Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.#MeToo-Debatte bei Plasberg Der absurde Ratschlag einer Jura-Professorin
Man muss sich wundern, wenn eine Professorin für Strafrecht den Frauen in Deutschland rät, sich mit einer Ohrfeige gegen sexualisierte Gewalt zu wehren. Vielleicht aber zeigt dieses Beispiel aus "Hart aber fair" mit Frank Plasberg nur, wie ignorant viele mit diesem Thema noch immer umgehen.
Die Gäste
- Katarina Barley, SPD
- Monika Frommel, emeritierte Professorin für Strafrecht
- Lisa Ortgies, WDR
- Christoph Amend, Chefredakteur "ZEITmagazin"
- Thomas Kleist, Intendant Saarländischer Rundfunk
- Emilia Smechowski, Autorin "SZ-Magazin"
Das Thema
Henriette Reker, die Oberbürgermeisterin von Köln, hatte nach den Silvestervorfällen vor zwei Jahren mit ihrer Aussage für Aufruhr gesorgt, Frauen sollten künftig einfach eine Armlänge Abstand halten. Das schütze vor sexueller Belästigung. Seit Montagabend wissen die ARD-Zuschauer, dass auch andere Frauen mit ähnlichen Vorschlägen noch immer hausieren gehen. Dabei haben sie nicht verstanden, worum es wirklich geht. Frank Plasberg dagegen hatte seiner Sendung bewusst einen Titel gegeben, der in die richtige Richtung zielte: weg von Sex als Motiv hin zu "Macht, Mann, Missbrauch – was lehrt uns der Fall Wedel?"
Aufreger des Abends
Aufgehängt an den Berichten der "Zeit" über den Regisseur Dieter Wedel, nahm sich Plasberg der Debatte um Sexismus, sexueller Belästigung und Gewalt an. Zur Einordnung: 43 Prozent der Frauen in Deutschland haben sich nach eigenen Angaben schon mal bedrängt oder belästigt gefühlt. Viele dieser Geschichten sind inzwischen in den sozialen Netzwerken unter #MeToo zu lesen. Eigentlich dachte man am Montagabend, dass durch Veröffentlichungen wie den Vorwürfen gegen Wedel oder gegen den Hollywoodproduzenten Harvey Weinstein ein Klima entstanden sei, in dem sich "Frauen ermutigt fühlen, sich zu öffnen und zu wehren", wie es der Journalist Christoph Amend ausdrückte. Dessen Redaktion hatte in monatelanger Recherchearbeit den Fall Wedel erarbeitet und publik gemacht.
Für einen Gast bei Frank Plasberg war die Aufarbeitung der "Zeit" aber nichts anderes als Show. Die emeritierte Jura-Professorin Monika Frommel nannte die Berichterstattung einen "digitalen Pranger" und einen "historischen Rückschritt". "Wir haben uns 250 Jahre lang entwickelt, um solche Fälle in einem geordneten Verfahren abzuhandeln. Jetzt kehren wir zurück in die Antike zu einem Scherbengericht." Ihr Vorwurf: Die "Zeit" habe Sensationsberichterstattung betrieben und sollte künftig diese Dinge der Staatsanwaltschaft überlassen.
Da verwunderte es nicht, dass Amend die Medienkritikerin daran erinnerte, dass ihre Kollegen vom Bundesgerichtshof geklärt hätten, dass "Verdachtsberichterstattung" bei gründlicher Prüfung und Abwägung aller Argumente nicht nur zulässig, sondern auch notwendig sei für eine Demokratie. "Journalismus ist anders als justiziable Ermittlung", sagte Amend. Frommel hielt jedoch an ihrer Sicht fest, erklärt, die "Zeit" habe "eine Geschichte konstruiert", aus dem einzigen Antrieb heraus, "weil klar war, dass es einen medialen Tsunami geben würde".
Es war Plasberg und seiner Redaktion zu verdanken, die Frommels fehlleitender Argumentation ein Ende setzten. Ein Einspieler belegte, dass in den Archivakten der "Telefilm Saar" über zwei jahrzehntealte Schriftstücke aufgetaucht sind, die sexuelle Annäherungen Wedels gegenüber Schauspielerinnen in offiziellen Schriftwechseln erwähnen. So viel zur Konstruktion eines medialen Tsunamis. Es blieb dem SR-Intendanten Thomas Kleist, den "Zeit"-Rechercheuren zur Seite zu springen und als Vertreter eines betroffenen Rundfunks zu erklären: "Natürlich gilt die Unschuldsvermutung für den Täter. Aber wir haben den Opfern gegenüber eine Verantwortung. Vor allem für die Zukunft." Genau darum ging es – doch Frommel wollte nicht klein beigeben.
