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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Maybrit Illner" zur Ehe für alle 16-Jähriger demontiert Konservative
Die Gegner der Ehe für alle standen in der Talk-Runde ohnehin als schlechter Verlierer da. Endgültig demontierte sie aber ein 16-jähriges CDU-Mitglied.
Die Gäste:
• Thomas Oppermann, SPD-Fraktionsvorsitzender
• Michael Kretschmer (CDU), stellvertretender Fraktionsvorsitzender
• Bettina Böttinger, Fernsehmoderatorin, verpartnert seit 2016
• Robin Alexander, Autor „Die Getriebene“
• Hedwig von Beverfoerde, Initiative Familienschutz
• Rafael Zinser, von zwei schwulen Vätern großgezogen worden
Das Thema
Heute stimmt der Bundestag über die Ehe für alle ab. Maybrit Illner hatte dazu eingeladen, zu diskutieren, wie es dazu kommen konnte: War es die Absicht der Kanzlerin, die Entscheidung als Gewissensfrage zu deklarieren oder hat sie sich verplappert? Fest steht: Es gibt Zoff.
Union-Fraktionsvorsitzender Volker Kauder hatte von einem "Vertrauensbruch“ der SPD gesprochen. Ist das Ende der Großen Koalition damit gekommen? Und was sind konservative Werte noch wert, wenn die vollkommene rechtliche Gleichstellung gelingt?
Der Frontverlauf
Es gibt Fragen, die kann nur Angela Merkel selbst beantworten. Maybrit Illner stellte eine von ihnen trotzdem: Wurde die Kanzerlin von der SPD faktisch nach ihrer Aussage gezwungen, den Franktionszwang aufzuheben oder ist sie ohnehin für die Ehe für alle und hat ihre Gegner wieder einmal ausgetrickst? Für Journalist Alexander war die Sache eine klare "Kommunikationspanne“. Von einem Trick wollte naturgemäß auch Kretschmer nicht sprechen und wiederholte den Vorwurf des Vertrauensbruchs und sprach von einem "bitteren Ende der Großen Koalition“. Trotzdem werde man gemeinsam bis zum Ende der Legislaturperiode weiterarbeiten.
Falls der Bundestag die Ehe für alle beschließen sollte, drohe ein "riesiges Chaos“. An die Adresse Böttingers gerichtet, die ihre Lebenspartnerin heiraten möchte, sagte Kretschmer: "Ihre Standesbeamtin wird gar nicht wissen, was sie tun soll.“ Auch Alexander hätte es besser gefunden, eine „strukturierte Debatte“ am Anfang der Legislaturperiode angesetzt zu haben. Das jetzige Schnellverfahren sei "der Würde des Parlaments nicht angemessen“. Oppermann hielt dagegen: "Das ist eine Bundesratsinitiative aus Rheinland-Pfalz, die wurde im Bundesrat sorgfältig beraten, es gab eine Anhörung im Rechtsausschuss und sie wurde fünf Mal im Bundestag diskutiert.“ Die Kanzlerin – und nicht die SPD - habe taktieren wollen, indem sie sich das Thema für kommende Koalitionsverhandlungen habe aufheben wollen "und dann der FDP oder den Grünen anbieten für einen hohen Preis“.
Aufreger des Abends
Die moralisch aufgeladene Diskussion darüber, was Ehe eigentlich ist.
Für die Konservative von Beverfoerde ist sie "eine uralte Institution, die Grundlage unserer Kultur“. Das Bundesverfassungsgericht beschreibe zudem Gegengeschlechtlichkeit als ihre Grundlage. Das habe es aber in späteren Urteilen nicht mehr gemacht, sagte Oppermann. Der Begriff unterliege dem gesellschaftlichen Wandel. Im Bürgerlichen Gesetzbuch habe anfangs gestanden, der Mann könne der Frau verbieten, zu arbeiten.
"Wenn das heute der Ehebegriff wäre, würde keine Frau in Deutschland mehr heiraten.“ Großer Applaus. Doch Benverfoerde ließ sich nicht
beirren: Die Ehe zwischen Mann und Frau sei besonders, weil nur aus ihr Kinder hervorgehen könnten. Hier hielt sogar die Moderatorin selbst
dagegen: Ob es nicht größere Probleme gebe, zum Beispiel die hohe Zahl alleinerziehender Mütter? Böttinger ging es nicht nur um den Namen, sondern um Gleichberechtigung. Die Gewalttaten gegen Homosexuelle nähmen sprunghaft zu. "Da ist es gut, wenn der Staat sagt: Ihr steht unter unserem Schutz.“
Überraschung des Abends
Der 16 Jahre alte Rafael Zinser, der von zwei schwulen Vätern großgezogen wurde. Mit Leichtigkeit und durchaus frech nahm es der junge Mann vor allem mit von Beverfoerde auf: Als diese darauf hinwies, dass es deutlich mehr Menschen gäbe, die adoptieren wollten, als Adoptivkinder, und man deshalb die klassischen Ehepartner bevorzugen solle, entgegnete Zinser lapidar: Vater und Mutter seien vielleicht das Ideal. "Aber wann ist das Leben schon ideal?“ Applaus und Gelächter.
Das Jugendamt werde schon die besten Adoptiveltern auswählen – unabhängig von ihrer sexuellen Identität. Auch mit ihrem Vorwurf einer "überzogenen Sexualaufklärung“ in der Schule, die Kinder in ihrem Schamgefühl verletze, kam seine Kontrahentin bei ihm nicht durch: "Es geht doch nur darum, dass man den Kindern erklärt, was in der Liebe möglich ist.“ Doch auch Parteifreund Kretschmer bekam sein Fett weg: Es sei vielleicht gerade nicht der richtige Zeitpunkt für die Debatte.
"Aber warum sind Sie in den letzten Jahren nicht die Gleichstellung angegangen – unter Wahrung der Begriffe (wie Ehe)?“ Spätestens da gingen den Gegnern der Ehe für alle an diesem Abend die guten Antworten aus.