Hamburgs neuer Liebling Elbphilharmonie: Von der Lachnummer zum Weltwunder
Seit einem Jahr strahlt Hamburgs neues Wahrzeichen über dem Hafen. Hamburger und Touristen genießen auf der Plaza die Aussicht in 37 Metern Höhe und staunen über das neue Klangwunder. Kritik gibt es vor allem an den immensen Kosten der "Elphi".
Die Elbphilharmonie ist schon jetzt eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Deutschland und lässt den jahrelangen Streit um Kosten und Bauverzögerungen vergessen: Im ersten Jahr besuchten 4,5 Millionen Menschen die Plaza – das sind mehr Besucher als auf Schloss Neuschwanstein oder in der Sixtinischen Kapelle in Rom.
Klassikstars wie Riccardo Muti, Yo-Yo Ma und Cecilia Bartoli gaben sich die Klinke in die Hand. Aber auch Bands wie die Einstürzenden Neubauten, Hollywoodstar John Malkovich oder Sänger Rufus Wainwright wurden von den Zuschauern gefeiert. "Wir haben Hamburg als Kulturstadt neu auf die Landkarte setzen können. Die Elbphilharmonie ist längst etwas, das alle Hamburger als ihren eigenen Schatz begreifen", sagte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Die wichtigsten Stichworte zur "Elphi":
Architektur
Die Botschaft "Hello World, Open!" leuchtete am Ende der spektakulären Eröffnung am 11. Januar 2017 an der Fassade – und die ganze Welt ist begeistert von Hamburgs neuem Wahrzeichen. "Ein bisschen Sydney Opera House, ein bisschen Schloss Neuschwanstein", schwärmte nicht nur die italienische Tageszeitung "La Repubblica". Das einzige Gebäude, das noch mit der "gläsernen Welle" der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron mithalten könne, sei die Oper von Sydney, schrieb die "Süddeutsche Zeitung". Bundespräsident Joachim Gauck bezeichnete die Elbphilharmonie in seiner Eröffnungsrede "als Juwel der Kulturnation Deutschland". Dank der Elbphilharmonie erscheint Hamburg plötzlich in den Top-Rankings der Reiseführer und wird als "Place to be" gepriesen.
Kosten
In ihrer zehnjährigen Baugeschichte hat die Elbphilharmonie für jede Menge Negativschlagzeilen gesorgt: Immer teurer, immer später fertig, hieß die Devise. Jahrelang standen sich die Stadt Hamburg, der Baukonzern und die Architekten unversöhnlich gegenüber. Eineinhalb Jahre lang herrschte sogar Stillstand auf der berühmten Kulturbaustelle. Ursprünglich sollte die "Elphi" bereits 2010 eröffnet werden, die Kosten stiegen von 77 auf 789 Millionen Euro.
Plaza
Tausende Menschen strömen auch ohne Konzertkarte jeden Tag auf die Plaza in 37 Meter Höhe, um den Rundumblick über den Hafen zu genießen. Nicht nur die Hamburger lieben die Aussichtsplattform in luftiger Höhe. Nirgendwo sonst kann man den Hafen so hautnah erleben, scheinen die vorbeifahrenden Schiffe zum Greifen nah. Sogar einen Heiratsantrag soll es vor der atemberaubenden Kulisse schon gegeben haben. Wenn die Sonne untergeht und die Blaue Stunde beginnt, sind die Lichtreflexionen besonders spektakulär – hier zückt jeder sein Handy, um den Moment im Bild festzuhalten.
Akustik
Die meisten Kritiker und Musiker stellen dem neuen Konzerthaus, für dessen Akustik der Japaner Yasuhisa Toyota verantwortlich ist, ein positives Zeugnis aus und schwärmen vom "glasklaren Klang" und der "Transparenz". "Die akustischen Verhältnisse in der Elbphilharmonie sind zwar insgesamt großartig, aber je nach Repertoire bisweilen auch kompliziert", meint der Chefdirigent des NDR Elbphilharmonie Orchesters, Thomas Hengelbrock. Fest steht, dass der Saal keine Fehler verzeiht. Wenn ein Musiker oder Sänger den Ton nicht genau trifft, dann fällt das auf. Das heißt aber auch: je besser ein Orchester, desto besser der Klang. Was man als Zuhörer unbedingt vermeiden sollte: husten oder rascheln – denn auch das ist nur allzu gut zu hören.
