profitinteressen eines Unternehmens mit windigen Briefkastenfirmen kaputt gemacht. Das Gebäude gehört einem Tochterunternehmen einer großen Immobilienfirma, das die Räumung erfolgreich eingeklagt hatte.

"Das macht die Gesellschaft kaputt", sagt Tim zu den schwindenden Freiräumen in Berlin. Dass es nicht möglich sei, eine gut laufende Kneipe zu erhalten, sei das Problem. Und damit sei eben letztlich der Kapitalismus das Problem. "Es ist das System der Profitmaximierung und Konkurrenz", sagt Tim, der Mitglied der Linken ist. "Die Leute haben keine Lust mehr auf den Wahnsinn."

Dass der Protest für eine Kneipe den Kapitalismus niederringt, daran glauben natürlich auch die beiden nicht. "Aber", sagt Tim, "ich habe die Hoffnung, dass aus den vielen kleinen Protesten irgendwann etwas Größeres wird."

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Gespräch beim Protest für das "Syndikat"
  • Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
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