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Ellwangen: Wieso Flüchtling nach Polizeieinsatz jetzt eine Demo organisiert


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Nach Polizeieinsatz
Ellwangener Flüchtling organisiert Demo


08.05.2018Lesedauer: 4 Min.
Organisiert die Demo und hat einen offenen Brief geschrieben: Hassan Alassa aus Kamerun, Flüchtling aus der Erstaufnahmeeinrichtung Ellwangen.Vergrößern des Bildes
Organisiert die Demo und hat einen offenen Brief geschrieben: Hassan Alassa aus Kamerun, Flüchtling aus der Erstaufnahmeeinrichtung Ellwangen. (Quelle: dpa/Screenshot YouTube, Montage t-online.de)

Sie fühlen sich zu Unrecht angeprangert und missverstanden. Flüchtlinge aus Ellwangen wollen nach den Skandalmeldungen am Mittwoch demonstrieren und ihre Sicht darstellen. t-online.de hat mit dem Organisator gesprochen.

Togolese Yussif O. muss nach Italien, das hat das Verwaltungsgericht Stuttgart am Dienstag entschieden. Als die Polizei ihn am 30. April in der Erstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen abholen wollte und später die Rede vom Versagen des Rechtsstaats sein sollte, war auch Hassan Alassa auf den Beinen gewesen. "Wir haben keine Polizisten angegriffen", sagt er am Telefon zu t-online.de.

Hassan Alassa will darüber reden, wie die Nacht verlief, wie der nächste Einsatz der Polizei mit einem Großaufgebot war. Alassa war in seiner Heimat Kamerun im Bereich Marketing tätig, erklärt er. Und jetzt will er Öffentlichkeitsarbeit machen für die Afrikaner in der Unterkunft. "Wir wollen unsere Seite darstellen." Er hat mit einem anderen Flüchtling eine Erklärung verfasst, "aber dahinter stehen alle Afrikaner hier."

300 Teilnehmer bei Demo erwartet

Der 28-Jährige ist Mitorganisator einer Mahnwache, einer Demo und einer Pressekonferenz in Ellwangen am Mittwoch. "300 Leute werden bei der Demo sein", schätzt Alassa. "Alle aus dem Camp und einige Unterstützer." Was sie sagen wollen, wird nach Unverständnis, Ärger und enttäuschten Hoffnungen klingen. Am Dienstag war der Afrikaner in der Verwaltung in Ellwangen, hat den Weg der Demo besprochen, sich Auflagen erklären lassen. Er hat Hilfe gefunden bei Rex Osa, ein aus Benin stammender Aktivist der Organisation "Flüchtlinge für Flüchtlinge". Osa hat bei der Demo-Anmeldung und bei dem Text übersetzt, unter anderem der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg hat die Erklärung verbreitet.

Die rund 150 Menschen in dem Gebäudetrakt der Landeserstaufnahmeinrichtung (LEA) hatten schnell gespürt, dass es deutschlandweit Aufregung und Empörung gab um das Geschehen vom 30. April. Die Polizei war wieder abgezogen, hatte aufgegeben, statt Yussif O. mitzunehmen. Yussif O. habe geschrien, die Menschen seien aus ihren Zimmern gekommen, um nachzusehen, immer mehr, Empörung kochte hoch. Vielleicht sei das für die Polizei bedrohlich gewesen. "Aber wir haben die Polizei nicht attackiert, wir waren friedlich. Wir haben auch deren Autos nicht umkreist", behauptet er. Seine Wahrnehmung ist eine andere als die Darstellung der Polizei, die von den Medien einfach so übernommen worden sei. Sie sprach von einer "extrem aggressiven und gewaltbereit empfundenen Konfrontation".

Flüchtlinge nennen Polizeieinsatz "bürgerkriegsähnlich"

So stellen die Flüchtlinge dar, was sich beim Großeinsatz am 3. Mai abspielte, als Deutschland bereits über rechtsfreie Räume redete. "Bis dahin dachten wir, Deutschland ist ein sicherer und besserer Ort", so Hassan Alassa zu t-online.de. Seit der Razzia zweifele mancher. Die Bewohner benutzen ein dramatisches Wort: "bürgerkriegsähnlich" sei das Vorgehen der Polizei gewesen, inszeniert und politisch motiviert. Die Polizeiführung hat erklärt, das Notwendige getan zu haben. Sie spricht davon, dass einige Bewohner bereits in der Vergangenheit als Störenfriede aufgefallen seien.

"Die Polizei bricht da die Türen auf, obwohl wir keine Schlüssel haben und keine Tür abgeschlossen ist." Was die Polizei als Widerstand darstellt, sei zum Teil panische Reaktion darauf gewesen, von Fremden nachts aus dem Schlaf gerissen zu werden. "Manche wehren sich dann, andere flüchten." Es gab Knochenbrüche, weil Flüchtlinge durch Fenster sprangen. Manche hätten an eine Massenabschiebung gedacht und wollten Fragen stellen, seien aber mit Androhung von Gewalt ruhig gestellt worden.

Missverständnisse um Bargeldbeträge?

Sie fühlten sich kriminalisiert, sagt Alassa. "Wir sind doch nicht zum Kämpfen oder zum Drogenhandel hergekommen", so der Kameruner, der nach seinen Worten bei der Überfahrt übers Mittelmeer eines seiner beiden Kinder nicht hatte retten können. Er sei auch nicht wegen des Geldes nach Deutschland gekommen. "Ich hatte Geld in Kamerun, aber das Land ist nicht sicher und nicht frei."

Und dann geht es um die Missverständnisse, darum, dass man ihnen nicht erklärt habe, was in Deutschland erlaubt ist und was nicht: Bei einigen der Afrikaner fand die Polizei mehr als 350 Euro und stellte alles sicher, was darüber lag. Über so etwas wollen die Afrikaner reden. "Wir wussten nicht, dass wir Konten hier eröffnen können. Deshalb haben manche ihr gesamtes Geld in der Hosentasche, das ist nicht ungewöhnlich." Die Polizei sieht darin Anzeichen für Drogengeld, manche Nationalitäten aus Afrika sind auch weit überdurchschnittlich oft am Drogenhandel beteiligt.

Yussif O.s Festnahme hat den Bewohnern einen Vorgeschmack gegeben auf ihr eigenes Schicksal, das viele nicht wahrhaben wollen. Italien ist das Land, in dem sie europäischen Boden betreten haben und das Land, in das sie nach den Dublin-Verträgen voraussichtlich zurück müssen. Sie wollen deshalb auch erzählen, wie es ist für Flüchtlinge in Italien. "Italien gibt dir keine Chance. Ich brauche das nicht, auf der Straße zu schlafen."

Und ein Gespräch mit der Presse war ohnehin geplant. Für den 3. Mai habe die Leitung der Einrichtung eigentlich einen Termin mit Medienvertretern zugesagt, behauptet Alassa. Nach den beiden Polizeieinsätzen am 30. April und der Razzia am 3. Mai hatte sich das erst einmal erledigt. Die Einrichtung war dazu am Abend für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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