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ARD-Serie "Eden": "Die Situation ist eine äußerst brisante"


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ARD-Serie "Eden"
"Die Situation ist eine äußerst brisante"

InterviewEin Interview von Imke Gerriets

07.05.2019Lesedauer: 4 Min.
Das Flüchtlingscamp in Athen: Amare (Joshua Edoze, Mitte) ist nach Athen ins Flüchtlingslager gekommen. Hier wurde nicht nur mit Statisten gedreht, sondern mit Menschen, die dort gelebt haben.Vergrößern des Bildes
Das Flüchtlingscamp in Athen: Amare (Joshua Edoze, Mitte) ist nach Athen ins Flüchtlingslager gekommen. Hier wurde nicht nur mit Statisten gedreht, sondern mit Menschen, die dort gelebt haben. (Quelle: SWR/Pierre Meursaut)
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Die Flüchtlingskrise hat Europa 2015 überrascht. "Eden" zeigt in sechs Episoden, wie unterschiedlichste Menschen betroffen sind. Fiktion und Wahrheit verschmelzen bewusst. Warum, erklärt Autor Constantin Lieb t-online.de.

"Eden": Die Mini-Serie von ARD, SWR und Arte stellt die Menschen in den Vordergrund, die auf ganz unterschiedliche Weise von der Flüchtlingskrise betroffen sind. Das Besondere ist, dass Geflüchtete mit ihren realen Schicksalen zu Statisten werden. Schauplatz der Serie war kein nachgebautes Set, sondern eine echte Flüchtlingsunterkunft mit den Menschen, die dort wirklich leben.

Am Strand auf einer griechischen Insel genießt eine Familie aus Mannheim ihren Urlaub. Plötzlich treibt ein vollbesetztes Schlauchboot mit Flüchtlingen ans Ufer. Die Einstiegsszene ist der Beginn einer Kettenreaktion. Im Interview mit t-online.de spricht "Eden"-Autor Constantin Lieb über die Drehsituation in einem echten Flüchtlingscamp, über Klischees und die große politische Herausforderung, die Deutschland bis heute in Flüchtlingsfragen prägt.

Constantin Lieb: Der "Eden"-Autor betont, dass es wichtig gewesen sei, die Mini-Serie möglichst realistisch abzubilden. Dafür gab es auch Dreharbeiten in einem Flüchtlingscamp.
Constantin Lieb: Der "Eden"-Autor betont, dass es wichtig gewesen sei, die Mini-Serie möglichst realistisch abzubilden. Dafür gab es auch Dreharbeiten in einem Flüchtlingscamp. (Quelle: Antony Sojka)

Constantin Lieb aus Oberfranken studierte in Berlin Philosophie, Deutsche Literatur und Angewandte Literaturwissenschaft. 2014/15 war der 32-Jährige Stipendiat der Drehbuchwerkstatt München. Der Autor hat bereits für erfolgreiche Kinoproduktionen wie "Fabian" oder "Asphaltgorillas" das Drehbuch allein oder mit Co-Autoren geschrieben. Die Serie "Eden" zählt zu seinen jüngsten Arbeiten und wird in der ARD und auf Arte ausgestrahlt.

t-online.de: Die Flüchtlingsproblematik ist nach wie vor ein großes Thema und hat Autoren und Filmemacher inspiriert. Sehr erfolgreich war etwa der Kinofilm "Willkommen bei den Hartmanns". Wie grenzt sich "Eden" davon ab?

Constantin Lieb: "Eden" ist durch die komplexe Erzählung und den realistisch-dramatischen Zugang zur Thematik etwas völlig anderes als "Willkommen bei den Hartmanns". Die Situation ist eine äußerst brisante und vielschichtige. "Eden" unterscheidet sich dadurch von anderen fiktiven Auseinandersetzungen, dass wir versucht haben, dieser Komplexität und vor allem den Menschen, von denen wir erzählen, gerecht zu werden. Wir kommen einzelnen Schicksalen sehr nahe und tragen hoffentlich dadurch etwas dazu bei, für Perspektiven zu sensibilisieren, die in der medialen Berichterstattung sehr schnell wieder vergessen sind oder erst gar nicht vorkommen.

Wie nah ist die fiktive Serie "Eden" der Realität?

Der realistische Zugang zu der Geschichte war von Anfang an ein Anspruch, den wir als Team an uns selbst gestellt haben. Wir wollten auf keinen Fall künstlich emotionalisieren, ins Märchenhafte abdriften oder Spannungsbögen konstruieren, um lediglich zu unterhalten.