Programm
In der Eröffnungssaison gab sich das "Who is Who" der Klassikszene die Klinke in die Hand: von den Wiener Philharmonikern bis zum Chicago Symphony Orchestra, von Yo-Yo Ma bis Cecilia Bartoli. Hinzu kamen anspruchsvolle Themenfestivals mit verschiedenen Schwerpunkten wie "New York Stories" oder "Salam Syria". Und so wird es in der kommenden Saison weitergehen: Das London Symphony Orchestra und das Cleveland Orchestra sind zu Gast, zu den Solisten gehören Anne-Sophie Mutter, Jonas Kaufmann und Hélène Grimaud. "Eine ganze Reihe spannender Künstler war noch nicht in der Elbphilharmonie und diejenigen, die schon da waren, freuen sich darauf, wieder zu kommen", sagt Intendant Christoph Lieben-Seutter.
Karten
Die Nachfrage nach Karten für die Elbphilharmonie reißt auch ein Jahr nach der Eröffnung nicht ab. Weil der Server immer zusammenbrach, wenn neue Karten in den Verkauf gingen, entschieden sich die Anbieter für ein neues, zweistufiges Vergabeverfahren: Zunächst können sich alle Interessierten in Ruhe für die Konzerte ihrer Wahl registrieren lassen. Danach entscheidet der Computer per Zufall, ob man auch ein Ticket erhält. "Es stimmt nicht, dass die Elbphilharmonie auf Jahre ausverkauft ist, denn es kommen laufend neue Konzerte dazu", sagte Intendant Lieben-Seutter. Er glaubt, dass der Hype noch ein, zwei Jahre anhalten wird.
Wirtschaftlicher Erfolg
Die Elbphilharmonie ist nicht nur ein Zuschauermagnet, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich. "Sowohl beim Konzertkartenverkauf, den Vermietungen und bei der Anzahl der Plazabesucher wurden unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen", sagte Kultursenator Carsten Brosda (SPD). Durch die überaus positive Resonanz sei auch das wirtschaftliche Ergebnis der Saison 2016/17 für die beiden städtischen Gesellschaften deutlich besser ausgefallen, als ursprünglich kalkuliert. Zwischen Januar und Juli 2017 erzielten die beiden Betriebsgesellschaften einen Überschuss von 900.000 Euro. Auch die Zahl der Übernachtungen ist gestiegen. "'Die Elphi' wird jeden Cent, den sie gekostet hat, zurückverdienen!", meinte der Vorsitzende der CDU-Fraktion, André Trepoll.
Treppen
Die einzigartige Architektur sorgte in der Anfangszeit auch für einige Probleme. So kam es wegen der steilen und verwinkelten Treppen, die manchmal wie eine einzige Fläche wirken, zu etlichen Stürzen. Hier besserten die Verantwortlichen in der Sommerpause mit baulichen Maßnahmen nach. Dafür wurden die Treppen in den Foyers und im Großen Saal mit einem 15 Millimeter breiten schwarzen Streifen markiert. Vor der ersten und letzten Stufe zeigt zudem jeweils ein zweiter 15 Millimeter breiter Streifen den Beginn und das Ende einer Treppe an. Die Markierungen wurden so angebracht, dass sie auch mit einem Blindenstock ertastet werden können.
Disharmonie
Bei all den Lobeshymnen auf die Elbphilharmonie gab es aber auch einige Dissonanzen. So verlief der Wechsel von Chefdirigent Thomas Hengelbrock zu seinem Nachfolger Alan Gilbert nicht reibungslos. Für die Eröffnungskonzerte wurde Hengelbrock noch gefeiert; dann teilte der Norddeutsche Rundfunk (NDR) im Juni mit, dass Hengelbrock seinen Vertrag beim NDR Elbphilharmonie Orchester über 2019 hinaus nicht verlängern werde. Wenige Tage nach der Bekanntgabe präsentierte der NDR den amerikanischen Dirigenten Alan Gilbert als Nachfolger. Hengelbrock bezeichnete das Vorgehen in einem Interview als "sehr unerfreulich" und teilte mit, dass er schon 2018 aufhören werde.
Image
Die Elbphilharmonie sollte von Anfang an kein elitärer Musentempel, sondern "Ein Haus für alle" werden – und das ist auch gelungen. Ob bei einem Workshop in der "Instrumentenwelt" – dort können verschiedene Instrumente ausprobiert werden – oder einem der zahlreichen Schulkonzerte: Jeden Tag sind auch Kinder und Jugendliche dort unterwegs sowie Menschen, die mit klassischer Musik bisher nicht so viel anfangen konnten. Das zeigt sich auch immer wieder, wenn einige Besucher strenge Klassikregeln brechen und zwischen den Sätzen klatschen. Das kann man bedauern oder gerade sympathisch finden. Auftrag erfüllt. "Mit der Elbphilharmonie hat die Kultur einen festen Platz im Herzen der Stadt bekommen", meint Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD).
Quelle:
– dpa