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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Wenn es sicher ist, würde ich gerne zurück" So denken Syrer in Deutschland über den Sturz Assads
Baschar al-Assads Regime ist zusammengebrochen, der Diktator nach Moskau geflüchtet. Das löst in Deutschland Freude aber auch Verunsicherung aus.
Zehntausende Menschen gehen am Sonntag in Deutschland auf die Straße – in Berlin und vielen anderen europäischen Städten. Es herrscht eine friedliche, gelöste Stimmung. 13 Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs ist Syriens Machthaber Baschar al-Assad gestürzt worden. t-online hat sich in Leipzig umgehört, wie die Menschen auf die Entwicklung blicken.
Flaggenmeer in Leipzig
"Wir sind froh, dass Assad nun weg ist", tönt es immer wieder aus der Menge der Demonstrierenden. Daher sind auch kaum die Farben der Arabischen Republik Syrien zu sehen, die für das Assad-Regime stehen. Stattdessen dominieren die Farben der Freien Syrischen Armee (FSA): Schwarz, Weiß und Grün mit roten Sternen.
Ein Meer aus Fahnen zieht durch die Leipziger Innenstadt. Menschen liegen sich in den Armen. Hinter dem Demonstrationszug fährt ein Autokorso. Die Fahrzeuge tragen Kennzeichen aus Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Es fühlt sich an, als sei die gesamte syrische Community Leipzigs versammelt.
"Es ist meine Heimat"
"Ich bin vor über zehn Jahren vor dem Assad-Regime und dem Krieg geflohen", berichtet Abdel. "Alles, was jetzt kommt, kann nur besser werden." Doch nicht alle teilen diese Ansicht. "Erst Assad und der IS, und jetzt HTS – ob die freie Wahlen ermöglichen und Syrien wieder eine geeinte Nation wird?", fragt Selim skeptisch. Die junge Frau ist mit ihren Kindern und ihrem Mann auf der Straße. Würde sie nach Syrien zurückkehren? "Wenn es wieder sicher ist, würde ich gerne zurück. Es ist meine Heimat."
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Die Bedenken sind nicht unbegründet. Die HTS (Hajat Tahrir asch-Scham) ist aus der Terrororganisation al-Qaida hervorgegangen, gibt sich jedoch inzwischen geläutert. Experten betrachten die islamistische Gruppe als gemäßigt, wenngleich weiterhin streng konservativ.
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Böller in der Nacht
"Heute wird nur gefeiert. Mir ist egal, was kommt – nach Assad kann es nur aufwärts gehen. Ich bin glücklich", sagt ein Mann, der sich Farid nennt.
Unter Polizeischutz ziehen etwa 4.000 Menschen von der Eisenbahnstraße durch den Leipziger Osten ins Stadtzentrum, wo sie den Innenstadtring umrunden. Bis zum Nachmittag bleibt die Demonstration friedlich und geordnet.
Die Route führt auch am Leipziger Weihnachtsmarkt vorbei. Vereinzelt hört man Stimmen in der glühweingeschwängerten Luft: "Wenn Assad weg ist, können die ja jetzt zurück".
Da sich weit mehr Menschen der Demonstration angeschlossen haben als ursprünglich angemeldet, hat die Polizei ihre Kräfte verstärkt, wie Polizeisprecherin Sandra Freitag t-online sagte. Bis zum frühen Abend bleibt die Lage ruhig. Ob dies so bleibt, ist ungewiss. Nach Einbruch der Dunkelheit waren zunehmend Böllerdetonationen zu hören.
- Eigene Beobachtungen