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Verstoß gegen Toilettengang-Verbot bringt Schülerin Ärger


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Pipifax oder Pipi-Skandal?
Verbotswidriger Gang zum Klo bringt Gymnasiastin Ärger


04.06.2018Lesedauer: 4 Min.
Kein WC im Unterricht: In Magdeburg untersagte eine Lehrerin einer Schülerin den Gang zur Toilette.Vergrößern des Bildes
Kein WC im Unterricht: In Magdeburg untersagte eine Lehrerin einer Schülerin den Gang zur Toilette. (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa)

Lehrer klagen, dass Schüler Toilettengänge missbrauchen. Eine Magdeburger Lehrerin untersagte deshalb einer 15-Jährigen den Klogang im Unterricht. Für die einen "Pipifax", für die anderen ein "Pipi-Skandal".

Eine Gymnasiastin in Magdeburg hat einen Eintrag ins Klassenbuch und eine Elterninformation bekommen, weil sie trotz eines ausdrücklichen Verbots ihrer Lehrerin zur Toilette gegangen ist. Die Mutter steht voll hinter ihrer Tochter – und auch die Schule räumt jetzt ein: "Es war eine unglückliche Entscheidung." Ein Kloverbot wirft sogar strafrechtliche Fragen auf. "Hätte das Mädchen nicht den Mut gehabt, wäre es Opfer von Nötigung und Körperverletzung geworden", sagt der Münchner Rechtsanwalt Thomas Etzel. Kinder in der Schule würden schlechter gestellt als Kinderschänder bei der Polizei.

Es war eine 90-minütige Blockstunde im April, in der die Schülerin Alexandra (15) ein immer drängenderes Problem bekam: Sie musste mal. Etwa 45 Minuten sollte die Stunde noch dauern, als sie zur Toilette gehen wollte – und von der Lehrerin ein "Nein" zu hören bekam. Der Druck durch den Lehrkörper auf der einen Seite, der Druck auf der Blase auf der anderen: Sie ging, bevor es lief. Und zog sich damit den Unmut und weitere Schritte der Lehrerin zu, die die unerlaubte Pipipause zum Vorgang machte: Eintrag im Klassenbuch, Anruf bei der Mutter und, als die ihr nicht beipflichtete, eine Mitteilung der Schule zum Quittieren für die Schülerakte.

Schüler missbrauchten Toilettengänge vielfach

Nun versucht Kerstin Schubert, kommissarische Leiterin der IGS "Willy Brandt", die Wogen an ihrer Schule zu glätten und Pressevertretern zu erklären, wie es dazu kam. Ein Toilettengangverbot an der Schule gebe es nicht, sagte sie zu t-online.de. Es sei von der Kollegin eine "unglückliche Entscheidung zu einer Zeit, in der Gänge zur Toilette gehäuft missbraucht worden sind".

Auch am gymnasialen Zweig der Schule hätten Schüler vermehrt Toilettengänge genutzt, um zu telefonieren, zu rauchen oder das Schulgelände zu verlassen. Und es gebe Hinweise, dass dort außerhalb auch mit Drogen gehandelt werde. Deshalb habe die Schule Regeln verschärft, das diene auch dem Schutz der Schüler: Schüler dürfen nur noch alleine und nur noch ohne Handy losgehen zur Toilette.

Beides war allerdings im Fall von Alexandra nicht strittig. Außerdem bestätigt die Schulleiterin von sich aus, dass es im konkreten Fall keinen Anlass zur Befürchtung gegeben habe, dass Alexandra ein anderes Ziel haben könnte, als sich zu erleichtern.

Münchner Anwalt wird oft mit Fällen konfrontiert

Aber auch wenn ein Schüler vielleicht in der Vergangenheit einen Toilettengang missbraucht hat, ist die Situation nicht einfach: Natürlich dürfe das Recht zum Toilettengang nicht zu anderen Zwecken wie dem Schwänzen des Unterrichts missbraucht werden, erklärte der Münchner Rechtsanwalt Dr. Thomas Etzel t-online.de.

