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Fahrkarten ins Gefängnis: AfD-Politiker in Heilbronn bekommt Ticket


Tausende Exemplare unterwegs
Persönlich adressiert: Fahrkarte ins Gefängnis für AfD-Mitglied


04.02.2025 - 12:41 UhrLesedauer: 4 Min.
Ticket für Gefangenentransporter: Ein aktives AfD-Mitglied in Heilbronn hat das auf seinen Namen ausgefüllt in seinem Briefkasten gefunden.Vergrößern des Bildes
Ticket für Gefangenentransporter: Ein aktives AfD-Mitglied in Heilbronn fand diesen auf seinen Namen ausgefüllten Schein in seinem Briefkasten. (Quelle: Imago/privat, Montage t-online)
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Erst lässt die AfD massenhaft Flugtickets für "Abschiebeflieger" drucken, dann erwischt es die Partei selbst auf ähnlichem Wege: Ein Kommunalpolitiker findet im Briefkasten ein auf seinen Namen ausgestelltes Ticket für einen Gefangenentransport.

Ein AfD-Mitglied in Heidelberg hat am Sonntag in seinem privaten Briefkasten ein auf seinen Namen ausgestelltes Ticket für einen Gefangenentransport gefunden. Der vorgebliche Fahrschein ins nächstgelegene Gefängnis trägt einen Schriftzug des "Zentrums für politische Schönheit" – und es gibt diese Tickets massenweise.

Das erinnert zunächst an eine Aktion aus der AfD. Die ließ Tausende Flugscheine für "Abschiebeflieger" drucken und verteilen. Die Kampagne hatte Empörung und Verunsicherung ausgelöst und zog Anzeigen wegen Volksverhetzung nach sich. Die Gefängnisfahrscheine für AfD'ler sind aber keine Antwort darauf. Vorstellbar wäre das zwar angesichts der Quelle: Sie stammen vom Künstlerkollektiv "Zentrum für politische Schönheit" (ZPS), das immer wieder mit provozierenden und auch kontroversen Aktionen gegen die AfD auffällt.

Die Billetts sind von dort allerdings nicht an AfD'ler verschickt worden, sondern an AfD-Gegner. Menschen, die gespendet haben für eine Aktion des Zentrums, erhielten sie als Dankeschön – und der Gedanke dafür stand bereits, ehe die ersten blauen "Flugscheine" der AfD aufgetaucht sind.

Tickets gingen an Spender des Gefangenentransporters

Mitte Dezember hatten die Aktivisten ihren Plan vorgestellt, einen Bus zum "Gefechtsstand für die Demokratie" und zum Gefangenentransporter umzubauen und dafür um Unterstützung gebeten. Das Fahrzeug mit Strahlern, Projektor und Sirene, Ausstellung und Arrestzelle fuhr seither bereits unter anderem zum AfD- und zum SPD-Parteitag. Denn: Die Summe von 225.000 Euro für den "Adenauer SRP+" genannten Bus in blau-silberner Lackierung war nach Darstellung der Aktivisten innerhalb kurzer Zeit durch 7.462 Spenderinnen und Spender zusammengekommen.

Für eine Mindestbeteiligung gab es Geschenke. Spender konnte so auch einen Blanko-Fahrschein für den Gefangenentransporter bekommen. Diese Fahrscheine sind auf entsprechendem Papier gedruckt und perforiert zum Abreißen eines Abschnitts. Bedeutet: Tausende Menschen quer durch die Republik haben jeweils ein Ticket – und was sie damit machen, bleibt ihnen überlassen. Bisher ist nur aus Heilbronn bekannt, dass ein AfD-Mitglied die Gefängnis-Karte erhalten hat.

Und der nimmt die Sendung vergleichsweise gelassen. "Da muss schon mehr passieren, um mich zu schocken", sagte der Mittsechziger t-online. Dennoch hat er mit der Redaktion nur unter der Bedingung gesprochen, dass sein Name nicht genannt wird. "Ich muss mich nicht noch mehr zur Zielscheibe machen und bin schon genug geschädigt worden. Ich bin einiges gewohnt und relativ erfahren im Umgang mit komischen Sachen."

"Es gefällt einigen nicht, dass ich mich engagiere"

Was er damit meint: Zerstochene Reifen, mit Bauschaum ausgespritzter Briefkasten, beschädigtes Türschloss, Hakenkreuz-Schmiererei mit seinem Namen daneben – alles dokumentiert. Einbruchversuch und eine körperliche Attacke auf ihn habe es auch schon gegeben.

