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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Initiative gegen Judenhass "Wer in diesem Land leben will, darf kein Antisemit sein"
Die Union erneuert die Forderung nach einem Antisemitismus-Beauftragten im Innenministerium. In der nächsten Legislaturperiode solle er seine Arbeit aufnehmen. Ein gemeinsamer Antrag mit anderen Fraktionen könnte Erfolg versprechen.
CDU-Politiker Volker Kauder hat erneut einen Antisemitismus-Beauftragten im Innenministerium ins Spiel gebracht. "Dies ist auch deshalb notwendig, weil wir natürlich alle wissen, dass es neben den Rechtsextremisten in unserem Land auch eingewanderten Antisemitismus gibt", sagte Kauder. Er unterstütze deswegen ausdrücklich den Wunsch des Zentralrats der Juden nach einem solchen Beauftragten.
Antrag wurde nicht mehr abgestimmt
Eine von der Bundesregierung eingesetzte Experten-Kommission hatte vergangenes Jahr empfohlen, den Posten eines Antisemitismus-Beauftragten zu schaffen. Die Grünen-Fraktion im Bundestag hatte auch einen Antrag dazu ins Parlament eingebracht – er wurde allerdings nicht abgestimmt, sondern nach einstündiger Debatte zunächst an die Ausschüsse verwiesen. Abschließend wurde nicht über ihn beraten. Nun erneuert die Union die Forderung, für die sich auch die Grünen stark gemacht hatten.
Ziel der Union sei es, einen fraktionsübergreifenden Antrag mit SPD, FDP und den Grünen zu formulieren, hieß es zuvor in einer Pressemitteilung. Kauder sagte: "Es muss klar sein: Wer in diesem Land leben will, darf kein Antisemit sein. Das dürfen wir nicht akzeptieren." Er verwies unter anderem auf die Vorfälle, bei denen arabische Demonstranten Israel-Flaggen bei Demonstrationen verbrannten.
Antisemitismus am stärksten unter AfD-Wählern
Laut Studien ist Antisemitismus in Deutschland quer durch die Wählerschaft aller Parteien verbreitet. Am stärksten neigen allerdings Wähler der AfD zu antisemitischen Positionen: 19 Prozent von ihnen haben "klassische" antisemitische Haltungen, während sogar fast die Hälfte Antisemitismus hinter sogenannter Israel-Kritik verbergen. In der Wählerschaft anderer Parteien neigt im Schnitt jeder Vierte bis Fünfte zu "israelbezogenem Antisemitismus". Klassische antisemitische Positionen bewegen sich im einstelligen Bereich.
Erst am Dienstag urteilte das Landgericht Berlin, der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, dürfe den AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon als Holocaustleugner bezeichnen. Gedeon hatte diese Zuschreibung nicht hinnehmen wollen und deshalb geklagt. In seinem Urteil stellte das Berliner Landgericht aber fest, dass Gedeon einzelne Aspekte des Holocausts wie die Opferzahlen oder die Einstufung der Judenvernichtung als Menschheitsverbrechen in Abgrenzung zu Kriegsverbrechen in Frage gestellt habe. Ihn einen Holocaustleugner zu nennen, sei deswegen eine zulässige Meinungsäußerung.
Gedeon: "Sonderbehandlung" für Schuster
Der Politiker steht auch parteiintern als "Antisemit" in der Kritik. Deshalb musste Gedeon 2016 die AfD-Fraktion im Landtag verlassen. Ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn war aber Ende Dezember vor dem AfD-Landesschiedsgericht in Baden-Württemberg gescheitert.
Das jetzige Urteil des Landgerichts überrasche ihn, sagte Gedeon, und warf dem Gericht vor, Schuster eine "Sonderbehandlung" zukommen zu lassen. Der Begriff wurde in Konzentrationslagern der Nationalsozialisten als Codewort und Euphemismus für Exekutionen verwendet. Noch ist das Urteil gegen Gedeon nicht rechtskräftig.
Quellen:
– Reuters, dpa
– Pressemitteilung der Unionsfraktion im Bundestag
– Pressemitteilung der Grünenfraktion im Bundestag
– Bericht des Unabhänigen Expertenkreises Antisemitismus in Deutschland