Seit er 2007 im Internet einen langen Beitrag zu der Frage veröffentlicht hat, wird er häufiger mit Fällen konfrontiert, in denen es darum Streit gibt. Im vergangenen Jahr meldeten sich auch die Eltern eines Zehnjährigen bei ihm, der wegen eines Verbots in die Hose machte. "Wegen der Möglichkeit des Missbrauchs darf nicht das Recht von denen leiden, die wirklich müssen. Es gilt auch hier die Unschuldsvermutung, sodass ein Lehrer die Beweislast und das Risiko trägt, wenn er jemandem den Toilettengang rechtswidrig verbietet."

Das zuständige Landesschulamt sieht als "entscheidenden Ausgangspunkt" bei der Frage die Erfüllung der Schulpflicht. "Diese schließt auch die regelmäßige und ununterbrochene Teilnahme am Unterricht ein", erklärte Sprecherin Silke Stadör der "Volksstimme". Das Schulamt bringt ein Argument, das auch in sozialen Netzwerken seither häufiger zu lesen ist: "Gesunden Schülern sollte es ohne Weiteres möglich sein, während einer 45-minütigen Unterrichtsstunde auf den Gang zum WC zu verzichten." Bei einer 90-minütigen Stunde sei das Bedürfnis sicher höher, da müsse auch das Trinkverhalten angepasst werden. Pipifax sei der Fall, meinen deshalb auch manche Nutzer auf Facebook.

"Kinderschänder muss man sofort aufs WC lassen, Kind nicht?"

Anwalt Etzl regt sich über eine solche Argumentation auf: "Woher nimmt man die Erkenntnis, dass 45 Minuten Einhalten kein Problem sind?" Er kritisiert deshalb auch heftig, dass eine Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen einen Lehrer laut "Süddeutscher Zeitung" mit der Begründung einstellte. Etzel findet ein drastisches Beispiel: "Ein Kinderschänder darf bei Vernehmungen und Gerichtsverhandlungen immer zur Toilette, weil eine Verweigerung als Folter, Menschenrechtsverletzung, Nötigung und Körperverletzung ausgelegt werden könnte. Aber Schüler sollen den Harndrang oder Stuhldrang einhalten?"

Das sei manchmal schlichtweg unzumutbar und mit Schmerzen verbunden. Ihm seien auch Fälle von Nierenschäden bekannt, "zwanghaftes Einhalten ist gesundheitsschädlich". Eine Verurteilung eines Lehrers wegen verweigerten Toilettengangs ist ihm nicht bekannt: "Die Fälle, mit denen ich zu tun hatte, wurden letztlich einvernehmlich geregelt, indem die betroffenen Schüler künftig jederzeit zur Toilette dürfen."

Verband Bildung und Erziehung für klare Regeln

Für den Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) bleibt es "letztlich immer eine Einzelfallentscheidung der Lehrkraft, die die Umstände abwägen muss", wie der Bundesvorsitzende Udo Beckmann* zu t-online.de sagte. "Das grundsätzliche Verbieten von Toilettengängen kann jedoch durchaus den Tatbestand der Nötigung erfüllen."

Der Verband hält es aber auch für "wichtig, dass es klare Regelungen mit dem Ziel gibt, unnötige Unterbrechungen und Störungen des Unterrichts für alle zu vermeiden, denn von älteren Kindern und Jugendlichen kann ich in der Regel erwarten, dass diese einen längeren Zeitraum ohne Toilettengang in der Klasse durchhalten", so Beckmann. Begründete Ausnahmefälle gebe es immer. Wenn es häufiger vorkomme, sollten Eltern in einem Gespräch hierauf hingewiesen werden, damit sie abklären können, ob medizinische Gründe hierfür vorliegen.

Alexandra absolviert seit Montag ein zweiwöchiges Betriebspraktikum, sie darf jederzeit auf die Toilette. Aber auch an der Schule muss sie wohl keine Befürchtungen mehr haben. Ihre Mutter berichtet von einem sehr guten Gespräch mit der kommissarischen Direktorin Schubert. "Bestenfalls werden jetzt solche organisatorischen Dinge mit den Schülern und Schülerinnen verhandelt. Ich glaube, dass auch meine Position und die meiner Tochter verstanden werden."

In einer früheren Fassung des Textes hatten wir den Namen des VBE-Vorsitzenden mit Udo Bockmann angegeben. Wir bitten, das Versehen zu entschuldigen.

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