Wie haben Sie sich für dieses Projekt vorbereitet?

Wir haben beim Erarbeiten der Bücher stets die aktuelle Debatte verfolgt, politische Entscheidungen recherchiert, standen im engen Austausch mit Experten, Journalisten, Anwälten und waren mehrmals auf Recherchereisen, um zum Beispiel vor Ort in Griechenland mit Flüchtlingen, NGO-Mitarbeitern und Regierungsvertretern zu sprechen. Es wurde viel gelesen und geredet. Und gerade dieser Austausch, dieses permanente Lernen war unglaublich erhellend.

Basieren die dargestellten Schicksale auf Geschichten, die Ihnen berichtet wurden?

Zum Teil ja, zum Teil basieren Sie auch auf anderen Fällen, die recherchiert wurden. Das war eine sehr fruchtbare Basis für unsere Fiktion. Interessant war es, dass zum Beispiel zwei der Schauspieler (Adnan Jafar und Jalal Altawil) eigene Fluchterfahrungen haben. Der Regisseur Dominik Moll konnte mit ihnen noch einmal persönliche Details für die Szenen erarbeiten.

20 Tage wurde in einem Flüchtlingscamp in Athen gedreht. Die Bewohner sind Teil der Serie geworden. Wie sind Sie darauf gekommen, in einer echten Flüchtlingsunterkunft zu filmen?

Das war die Entscheidung des Regisseurs und der Produktion. Eine sehr gute Entscheidung, denn es wäre wohl sehr seltsam gewesen, hätte man in einer so realistischen Serie plötzlich entscheidende Orte nachgestellt und damit womöglich verklärt oder zu sehr ins Negative gezogen. Es war aber auch wunderbar zu sehen, wie während des Drehs im Camp die dort lebenden Menschen und das Drehteam sich immer wieder ausgetauscht haben. Fiktion und Realität überschneiden sich. Dominik ist dabei sehr behutsam vorgegangen, was ich an seiner Art Regie zu führen ohnehin bewundere.

Die Serie zeigt fünf Schicksale: von der deutschen Urlauberfamilie bis zu einer Betreiberin eines privaten Flüchtlingscamps. Wie wichtig sind die verschiedenen Blickwinkel?

Extrem wichtig. Wobei man auch hier eigentlich sagen müsste, dass es nicht nur zwei Seiten gibt, sondern unendlich viele verschiedene Facetten und Zwischenbereiche. Uns war es sehr wichtig, nicht einfach zu beurteilen und etwas als eindeutig "falsch" oder "richtig" darzustellen. Wir sprechen hier über eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Das sollte man nicht einseitig beleuchten.

Das deutsche Paar, das Bassam aus Syrien aufnimmt, wirkt sehr naiv und zieht die Situation unfreiwillig ins Komische mit einem pubertären Teenager, der den neuen Mitbewohner alles andere als herzlich empfängt. Wird hier nicht doch mit dem Klischee von Gut und Böse gespielt, von dem sich die Serie distanzieren wollte?

Die Bewertung "sehr naiv" würde ich so nicht treffen. Die Dynamik innerhalb der Familie verändert sich ja sukzessive über die sechs Episoden. Gerade dadurch wird ja nicht in "gut" und "böse" unterteilt, sondern eben diese Zuschreibung hinterfragt. Mit Klischees spielen und Klischees wiederholen ist etwas sehr Unterschiedliches. Man sollte auch diese Geschichte im Gesamtkontext der Serie und ihrer kontinuierlichen Zuspitzung sehen. Vielleicht ist es bei "Eden" noch wichtiger als bei anderen Serien, nicht nur die erste oder zweite Folge zu sehen, sondern tatsächlich alle sechs Folgen, um die gesamte epische Erzählung nachzuvollziehen.


Schauspielerin Juliane Köhler sagte in einem Interview, dass sie seitdem auch toleranter geworden sei. Geht es Ihnen auch so?

Toleranz war mir schon immer extrem wichtig. Aber es stimmt, dass man bei so einem intensiven Projekt noch einmal neu über den Begriff "Toleranz" nachdenkt. Der gesamte Arbeitsprozess an "Eden" war für mich eine unglaublich lehrreiche Erfahrung, sowohl auf einer beruflichen, als auch menschlichen Ebene. Ich bin sehr dankbar für viele Begegnungen, die dabei entstanden sind.

Die sechs Folgen von "Eden" laufen am 8. und 15. Mai um 20.15 Uhr in der ARD in zwei Teilen und in den Mediatheken von Arte und dem Ersten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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