Antisemitismus-Debatte Empörung über Hasstiraden gegen jüdischen Gastronomen
Vor zwei Wochen brannten in Berlin israelische Flaggen. Nun löst die Verbalattacke eines 60-Jährigen Entsetzen aus. Und das Video zeigt: Antisemitismus ist kein Import aus muslimischen Ländern.
"In zehn Jahren lebst du nicht mehr". Der Mann in der dunkelblauen Winterjacke baut sich vor Yorai Feinberg auf. "Bei euch geht es nur um Geld", sagt er. "Du kriegst deine Rechnung in fünf Jahren oder zehn Jahren - und deine ganze Familie und deine ganze Sippe hier!". Auch das Wort "Gaskammer" fällt. Der Mann vor Feinbergs Restaurant in Berlin will mit dem Hass gar nicht mehr aufhören.
Feinbergs Freundin hält die Szene mit dem Smartphone fest. Später wird das Video mindestens eine halbe Million Mal auf Facebook angeschaut: sechs Minuten ungefilterter Antisemitismus (t-online.de hat berichtet). Der 60-jährige Deutsche aus dem Video wird festgenommen, dann wieder freigelassen. Der Staatsschutz ermittelt jetzt gegen ihn wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Widerstands gegen Polizisten. Das Video werde als Beweismaterial zugezogen, sagt ein Sprecher.
Knapp zwei Wochen, nachdem auf pro-palästinensischen Demonstrationen in Berlin Fahnen mit dem Davidstern verbrannt wurden, sorgt dieser neue antisemitische Vorfall für Empörung in ganz Deutschland. Auslöser für die Demonstrationen Anfang Dezember war die von US-Präsident Donald Trump verkündete Anerkennung Jerusalems als alleinige Hauptstadt Israels. Mit importiertem Antisemitsmus arabischer Jugendlicher hat dieser neue Fall allerdings nichts zu tun.
Schon vor Kurzem hat eine Civey-Umfrage im Auftrag von t-online.de erschreckende Ergebnisse gezeigt: Demnach hatten zwei Drittel der befragten Deutschen den Eindruck, dass Antisemitismus in den vergangenen Jahren zugenommen habe. 33,6 Prozent gaben sogar an, dass dieser "deutlich zugenommen" habe. Die Zahl der antisemitischen Straftaten dagegen hat sich Zahlen des Bundesinnenministeriums zufolge uneinheitlich entwickelt.
Zielscheibe des Hasses: Keine neue Erfahrung für den Gastronom
Am Donnerstagmorgen steht Yorai Feinberg in seinem Restaurant in der Fuggerstraße in Schöneberg, nicht weit vom Kudamm, Gemälde mit dem Davidstern hängen an den Wänden, auch ein siebenarmiger Leuchter, die Menorah, schmückt den Raum. Journalisten sind gekommen, der israelische Botschafter und die Bezirksbürgermeisterin haben sich angekündigt. "Wir sind doch nur ein Restaurant – und keine Botschaft", sagt der Restaurantbesitzer. Dass das "Feinberg's" Zielscheibe des Hasses gegen Juden und Israel wird, ist für den 36-Jährigen keine neue Erfahrung.
Seit sechs Jahren lebt Feinberg in Berlin, immer wieder gebe es Schmähungen, der Fall vom Dienstag sei "die Spitze des Eisbergs". Im Durchschnitt bekomme er zwei Hassmails im Monat, auch von muslimischer Seite. Noch am Mittwoch habe seine Freundin beim Landeskriminalamt über einen solchen Vorfall aussagen müssen.
Israels neuer Botschafter Jeremy Issacharoff bescheinigt Feinberg "großen Mut", sich dem Pöbler entgegenzustellen. Issacharoff ist seit wenigen Wochen in Deutschland. Vor dem "Feinberg's" muss er nun wieder zu einem judenfeindlichen Fall Stellung beziehen. "Gegen Antisemitismus kann es nur heißen: Null Toleranz." Er sei zuversichtlich, dass Deutschland entschieden dagegen durchgreife – egal von welcher Seite der Antisemitismus komme.
"Auf ein Monster kommen 500 Engel"
Zufällig am gleichen Tag warnen der frühere israelische Botschafter Shimon Stein und der Historiker Moshe Zimmermann vor einer einseitigen Wahrnehmung der Judenfeindschaft. Die Gesellschaft dürfe selbstverständlich nicht passiv bleiben gegenüber dem muslimischen Antisemitismus, schreiben sie in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Allerdings: "Die überwiegende Mehrheit der antisemitischen Straftaten in Deutschland auch nach 2015 'made in germany' wird quasi von 'Bio-Deutschen' verübt."
Falsch eingeschätzt hatte zunächst Facebook die Vorkommnisse beim "Feinberg's". Das Online-Netzwerk hatte das Video aus dem Netz entfernt. Das sei ein Fehler gewesen, räumt eine Sprecherin später ein. "Wir wissen, dass es frustrierend sein kann, wenn solch ein Fehler passiert und entschuldigen uns hiermit dafür." Jede Woche müssten Hunderttausende Meldungen bearbeitet werden.
Als positives Zeichen sieht Feinberg indes die Unterstützung, die er aus dem Netz bekommt. Er gibt sich versöhnlich. "Auf ein Monster kommen 500 Engel", sagt er. Auf Twitter kündigen bereits die ersten an, dass sie demnächst ins "Feinberg's" essen gehen wollen.