Tiefpunkt des Abends
Für die Professorin war klar, wie sich Frauen zu verhalten hätten, die sexuellen Übergriffen ausgesetzt seien. "Da schaller ich ihm eine Ohrfeige", nannte sie ihr Mittel der ersten Wahl und glaubte offenbar allen Ernstes, dass es darum gehe, Männer mit der flachen Hand abwehren zu können. Die WDR-Moderatorin Lisa Ortgies konnte sich da Spott nicht verkneifen. "Dann haben wir ja kein Problem. Es liegt an den Frauen, dass diese Situationen nicht entstehen." Kleist platzte dagegen der Kragen: "Können wir nicht mal eine ernsthafte Diskussion führen? Wir sind doch inzwischen so weit, dass wir wissen: Es geht nicht um Sex, sondern um Machtmissbrauch."
Und genau das war es, was Frommel offenbar nicht zu verstehen bereit war – und was noch immer viele Menschen mit ihr gemein haben. Die Professorin beharrte darauf, dass die Frauen indirekt das Problem seien: "Ich leugne nicht, dass es auch heute noch solche Umstände gibt. Aber wir haben die nötigen Gesetze, um den Frauen zu helfen. Und wir haben Institutionen, die diese Missstände regeln." Damit meinte Frommel Notrufnummern, Beratungsstellen, Hilfsleistungen und Betreuungen für betroffene Frauen. Gleichzeitig griff sie die anwesende SPD-Ministerin Katarina Barley an. "Frau Barley hätte da was tun müssen, damit das Antidiskriminierungsgesetz umgesetzt wird." Barley konterte: "Das ist ein gesellschaftliches Problem, kein rechtliches Problem. Das Problem ist das Machtungleichgewicht." Ortgies ergänzte: "Es muss ja erst einmal zur Anzeige kommen. Die Dunkelziffer ist extrem hoch. #MeToo ist vielleicht eine Ermutigung." Doch es blieb dabei: Frommel wollte diesen Unterschied partout nicht erkennen.
Special Guest: Emilia Smechowski
Vielleicht konnte ja Emilia Smechowski der Professorin die Augen etwas öffnen. Die Journalistin untersuchte in einem Selbstversuch über mehrere Monate das Phänomen des "Alltagssexismus", also eines sexistischen Verhaltens, das sich bei Männern institutionalisiert hat. Frauen mit billigen Sprüchen anmachen, anfassen, hinterherpfeifen, "Kuss- und Schnalzgeräusche wie zu Pferden" machen, wie Smechowski es nannte. Sie entschied sich, über Monate jeden Mann mit einem solchen Verhalten direkt verbal zu konfrontieren. Dabei sei ihr nicht nur aufgefallen, dass fast alle Männer sofort respektvoll entschuldigend auf das Gespräch eingingen. Sie erklärte auch etwas wohl Wichtiges, das der Diskussion aktuell noch fehlt: "Nicht nur Frauen müssen darüber reden. Mir fehlen die Stimmen der Männer, die sich äußern." Diese Stimmen hatte sie in ihrem Versuch gesucht.
Was offen bleibt
"Das Schlüsselwort heißt Respekt", sagte Barley. Doch schließlich wurde auch klar, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhen muss und nicht hinter jedem Spruch und hinter jeder Geste Sexismus vermutet werden darf. Auch diese Erfahrungen machte Smechowski in ihrem Selbstversuch. Weshalb auch der zuletzt in den Medien diskutierte Fall der Alice Salomon Hochschule in Berlin Beachtung fand. Dort soll das Gedicht "avenidas" des Lyrikers Eugen Gomringer an der Hausfassade übermalt werden, weil es angeblich sexistisch sein soll. Frommel fand die Entscheidung korrekt – allerdings nicht, weil sie das Werk sexistisch fand, sondern "einfach nur schlecht". Fast schade, dass man einige Aussagen der Professorin im Nachhinein nicht hatte übermalen können.