Allerdings ist er sich in den meisten Fällen sicher, wer dahintersteckt: Ein Mann, der offenbar auch psychische Probleme hat und gegen den, auf Antrag des AfD'lers, ein Gericht Betretungsverbot und Annäherungsverbot nach dem Gewaltschutzgesetz erlassen hat. Wegen der Hakenkreuze an verschiedenen Stellen mit Pfeilen in Richtung der Wohnung des AfD-Mannes wurde der damals 39-jährige Stalker bereits im November 2023 zu einer Geldstrafe verurteilt – ein weiterer Prozess steht noch an.

Der Heilbronner AfD-Politiker glaubt aber nicht, dass der Mann auch hinter der eingeworfenen Fahrkarte steckt. "Es gefällt auch einigen nicht, dass ich mich engagiere", sagt er. Aufgrund der ungewöhnlichen Schreibweise seines Namens auf dem Fahrschein hat er einen konkreten Verdacht, er habe schon mal Post mit derselben Schreibweise erhalten.

Er erstattete Anzeige wegen Nötigung, Bedrohung und Beleidigung – aufgrund des Textes auf der Rückseite. Dort findet sich eine Liste mit möglichen Verfehlungen des "Häftlings". Bei dem Heilbronner ist unter anderem angekreuzt, er habe "Nazi-Parolen auf dem Nachrichtendienst X verbreitet". Der Mann steht Höcke nahe, gegen ihn lief auch ein Parteiausschlussverfahren. Dieser Vorwurf treffe aber nicht zu. "Das ist eine Beleidigung." Er habe auch keine Funktion in der Partei und auch kein Mandat.

Eine Distanzierung gibt es davon dennoch nicht von Phillip Ruch, Aktionskünstler, Autor und Kopf des Zentrums für politische Schönheit. Er bestätigte t-online, dass diese Zustellung ohne Wissen oder Veranlassung des Zentrums erfolgt sei. Die Tickets seien auch nicht für jeden möglichen Empfänger "nutzbar", sagt Ruch in seinem typischen bitterbösen Stil. Alle "Transportberechtigten" würden überprüft. Um überhaupt vom Gefangenentransporter mitgenommen werden zu können, müsse man auf der Kampagnenseite des Zentrums afd-verbot.de als "Täter" aufgeführt sein.

AfD-Fraktionssprecher kritisiert auch Flugticket-Aktion

Der Heilbronner ist nicht unter den mehr als 350 AfD-Funktionären und Aktivisten, die dort mit "Belegen" erfasst sind. Die Sammlung soll "die Bedrohungslage, Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit eines Verbots unterstreichen", heißt es. Zum Start der Seite hatte das ZPS mit einem gefälschten Anschreiben des AfD-"Bundesvorstands" Parteimitglieder um Mails, Fotos, Chatverläufe und anderes Material gebeten, das gegen die Partei verwendet werden könnte. Außerdem gab es ein mit künstlicher Intelligenz erzeugtes Video, in dem Bundeskanzler Olaf Scholz vermeintlich um Mithilfe zu einem Verbotsverfahren bat.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Heilbronner Gemeinderat, Raphael Brenner, nennt den Einwurf der personalisierten Fahrkarte unangemessen. Er sagte der Lokalzeitung "Heilbronner Stimme", das gelte aber auch für die "Abschiebetickets". Die hatte der AfD-Kreisverband Karlsruhe-Stadt nach eigener Angabe in einer Auflage von rund 30.000 Stück drucken lassen und angekündigt, sie an alle Haushalte verteilen zu lassen.

Die "Badischen Neuesten Nachrichten" berichteten von einer Mutter, die ihr Kind beruhigen musste, das die Aktion mitbekommen hatte: "Mama, warum muss ich gehen?" Bei der Polizei Karlsruhe gibt es zwar 15 Anzeigen, aber keine von betroffenen Empfängern.

Nach dem Auftauchen der ersten Fotos betonte ein AfD-Sprecher, auf der Rückseite werde deutlich klargestellt, dass es nur um die Umsetzung geltenden Rechts gehe: "Völlig gesetzeskonforme Forderungen zu diesem Thema, die der aktuellen Rechtslage und dem Grundgesetz entsprechen." Zugleich wurde bekannt, dass in der Vergangenheit bereits die NPD solche Flugscheine zur Abschiebung verschickt hatte. Und auch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten hatten glühende Antisemiten jüdischen Menschen in Deutschland Pseudo-Fahrkarten "nach Jerusalem" zukommen lassen.

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